45. Dass wir rund 130 Jahre später noch immer um Erweckung und Reformation beten, beweist ohne Zweifel, dass dieser Vorstoß nicht erfolgreich war.

Die Logik hinter dieser These ist simpel. In ihrem bekannten Zitat über die Generalkonferenz 1888 in Testimonies to Ministers beschreibt Ellen White die Botschaft von Waggoner und Jones als „die Gerechtigkeit Christi, die sich im Gehorsam gegenüber allen Geboten Gottes zeigt“ und fährt dann fort:

TM 92 Das ist die Botschaft, die nach Gottes Befehl der Welt weitergegeben werden soll. Es ist die dritte Engelsbotschaft, die mit lauter Stimme verkündet und von der Ausgießung des Heiligen Geistes in reichem Maße begleitet werden soll.

Die „laute Stimme“ und die „Ausgießung des Heiligen Geistes in reichem Maße“ ist eine deutliche Anspielung auf den „lauten Ruf“ aus Offenbarung 18 und den Spätregen, der die letzte weltweite Verkündigung begleiten wird. Es war der Sinn der Botschaft von Waggoner und Jones, diese letzten Ereignisse anzustoßen und damit die Wiederkunft Jesu anzubahnen. Wäre die Botschaft generell angenommen worden (ich spreche nicht von örtlich und zeitlich begrenzten Erweckungen, die es in der Tat in den Jahren nach 1888 gegeben hat), wären wir bereits in unserer himmlischen Heimat. Da wir es nicht sind und auch Spätregen und lauter Ruf noch ausstehen, wurde die Botschaft nicht angenommen. Ich wüsste nicht, wie man diesem Schluss ohne gesundheitsgefährdende Verrenkungen entkommen könnte.

Etwa 1893 schrieb Ellen White außerdem:

1888M 1814 Der Herr hat Bruder Jones und Bruder Waggoner berufen, der Welt eine Botschaft zu verkündigen, um ein Volk vorzubereiten, am Tag Gottes zu bestehen.

Die Botschaft der vollkommenen Gerechtigkeit Jesu ist die notwendige Vorbereitung sowohl für die Adventgemeinde als auch für die ganze Welt, um sich auf die Begegnung mit Christus in Seiner Herrlichkeit vorzubereiten. Wäre sie damals akzeptiert und ausgelebt worden, wäre Gottes Volk vorbereitet gewesen, und Jesus hätte nicht länger gewartet, die Seinen zu sich zu holen.

Ein dritter Hinweis ist, dass die Botschaft von 1888 die gleiche ist wie die Botschaft an Laodizea. In einem Brief an Uriah Smith 1892 schrieb Schwester White:

1888M 1052 Die uns von A. T. Jones und E. J. Waggoner vermittelte Botschaft ist Gottes Botschaft an die Gemeinde Laodizea

In der Tat lässt sich der Brief an Laodizea im Kern als eine göttliche Aufforderung an die Gemeinde verstehen, sich im Glauben die Gerechtigkeit Christi zu eigen zu machen, die in der Verkündigung von Jones und Waggoner so im Mittelpunkt steht. Und was wird passieren, wenn die Gemeinde die Laodizea-Botschaft (alias 1888-Botschaft) wirklich annimmt?

Ellen White sah in einer Vision vom 20. November 1857 die Sichtung, die Gottes Volk in zwei Gruppen teilt (1T 179ff.). Eine Gruppe ringt ernsthaft und ausdauernd mit Gott im Gebet, bedrängt von Satans Dämonen, doch gleichzeitig unter dem Schutz himmlischer Engel; die andere Gruppe ist gleichgültig, sorglos und wird von Finsternis verschlungen.

1T 181 Ich fragte nach der Bedeutung dieser Erschütterung [„shaking“, der engl. Begriff für Sichtung], und mir wurde gezeigt, dass der Auslöser dafür die klare, durch den Rat des treuen Zeugen hervorgerufene Botschaft war.

Nach dem Sichtungsprozess sieht Schwester White die eben noch fast verzweifelt ringende Gruppe als gerüstete, diszipliniert vorrückende und von himmlischem Licht strahlende Armee, die „mit großer Kraft“ die Wahrheit verkündet.

1T 183 Ich fragte, was diesen enormen Wandel bewirkt hatte. Ein Engel erwiderte: „Es ist der Spätregen, die Erquickung vom Angesicht des Herrn, der laute Ruf des dritten Engels.“

Diese Aussagen zeigen, dass das Sendschreiben an Laodizea und die Botschaft von 1888 in ihrem Kern und Ziel eins sind, denn beide dienen dazu, Gottes Volk in den Spätregen und lauten Ruf zu führen, wodurch die Wiederkunft angebahnt wird. Und beachten wir den folgenschweren Schluss aus dieser Erkenntnis: Die Botschaft der Gerechtigkeit aus Glauben wird die Gemeinde sichten. Dieser Punkt muss uns ganz klar sein, damit wir nicht von der Situation überrascht werden; daher noch einmal das erste Zitat von Seite 181 als ganzen Absatz:

1T 181 Ich fragte nach der Bedeutung dieser Erschütterung [Sichtung], und mir wurde gezeigt, dass der Auslöser dafür die klare, durch den Rat des treuen Zeugen hervorgerufene Botschaft war. Dieser Rat wird bei denen, die dafür offen sind, nicht ohne Wirkung bleiben: Sie werden den Maßstab wieder hochsetzen und die reine Wahrheit aussprechen. Einige werden solche deutlichen Aussagen nicht tolerieren und sich dagegen wehren; so wird es zu einer Erschütterung [Sichtung] unter Gottes Volk kommen.

Auch der Vergleich mit der Laodizeabotschaft zeigt also, dass die Botschaft von Minneapolis generell nicht angenommen worden ist, da es sonst schon lange zu Sichtung, Spätregen, lautem Ruf und der Wiederkunft Jesu gekommen wäre.

44. Die Verkündigung auf der Generalkonferenz von 1888 war ein Vorstoß Gottes, die Gemeinde zur vollen Erkenntnis des Erlösungsplanes zu führen und so den Weg für den Spätregen und die Wiederkunft zu bahnen.

Die Botschaft von 1888 durch die jungen Verkündiger A. T. Jones und E. J. Waggoner war weder der erste göttliche Vorstoß zur Beendigung der Weltgeschichte noch der letzte, wohl aber der bedeutsamste – und mit Abstand auch der umstrittenste. Diese unglückliche Paarung ist kein Zufall: Der Streit um die Deutungshoheit von Minneapolis (wo die Generalkonferenz von 1888 stattfand) entspricht in seiner Intensität der Bedeutung, die Satan selbst – als Urheber des Streites – diesem Stück Adventgeschichte beimisst.

Nachdem ich mich gründlicher mit 1888 beschäftigt habe, muss ich bekennen, dass ich schockiert und tief traurig darüber bin, wie viele Hindernisse der Feind über die Jahre aufgetürmt hat, um die von Gott beabsichtigte Wirkung jener Botschaft – Vorbereitung der Gemeinde auf Spätregen, Lauten Ruf und die Wiederkunft Jesu – bis heute zunichte zu machen.

  • Eine Waffe in seinem Repertoire ist die Behauptung, die 1888 gepredigte Botschaft sei zwar „von Gott gesandt“ und „überaus kostbar“ gewesen (TM 91), doch könne heute niemand mehr sagen, was genau ihr Inhalt war, da keine wörtlichen Mitschriften existierten und Jones und Waggoner angeblich bereits kurz nach der Konferenz theologisch auf Abwege gerieten, was auch die Ursache dafür gewesen sei, dass sie in den 1900er Jahren die Gemeinde verließen.
  • Eine andere ist die Versicherung, Jones und Waggoner hätten kein speziell adventistisches Erlösungsverständnis verkündet, sondern die Gemeinde lediglich zu den auch in protestantischen Kreisen anerkannten Grundlagen der Rechtfertigung allein durch Glauben an Christus zurückgeführt – eine Behauptung, die zur Folge hat, dass 1888 eigentlich nur für Historiker und Theologen von Interesse ist, aber kaum für das normale Gemeindeglied, für das Rechtfertigung aus Glauben ja zum geistlichen ABC gehört.
  • Ein drittes Störfeuer ist die Frage, in welchem Ausmaß Ellen White als inspirierte Botin Gottes die Darstellungen von Jones und Waggoner befürwortet oder auch kritisiert hat.
  • Eine vierte Barrikade ist das seit den 1950er Jahren gewandelte adventistische Mehrheitsverständnis von der Natur der Sünde und des Menschen und daraus folgend der menschlichen Natur Jesu.
  • Eine fünfte Attacke gegen 1888 ist die Ablehnung der in diesen Thesen erläuterten „vollkommenen Gerechtigkeit aus Glauben“ als unbiblischen Extremismus.
  • Ein sechstes Hindernis ist der Standpunkt, die Lehren aus den Konflikten von 1888 beträfen gar nicht die Theologie, sondern einfach den liebevollen Umgang unter Geschwistern trotz Meinungsverschiedenheiten.

Die Liste ließe sich fortsetzen …

Meine Beobachtung ist, dass 1888 und die Botschaft von Jones und Waggoner im heutigen adventistischen Mainstream praktisch bedeutungslos sind. Ich selbst hatte lange Zeit kaum mehr als eine diffuse Vorstellung dieser Konferenz von „gegen Gesetzlichkeit, für die Gnade, christozentrisch“. Der allergrößte Teil unserer Gemeindeglieder weiß wenig bis nichts über Minneapolis, und wenn darüber mal geredet wird, dann meistens über Begleitumstände und auf der Basis von Ausführungen adventistischer Historiker. So gut wie niemand kennt Jones’ und Waggoners Schriften und Predigten aus erster Hand.

Das ist ein wahres Armutszeugnis, wenn wir bedenken, wie entscheidend dieser Abschnitt der Adventgeschichte war, sollte er doch nach Gottes Willen die letzte Erweckung und Reformation unter seinem Volk bewirken, den Spätregen bringen und das ewige Evangelium um die ganze Welt tragen. Es ist ein Mysterium, dass wir zwar viel von der baldigen und erhofften Wiederkunft Jesu reden, das Naheliegendste aber versäumen, nämlich aus den Jahren und Geschehnissen zu lernen, durch die Gott explizit genau dies herbeiführen wollte.

Persönlich glaube ich nicht, dass die letzten Ereignisse stattfinden werden, wenn wir als Gemeinde nicht zuvor das göttliche Handeln sowie das menschliche Versagen in der Zeit von 1888 und den Folgejahren erkennen, unsere sowie die Schuld unserer Väter bekennen und aufrichtig umkehren – was konkret beinhaltet, die damals gesandte Botschaft zu verstehen, zu glauben und zu leben. Der Punkt dabei ist nicht die Jahreszahl oder die Namen der Botschafter, sondern die Botschaft selbst, die immer dieselbe bleibt, weil sie göttlichen Ursprungs ist und tatsächlich identisch mit „dem ewigen Evangelium“ aus Offenbarung 14. Israel wurde nach der Rebellion am Jordan und anschließenden 38 Wüstenjahren erneut an den Ort geführt, an dem die vergangene Generation versagt hatte (Kadesch-Barnea). In gleicher Weise erwarte ich, dass der Herr Sein heutiges Volk wieder an den Punkt bringen wird, an dem es sich vor über 130 Jahren in Minneapolis schon einmal befand. Wir brauchen eine Generation, die aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und diesmal unseren himmlischen Heerführer nicht enttäuscht. Das wunderbare Resultat wird Erweckung und Reformation, die Ausgießung des Spätregens, die weltweite Verkündigung des Evangeliums und Christi Kommen mit den Wolken des Himmels sein – kurz: die Erfüllung aller unserer Sehnsüchte!

Ich empfehle zum Studium der Geschichte von 1888 und den Nachwirkungen die beiden exzellent recherchierten Bücher The Return of the Latter Rain (Band 1; die deutsche Ausgabe Die Rückkehr des Spätregens ist im Newstartcenter erhältlich) und Wounded in the House of his Friends von Ron Duffield (auf thereturnofthelatterrain.net sind kostenlose PDF-Ausgaben auf Englisch, Rumänisch und Russisch erhältlich, Englisch auch als Audiobuch). Bitte bei dieser Thematik sich möglichst breit informieren – weil sie so umstritten und gleichzeitig so wichtig ist, reicht es nicht, dazu das Buch eines bekannten Adventgeschichtlers zu lesen oder ein Symposium zu besuchen und dann zu meinen, man wisse jetzt Bescheid! In diesem Fall ist ein tieferes Schürfen unverzichtbar. Doch der Einsatz ist mehr als lohnend!

43. Erst wenn wir verstehen, dass es für Sünde keine Entschuldigung gibt, wird sie uns wirklich leidtun. Erst dann werden wir Christus ganz in unseren Seelentempel einlassen, sodass er ihn „von aller Ungerechtigkeit reinigen“ kann (1Joh 1,9).

Auch als gläubige Menschen behalten wir bis zur Verwandlung unsere gefallene Natur. Trotzdem schrieb Schwester White 1898 im Leben Jesu (S. 300) mit Blick auf uns: „Für die Sünde gibt es keine Entschuldigung.“ Wirklich? Ganz wirklich??

Wie wir tief im Herzen über diese Frage denken, unsere ureigenste, vielleicht sogar diffus unbewusste Überzeugung dazu, wird unser Schicksal entscheiden. Wieso kann ich das behaupten? Weil dies die Frage des großen Kampfes zwischen Gott und Satan ist. Wenn es irgendwo im Universum einen legitimen Schlupfraum für irgendeine noch so kleine Sünde gäbe, hätte dies Konsequenzen, wie sie dramatischer und umwälzender nicht sein könnten: Gottes Gesetz wäre nicht mehr vollkommen, und Gott selbst müsste die Verantwortung für die Entstehung der Sünde (oder zumindest dieser einen Sünde) übernehmen. Satan hätte recht mit seinem Vorwurf, Gottes Herrschaft sei verbesserungsbedürftig und Sein Gesetz müsse revidiert werden. Und da das Gesetz ein treues Abbild des Wesens Gottes ist, würde unausweichlich folgen, dass Gott selbst unvollkommen ist und sich ändern muss …!

Doch Gott sei Lob und Dank in alle Ewigkeit, dass all dies nicht der Fall ist! Das inspirierte Wort erklärt uns:

GK 495f. Es ist unmöglich, den Ursprung der Sünde so zu erklären, dass dadurch eine Begründung für ihr Dasein gegeben würde … Die Sünde ist ein Eindringling, für dessen Erscheinen wir keine Ursache angeben können. Sie ist geheimnisvoll, seltsam, sie zu entschuldigen, hieße, sie zu verteidigen. Wäre ihr Dasein zu entschuldigen oder zu begründen, so hörte sie auf, Sünde zu sein.

PP 421 Selbst die stärkste Versuchung ist keine Entschuldigung für Sünde. Egal wie stark du unter Druck gesetzt wirst – Sünde ist immer deine eigene Tat. Das eigentliche Problem liegt in einem unerneuerten Herzen. (vgl. Patriarchen und Propheten, 401)

Beachten wir hier, dass Ellen White, inspiriert durch den Heiligen Geist, die Grundfrage der vollkommenen Gerechtigkeit Gottes und aller Seiner Forderungen sowohl auf die Auseinandersetzung im Himmel anwendet, in die (damals noch) sündlose Engel verwickelt waren, als auch auf die gefallene Menschheit, die doch natürlicherweise überhaupt nicht anders kann, als zu sündigen. Warum ist diese Anwendung dennoch legitim? Die einzige schlüssige Antwort in diesem Zusammenhang lautet: Gott hat den Erlösungsplan so gestaltet, dass vollkommener Gehorsam selbst für den gefallenen Sünder wieder ermöglicht und damit jede Entschuldigung für Ungehorsam entkräftet wird.

Das ist schlechte Nachricht, wenn man sich mit der Opferrolle gut arrangiert hat, dagegen extrem gute Nachricht und voller Hoffnung und Inspiration, wenn man sich nach wahrer Freiheit und beständiger Gemeinschaft mit Christus sehnt und bereit ist, für sein Leben Verantwortung zu übernehmen. Es mag im ersten Moment angenehm sein zu hören, ich könne „nichts dafür“ – die Last der Schuld fällt ab, der scheinbar sinnlose Kampf gegen böse Neigungen hört auf. Die Kehrseite der Medaille ist, dass ich dann auch „nichts dagegen“ kann – die bedrückende Gefangenschaft bleibt, und ich muss mich damit abfinden, bis an mein Lebensende zwanghaft das zu tun, was ich gar „nicht will“ und sogar „hasse“ (Röm 7,15.16). Sollte dies die „wirkliche Freiheit“ sein, die den Menschen zu geben Jesus gekommen war (Joh 8,36)? Freiheit von der Strafe durch Generalamnestie, jedoch keine Freiheit von der Straftat? Ganz sicher nicht. Paulus nennt diese Art Leben „elend“ (Röm 7,24), und genauso ist es, denn es ist nach wie vor ein Leben unter Fremdbestimmung, ein Leben „in Ägypten“, ein Leben bestimmt vom „Gesetz der Sünde“ (V. 23) – und ja, ein „fleischliches“ Leben (V. 14), das in dieser Form mit dem zweiten Tod enden muss,

Röm 8,13 denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben …

Lebst du in dem Glauben, dass es Sünden in deinem Leben gibt, die du selbst als Christ unmöglich aufgeben oder überwinden kannst? Dann müssen dich folgende Aussagen sehr befremden:

Jak 2,10 Wer das ganze Gesetz hält, aber in einem strauchelt, ist aller Gebote schuldig geworden.

Brief 216, 1906 Die Bedingungen, unter denen ewiges Leben erlangt werden kann, sind im Neuen Bund dieselben wie im Alten. Die Grundlage der Bedingungen ist – und ist immer gewesen – vollkommener Gehorsam.

6BC 1072f. Warum können Menschen, die sich für bibeltreu halten, nicht verstehen, dass Gott unter der Gnade denselben Anspruch stellt wie im Garten Eden, nämlich vollkommenen Gehorsam gegenüber seinen Geboten?

Ich möchte dich von Herzen einladen, in der anstößig und drastisch klingenden Feststellung, dass es für KEINE unserer zahlreichen Sünden eine Entschuldigung gibt, die gute Nachricht zu entdecken, dass JEDE unserer zahlreichen Sünden durch die Gnade unseres Erlösers überwindbar geworden ist. Wir können vollständig frei werden! Halten wir uns in dem kindlichen Glauben einer Maria und dem unnachgiebigen Glauben eines Jakob an der tiefen Wahrheit und Verheißung fest, die in den folgenden Zitaten – nur wenige von unzähligen im inspirierten Wort – ausgedrückt ist:

COL 314 Satan hatte behauptet, es sei dem [gefallenen!] Menschen unmöglich, Gottes Geboten zu gehorchen, und aus eigener Kraft können wir ihnen tatsächlich nicht gehorchen. Aber Christus kam in menschlicher Gestalt und bewies durch seinen vollkommenen Gehorsam, dass Menschliches und Göttliches vereint jede einzelne Vorschrift Gottes einhalten können. „Allen denen aber, die ihn aufnahmen, gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.“ (Joh 1,12; Schlachter 1951) Diese Macht kommt nicht aus dem Menschen. Es ist die Macht Gottes. Wenn ein Mensch Christus empfängt, empfängt er Macht, das Leben Christi zu leben.

COL 312 Durch seinen vollkommenen Gehorsam hat er es jedem Menschen möglich gemacht, Gottes Geboten zu gehorchen.

1Joh 3,6 Jeder, der in ihm [Christus] bleibt, sündigt nicht

Es ist unmöglich, Taten zu bereuen, die ich – bewusst oder unbewusst, mehr oder weniger – vor mir selbst mit der Überzeugung rechtfertige, ich hätte sie gar nicht verhindern können. Selbstrechtfertigung ist das Gegenteil von Schuldbekenntnis. Sie ist der erklärte Feind der Vergebung, weil sie die notwendige Reue verhindert. Diese Selbstrechtfertigung ist ein wesentlicher Grund für Laodizeas geistliche Schwachheit und mangelnden Sieg über sündige Neigungen. Beachten wir sorgfältig, wie der Geist der Weissagung diese Situation beschreibt:

COL 315 Der Mann, der ohne Hochzeitskleid zum Fest kam, stellt den Zustand vieler in unserer heutigen Welt dar. Sie nennen sich Christen und beanspruchen die Segnungen und Vorrechte des Evangeliums, verspüren aber keine Notwendigkeit, dass ihr Charakter verwandelt wird. Sie haben niemals echte Reue über die Sünde gefühlt. Ihnen ist nicht bewusst, dass sie Christus brauchen, und sie praktizieren keinen Glauben an ihn. Sie haben ihre ererbten und selber gepflegten Neigungen zu falschem Verhalten nicht überwunden.

„Ihnen ist nicht bewusst, dass sie Christus brauchen.“ Wie ist es möglich, dass Christen nicht bewusst ist, dass sie Christus brauchen?! Diese Aussage kann sich unmöglich auf die Tatsache beziehen, dass jeder Mensch Vergebung durch Christus braucht, denn in dieser Frage herrscht im Christentum Einmütigkeit. Die Aussage bezieht sich vielmehr auf die Frage der Heiligung und des Gehorsams durch Christus: Ihnen ist nicht bewusst, dass sie vollkommenen Gehorsam brauchen, daher betrachten sie es auch als müßig zu glauben, dass Christus ihnen vollkommenen Gehorsam schenken kann und will, und ebenso empfinden sie keine „echte Reue“ über ihre Unvollkommenheiten, weil sie in ihren Augen für ihre Beziehung mit Jesus und ihre Erlösung letztlich belanglos sind.

Dies ist weitgehend unsere Situation heute in der Adventgemeinde. Wundert es uns da, dass Christus noch nicht wiedergekommen ist? Wir sind vor dem Maßstab „vollständigen Gehorsams“ und „vollkommener Gerechtigkeit“, wie Christus sie gelebt hat, tatsächlich nackt. Es ist uns nur, wie im Gleichnis dem Mann ohne Hochzeitskleid, „nicht bewusst“. Dieser Mann verkörpert unsdie laue Gemeinde.

6BC 1072f. Das Evangelium des Neuen Testaments hat die Maßstäbe des Alten Testaments nicht heruntergeschraubt, etwa um dem Sünder entgegenzukommen und ihn in seinen Sünden zu retten. Gott erwartet von allen seinen Untertanen Gehorsam, vollständigen Gehorsam gegenüber allen seinen Geboten. Wie eh und je verlangt er vollkommene Gerechtigkeit – sie allein verschafft uns Eintritt in den Himmel. Christus ist unsere Hoffnung und unsere Zuflucht. Seine Gerechtigkeit wird nur dem Gehorsamen zugerechnet. Nehmen wir sie im Glauben an! Dann wird der Vater keine Sünde in uns finden.

Uns muss bewusst werden, dass Gott vollkommenen Gehorsam von uns erwarten darf, weil Er in Christus vollkommenen Gehorsam ermöglicht hat, und dass Gott vollkommenen Gehorsam erwarten muss, weil er das einzig mögliche Fundament Seiner ewigen Herrschaft ist. Das Glück des gesamten Alls hängt davon ab, dass dieser Maßstab auch in der furchtbaren Krise von Sünde und Rebellion aufrechterhalten wird!

Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, wie wir uns in dieser gewaltigen Streitfrage auf Gottes Seite stellen können: indem wir anerkennen, dass alle Forderungen Gottes – von den ganz kleinen bis zu den ganz großen – „heilig, gerecht und gut“ sind (Röm 7,12) sowie absolut essenziell für das Fortbestehen Seiner vollkommenen Herrschaft im Himmel und auf der Erde. Alles andere ist effektiv ein Votum für die kosmische Rebellenfraktion. Wenn wir das übersehen, übersehen wir das Herz des großen Kampfes.

42. Es heißt „Gerechtigkeit aus Glauben“, nicht „Ungerechtigkeit trotz Glauben“.

Obwohl wir als Adventisten ein ganzheitliches Menschenbild haben, das sich z. B. in der Ablehnung einer unsterblichen Seele und in der Betonung eines gesunden Lebensstiles zeigt, nehmen viele von uns bei der Erlösung eine Aufspaltung in Theorie und Praxis, in Wort und Tat vor, um daraufhin dem Wort (der Rechtfertigung) den Vorrang vor der Tat (der Heiligung) zu geben und wortwörtlich in dieser isolierten Rechtfertigung „ihr Heil zu suchen“ bzw. ihre „Heilsgewissheit“.

Diese Unausgewogenheit, die in den unterschiedlichsten Graden vorliegen kann, widerspricht nicht nur dem biblischen Menschenbild, sondern – was schwerer wiegt – dem biblischen Gottesbild, in dessen Ähnlichkeit wir geschaffen sind. Es wäre eine wesentliche Beschädigung der göttlichen Integrität, die Satan umgehend anprangern würde, wenn Gott zwar vollständig gerecht sprechen, aber nur unvollständig gerecht machen würde. Es würde Gott selbst dem Vorwurf aussetzen, dem eigenen Wort mehr Gewicht zu geben als der eigenen Tat und keine vollkommene Einheit von Bekenntnis und Handeln zu verkörpern.

Gott ist „die Wahrheit“, wie Jesus sich selbst nennt, und dies bedeutet im biblischen Sprachgebrauch, dass Sein Reden und Handeln vollkommen deckungsgleich sind (ein besseres deutsches Wort dafür wäre „Wahrhaftigkeit“ oder moderner ausgedrückt „Integrität“). Wenn aber Gott so ist, dann war es auch der in Seinem Bild geschaffene Mensch, und dann muss Erlösung auch die Wiederherstellung dieser Wahrhaftigkeit beinhalten. Der biblische Begriff von „Gerechtigkeit“ ist aus diesen Gründen durchweg ganzheitlich – die Einheit zwischen Wort und Tat, Gerechtigkeit als innere Qualität, deren Echtheitsbeweis immer in einem gerechten Leben liegt. Deswegen ist es auch kein Problem, im Gericht nach Werken zu urteilen und nicht nach Glauben. Es ist effektiv ein und dasselbe, weil der Mensch wie Gott ein ganzheitliches Wesen ist, ein wahrhaftiges Wesen.

Auf den Punkt gebracht: Gerechtigkeit aus Glauben ist biblisch nichts anderes als die vollkommene Übereinstimmung von Gerechtsprechung und Gerechtmachung. Sie ist „Vollkommenheit aus Glauben“ – die Wiederherstellung des göttlichen Abbildes im Menschen, der sich zu einem Gott der Liebe nicht nur mit Worten bekennt, sondern diese Liebe in seinem menschlichen Wirkungskreis praktisch lebt und sie sogar seinen Feinden zukommen lässt. Diese Liebe umschließt alles, was Gott vom Menschen „fordert“. Sie ist vollkommener Gehorsam und vollkommene Gerechtigkeit im biblischen Sinn. Sie ist die unweigerliche Frucht des „Glaubens Jesu“ (Off 14,12).

Wenn uns das fremd vorkommt, sollten wir unser Heil nicht in einer Theologie suchen, die auch für Nichtüberwinder viel Platz im Himmel hat, sondern ohne Beschönigung, aber dennoch in kindlicher Zuversicht zu Jesus gehen, der uns liebt, und Ihn von ganzem Herzen um das geläuterte Gold bitten, das Laodizea so sehr braucht. Er ist langmütig, mitfühlend und kennt unsere menschliche Misere in jeder Einzelheit. An Ihn zu glauben, bringt eine Gerechtigkeit, die den ganzen Menschen in allen Aspekten umfasst, ihn in Körper, Seele und Geist radikal umgestaltet und sich in einem neuen, christusähnlichen Denken, Sprechen und Leben offenbart.

Ein Glaube, der diese Gerechtigkeit weder beansprucht noch hervorbringt, ist kein rettender Glaube.

41. Die Neigung, seine Sünden und Charakterfehler zu entschuldigen, führt zu weiteren Sünden und Charakterfehlern.

Auch diese These ist fast wörtlich dem Leben Jesu entnommen (ebenso S. 300). Charakterfehler sind verfestigte Sünden. Sie entstehen durch sündiges Verhalten und vertiefen sich, je häufiger und länger das Verhalten wiederholt wird. Und je ausgeprägter ein Charakterfehler ist, desto leichter fällt es, die Sünde zu wiederholen, die ihn hervorgebracht hat. Es ist eine Wechselwirkung und ein Kreislauf – in diesem Zusammenhang wortwörtlich ein „Teufelskreis“, den wir aus eigener Kraft nicht verlassen können, selbst wenn wir es (wie der „elende Mensch“ in Römer 7) wollen.

Hier setzt das Evangelium an. Christus kam und nahm unsere Schuld auf sich, um uns freizusprechen und aus dem Klammergriff der Wiederholungssünden zu lösen. Aus der negativen Wechselwirkung macht Er eine positive und beginnt einen neuen Kreislauf mit einem neugeschaffenen Herzen, das Gehorsam lebt, woraus gute Charakterzüge entstehen, die wiederum den Gehorsam erleichtern und verfestigen. Das Geheimnis dabei ist die göttliche Gegenwart und erneuernde Kraft des Heiligen Geistes im Gläubigen:

LJ 670 Christus hat seinen Geist als eine göttliche Kraft gegeben, um alle ererbten und anerzogenen Neigungen zum Bösen zu überwinden und seiner Gemeinde sein Wesen aufzuprägen.

Der kritische Punkt ist nun, dass dieser neue Kreislauf nur in Gang gesetzt werden kann, wenn der Mensch sich zuvor schuldig bekennt. Solange er sich aber entschuldigt, bleibt der alte Teufelskreis ungemindert erhalten und setzt sich unweigerlich in immer weiteren Sünden und Charakterfehlern fort.

Das Beste, was uns in dieser deprimierenden Situation passieren kann, ist eine liebevolle Konfrontation mit der Wahrheit (Jesus tut das mit Seinem Brief an Laodizea). Das Schlimmste, was uns passieren kann, sind gutmeinende Gefährten, die Verständnis für unsere Entschuldigungen zeigen und versichern, vollständiger Gehorsam sei sowieso illusorisch, weswegen Gott ihn auch nicht von uns erwarte. Diese Haltung verhindert echte Bekehrung! Damit bleibt das Leben ohne wahre Herzenserneuerung, ohne praktischen Glauben an Christus und ohne die Erfüllung mit dem Heiligen Geist. Diese Art „christlicher Nachfolge“ ist nicht mehr als eine unerkannte Form von Selbstgerechtigkeit, übertünchte Gesetzlichkeit, „tote Werke“, die Gott niemals akzeptieren kann, weil sie menschlich produziert sind – statt göttlich vorbereitet und durch die Verdienste Jesu geheiligt.

40. „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Mt 5,48) Dieses Gebot ist eine Verheißung. Der Erlösungsplan hat unsere vollständige Befreiung aus der Macht Satans zum Ziel.

Wer Das Leben Jesu kennt, weiß, dass diese These wörtlich daraus zitiert ist (S. 300). Diese wenigen Sätze fassen im Grunde das Evangelium zusammen. Sie bestätigen, dass Gott Vollkommenheit erwartet („Gebot“), weil Er sie selbst verwirklicht („Verheißung“), und dass Erlösung als ein Zusammenspiel von göttlicher Aktion („Erlösung, Befreiung“) und menschlicher Reaktion (Gehorsam gegenüber dem „Ihr sollt“) geschieht, dessen Ziel die „vollständige Freiheit“ ist, mit der Gott die ersten Menschen ausgestattet hatte.

Der Geist der Weissagung schildert uns, wie Jesus selbst durch das Zusammenspiel von Gottes „Geboten“ und „Verheißungen“ aus dem großen Kampf mit dem Teufel als Sieger hervorging:

MH 181 Der Heiland überwand, um den Menschen zu zeigen, wie sie überwinden können. Allen Versuchungen Satans begegnete Christus mit dem Wort Gottes. Indem er Gottes Verheißungen vertraute, empfing er Kraft, Gottes Geboten zu gehorchen, und der Versucher konnte keinen Vorteil erringen.

Überlegen wir einmal: Gott als barmherziger Vater und liebender Schöpfer würde niemals auch nur annähernd gefallenen Geschöpfen wie dir und mir etwas „gebieten“, von dem Er wüsste, dass wir dazu beim besten Willen nicht in der Lage wären. Selbst menschliche Eltern mit ihrer so begrenzten Liebesfähigkeit kämen nicht auf den Gedanken, ihre Kinder mit derartigen Forderungen zu quälen – wie viel mehr der Vater aller Väter!

Ellen White schreibt zum obigen Bibelvers (Mt 5,48) an anderer Stelle:

ST, 3.9.1902 Vor aller Welt lässt Gott uns zu lebendigen Zeugen dafür heranwachsen, was Männer und Frauen durch die Gnade Christi werden können. Wir werden ermahnt, nach einem vollkommenen Charakter zu streben. Der göttliche Lehrer sagt: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Mt 5,48) Würde Christus uns damit schikanieren, dass er Unmögliches von uns verlangt? Nie und nimmer! Was für eine Ehre er uns erweist, dass er uns drängt, in unserem Bereich so heilig zu sein wie der Vater in seinem Bereich! Er kann uns dazu befähigen, denn er erklärt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden.“ (Mt 28,18) Wir haben das Vorrecht, diese unbegrenzte Macht in Anspruch zu nehmen.

2SM 32 Die Schrift lehrt uns, nach der Heiligung von Körper, Seele und Geist für Gott zu streben. Dabei sollen wir mit Gott zusammenarbeiten. Es kann viel getan werden, um das sittliche Bild Gottes im Menschen wiederherzustellen und die körperlichen, geistigen und moralischen Fähigkeiten zu entwickeln. Große Veränderungen können im Organismus geschehen, wenn man Gottes Gesetzen gehorcht und dem Körper nichts Unreines zuführt. Zwar können wir keine Vollkommenheit des Fleisches beanspruchen, doch dürfen wir christliche Vollkommenheit der Seele haben. Durch das für uns gebrachte Opfer können Sünden vollkommen vergeben werden. Wir stützen uns nicht darauf, was der Mensch tun kann, sondern was Gott durch Christus für den Menschen tun kann. Wenn wir uns Gott ganz übergeben und völlig glauben, reinigt Christi Blut uns von allen Sünden. Das Gewissen kann frei werden von Verdammung. Durch den Glauben an Sein Blut kann jeder in Christus Jesus vervollkommnet werden. Gott sei Dank, dass wir es nicht mit Unmöglichkeiten zu tun haben! Wir dürfen Heiligung beanspruchen. Wir dürfen Gottes Gunst genießen. Wir sollen uns nicht darüber sorgen, was Christus und Gott von uns denken, sondern was Gott von Christus, unserem Stellvertreter, denkt. Ihr seid angenommen in dem Geliebten. (vgl. 2FG 33)

Es ist ein trauriges Kapitel Adventgeschichte, dass gerade die Zusage Jesu in diesem Vers (Mt 5,48), die die wunderbare Tiefe und Überschwänglichkeit des Erlösungsplanes zum Ausdruck bringt – die Wiederherstellung der Vollkommenheit, mit der Gott uns geschaffen hat –, so häufig gemieden, bestritten und relativiert worden ist. Der erste Schritt, dieses Stück Geschichte zu einem Kapitel des Triumphes zu machen, ist einzugestehen, dass diese Worte Jesu an sich schlicht, mächtig und herrlich sind und das einzige Problem damit unser Mangel an Glauben ist. Gottes Wort steht fest, und die Erfüllung aller Seiner Versprechen ist über jeden Zweifel erhaben. Doch entscheiden persönlicher Glaube oder Unglaube darüber, an wem sich das Wort verwirklicht und an wem nicht.

Wir brauchen kindlichen Glauben! Wir sollten daher konsequent alles Glaubensstärkende pflegen und hegen, zweifelnde Überlegungen hingegen verbannen und ihnen keinen Raum geben. Daher abschließend noch ein glaubensstärkender Gedanke aus dem obigen Vers: Unsere Vollkommenheit ist die natürliche Folge daraus, dass unser Vater vollkommen ist. Wir werden vollkommen sein, weil unser Vater vollkommen ist! Das ist das „Gesetz geistlicher Vererbung“. Wir bringen diese Vollkommenheit nicht aus uns selbst hervor, sondern Gott hat sie in uns hineingelegt, als Er uns durch die Wiedergeburt zu Seinen Kindern gemacht – „gezeugt“ – hat. Wenn wir Ihm so unbekümmert vertrauen, wie Kinder es natürlicherweise tun, schaffen wir den nötigen Raum, dass dieser göttliche Same der Vollkommenheit wachsen und reifen kann. Die Sonne der Gerechtigkeit Christi und der Regen des Heiligen Geistes werden die Frucht hervorbringen, die Gott bereits im Samenkorn verborgen hat. Das sind Naturgesetze. Nichts kann sie aufhalten – außer unserem Zweifel. Deshalb lasst uns unserem Vater im Himmel vertrauen! Er kann und wird uns nicht enttäuschen.

39. In allen diesen Schritten ist Christus „Anfänger und Vollender“ (Heb 12,2), weswegen im Erlösungsplan menschlicher Ruhm „ausgeschlossen“ ist (Röm 3,27), wobei uns dennoch die Aufgabe zufällt, die guten Werke auszuleben, die Gott „in Christus vorbereitet hat“ (Eph 2,10), weswegen unsere Erlösung nicht ohne eigenes Zutun geschieht (Phil 2,12), was aber vor Gott ohne jedes Verdienst ist (Lk 17,10) und nicht mit Werksgerechtigkeit verwechselt werden darf.

Heb 12,2 indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.

Röm 3,27 Wo bleibt nun der Ruhm? Er ist ausgeschlossen. Durch was für ein Gesetz? Der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.

Eph 2,10 Denn wir sind sein Gebilde, in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken, die Gott vorher bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.

Phil 2,12 Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht nur wie in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern!

Lk 17,10 So sprecht auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

Für viele Christen ist die geringste Andeutung menschlicher Mitwirkung im Erlösungsplan bereits „Werksgerechtigkeit“ und „ein anderes Evangelium“. Das ist jedoch ein grundlegendes Missverständnis der biblischen Botschaft. Es vermittelt ein falsches Bild sowohl von Gottes Charakter als auch von der Natur des Menschen. Gott hat den Menschen als moralisch freies Wesen geschaffen mit der Fähigkeit, Gutes oder auch Böses zu tun. Dass der Schöpfer uns diese Freiheit verliehen hat, ist ein unwiderlegbarer Beweis seiner unbeschreiblichen Liebe zu uns, denn diese Freiheit sollte den Sohn Gottes das Leben kosten. Es war Adams Entscheidung, die Sünde in sein Herz zu lassen und das Böse zu tun, und es ist letztlich auch die Entscheidung des Menschen, die Sünde wieder auszutreiben und das Gute zu tun. Der Wille und die Kraft dazu sind gänzlich Gnadengaben Gottes durch die Verdienste Christi; die Anwendung der Gaben liegt jedoch bei uns.

DA 466 Im Erlösungswerk gibt es keinen Zwang. Keine äußere Gewalt wird gebraucht. Unter dem Einfluss des Geistes Gottes ist es jedem selbst überlassen, wem er dienen will. Die Wandlung, wenn sich jemand Christus übergibt, geschieht in höchstem Sinne in Freiheit. Die Austreibung der Sünde geschieht durch den Menschen selbst. Es stimmt, wir haben keine Kraft, uns aus der Herrschaft Satans zu befreien; aber wenn es unser Wunsch ist, von der Sünde befreit zu werden, und wir in unserer großen Not nach einer Kraft außerhalb von uns und über uns rufen, dann werden die inneren Kräfte mit der göttlichen Energie des Heiligen Geistes durchtränkt und gehorchen den Befehlen des [eigenen] Willens in der Erfüllung des Willens Gottes. (vgl. LJ 462)

5T 579 Wenn wir Selbstsucht und Bequemlichkeit pflegen, unseren Neigungen nachgehen und nicht unser Bestmögliches tun, um mit Gott bei unserer Erhebung, Veredelung und Läuterung zusammenzuarbeiten, erfüllen wir nicht seine Erwartungen an uns. Wir erleiden einen dauerhaften Verlust in diesem Leben und werden am Ende das zukünftige, unsterbliche Leben verlieren. Gott möchte, dass du aktiv bist – nicht in Selbstverachtung oder Entmutigung, sondern mit stärkstem Glauben und Hoffnung, heiter und fröhlich, als Repräsentant Christi für die Welt. Der Glaube Jesu bedeutet Freude, Friede und Glück.

AG 319 Die Kraft Gottes ist der eine Wirkungsfaktor in dem großartigen Werk, über die Welt, das Fleisch und den Teufel den Sieg davonzutragen … Der Mensch kann ohne Gott nichts erreichen. Gott hat seinen Plan so entworfen, dass in der Wiederherstellung der Menschheit nichts erreicht wird außer durch die Zusammenarbeit zwischen Menschlichem und Göttlichem. Der vom Menschen geforderte Part ist unermesslich klein; trotzdem ist nach Gottes Plan gerade dieser Part nötig, damit das Werk erfolgreich ist.

Dessen ungeachtet muss uns immer bewusst sein, dass alles, was wir – selbst als Gläubige – vor Gott bringen können, allein durch die Verdienste Jesu annehmbar wird. Vom ersten bis zum letzten Schritt sind wir im Erlösungsplan ganz von unserem Heiland und Seinem reinigenden Blut abhängig. Diese Erkenntnis sollte uns vor jedem Gedanken an Eigenverdienst und vor allen Gefühlen von Stolz und Bessersein bewahren und stets demütig und dankbar sein lassen. Im Angesicht des Kreuzes leben wir in einem sich ständig vertiefenden Empfinden unserer eigenen Unwürdigkeit und Verlorenheit ohne Christus, dessen vollkommene Gerechtigkeit allein vor Gott von Wert ist.

1SM 344 Die Gottesdienste, die Gebete, das Lob, das reuige Sündenbekenntnis steigen von den wahren Gläubigen wie Weihrauch zum himmlischen Heiligtum, doch weil sie dabei mit der menschlichen Verdorbenheit in Berührung kommen, werden sie so befleckt, dass sie vor Gott keinerlei Wert hätten, würden sie nicht durch Blut geläutert. Sie steigen nicht in makelloser Reinheit auf, und wenn nicht der Mittler zur Rechten Gottes alles durch seine Gerechtigkeit darbringt und reinigt, ist es vor Gott nicht annehmbar. Jeder Weihrauch von irdischen Stiftshütten muss von den reinigenden Bluttropfen Christi durchfeuchtet sein … O würden doch alle sehen, dass jeder Gehorsam, jede Buße, jedes Lob und jeder Dank auf das glühende Feuer der Gerechtigkeit Christi gebracht werden muss! (vgl. 1FG 363f.)

Vollkommenheit in diesem Leben ist uns verheißen, doch bis dahin werden wir selbst bei unserem aufrichtigsten Bemühen immer wieder mit unseren zahlreichen Unvollkommenheiten konfrontiert werden. Daher sind die folgenden Worte ein großer Trost:

1SM 368 Christus schaut auf die Einstellung, und wenn er sieht, dass wir unsere Lasten mit Glauben tragen, sühnt seine vollkommene Heiligkeit unsere Unzulänglichkeit. Wenn wir unser Bestes geben, wird er zu unserer Gerechtigkeit. (vgl. 1FG 388)

Manche nehmen solche Aussagen als Begründung, warum selbst ein Christ Gottes Gesetz niemals vollkommen halten werde. Ein Prediger führte einmal im Gespräch mit mir das erste Zitat an und meinte, unsere Taten würden sogar im Himmel noch dieser Art Sühne bedürfen. Wenn das so wäre, könnte Jesu Priesterdienst nie zu Ende gehen, und eine Zeit kurz vor der Wiederkunft, wo wir „ohne Mittler vor dem Angesicht eines heiligen Gottes bestehen müssen“ (GC 424; vgl. GK 427), würde es nie geben. Gottes Wort versichert uns dagegen, dass Christi Opfer von jeder Sünde reinigt:

Heb 9,13 Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh, auf die Unreinen gesprengt, zur Reinheit des Fleisches heiligt,

14 wie viel mehr wird das Blut des Christus, der sich selbst durch den ewigen Geist als Opfer ohne Fehler Gott dargebracht hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, damit ihr dem lebendigen Gott dient!

Die Zeit wird kommen, wenn unser Hohepriester seinen Dienst im himmlischen Heiligtum für immer niederlegen und die schicksalhaften Worte sprechen wird:

Off 22,11 Wer unrecht tut, tue noch unrecht, und wer unrein ist, verunreinige sich noch, und wer gerecht ist, übe noch Gerechtigkeit, und wer heilig ist, sei noch geheiligt.

Dieses „Gerechtigkeit üben“ wird dann unabhängig vom vermittelnden und sühnenden Blut Jesu geschehen. Die vollkommene Gerechtigkeit Jesu ist zu diesem Zeitpunkt ganz zur Gerechtigkeit der Gläubigen geworden. Die Heiligung ist vollendet, die Gemeinschaft mit Christus durch den Heiligen Geist ungetrübt, die Seele des Menschen ganz von den Spuren der Sünde gereinigt. Jesu Verheißung, uns Vollkommenheit zu schenken, wird am Ende unseres Lebens (egal, wie lange es währt) erfüllt sein!

38. Der Erlösungsplan besteht darin, dass Gott uns vollständige Sündenerkenntnis schenkt, um uns dann, wenn wir darum bitten, vollkommen zu vergeben und damit ungeteilte Liebe zu Gott in uns zu wecken, die zu dem Wunsch führt, Gottes Wesenszüge vollständig nachzuahmen, woraufhin der Heilige Geist völligen Gehorsam in unser Herz legt, aus dem sich schließlich ein vollkommener Charakter entwickelt, der uns zu voller Gemeinschaft mit Gott in der Ewigkeit befähigt.

Der Erlösungsplan ist in allen seinen Phasen und Aspekten vollkommen, weil hinter seiner Entstehung und Verwirklichung ein vollkommener Gott steht. Seine Handschrift trägt er, und Sein Wesen bezeugt er – den überragenden Reichtum Seiner Liebe, Gnade und rettenden Macht.

5Mo 32,4 Der Fels: vollkommen ist sein Tun; denn alle seine Wege sind recht. Ein Gott der Treue und ohne Trug, gerecht und gerade ist er!

2Sam 22,31 Gott – sein Weg ist vollkommen; des HERRN Wort ist lauter; ein Schild ist er allen, die sich bei ihm bergen.

Pred 3,14 Ich habe erkannt, dass alles, was Gott tut, für ewig ist; man kann nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen; und Gott hat es so gemacht, damit man ihn fürchte.

Jak 1,17 Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, von dem Vater der Lichter, bei dem keine Veränderung ist noch eines Wechsels Schatten.

Mt 5,48 Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.

Ein vollkommener Gott bringt niemals etwas Unvollkommenes hervor. Die zweite Schöpfung wird nicht weniger perfekt sein als die erste. Diese biblische Tatsache zu bestreiten oder zu beschränken, beweist nicht Demut oder Bescheidenheit, sondern schlicht Unkenntnis oder Unglauben. Durch mangelnden Glauben an unsere sittliche Vervollkommnung vereiteln wir die überschwänglichen Absichten des Himmels mit dem Menschen und enthalten Gott die Ihm zustehende Ehre und Herrlichkeit vor.

DA 671 Die Vervollkommnung des Charakters seines Volkes ist eine Ehrensache für Gott, eine Ehrensache für Christus. (vgl. LJ 670)

Off 14,7 Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre!

Die größte Ehre für einen Arzt sind gesunde Patienten, und die größte Ehre für den Erlöser sind erlöste Sünder – vervollkommnete Menschen! Du kannst Gott keine größere „Ehre geben“, als dein sündiges Leben und Wesen zu Seinen Füßen zu legen und zu sagen: „Tu damit, was immer Dir gefällt.“ Gott steht zu Seinem Wort, uns zu vervollkommnen, ja Er hat sogar Seine persönliche Ehre von der Erreichung dieses Zieles abhängig gemacht. Nichts und niemand kann Ihn davon abhalten – schenke Ihm einfach dein ganzes Vertrauen!

37. Unsere Liebe zu Gott ist ein Gradmesser für das Bewusstsein unserer Schuld, denn „wem wenig vergeben wird, der liebt wenig“ (Lk 7,47).

Lk 7,40 Da antwortete Jesus und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er sprach: Meister, sprich!

41 Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Der eine war 500 Denare schuldig, der andere 50.

42 Da sie aber nichts hatten, um zu bezahlen, schenkte er es beiden. Sage mir: Welcher von ihnen wird ihn nun am meisten lieben?

43 Simon aber antwortete und sprach: Ich vermute der, dem er am meisten geschenkt hat. Und er sprach zu ihm: Du hast richtig geurteilt!

47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben worden, darum hat sie viel Liebe erwiesen; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.

Mangelndes Schuldbewusstsein aufgrund fehlender Erkenntnis ist die Situation Laodizeas. Darum fehlt auch die Reue, die „eifrige Buße“ (Off 3,19), die Voraussetzung für das makellose „Kleid der Gerechtigkeit“ ist, das uns Zutritt zur Hochzeitsfeier des Lammes verschafft.

COL 315 Der Mann, der ohne Hochzeitskleid zum Fest kam, stellt den Zustand vieler in unserer heutigen Welt dar. Sie nennen sich Christen und beanspruchen die Segnungen und Vorrechte des Evangeliums, verspüren aber keine Notwendigkeit, dass ihr Charakter verwandelt wird. Sie haben niemals echte Reue über die Sünde gefühlt. Ihnen ist nicht bewusst, dass sie Christus brauchen, und sie praktizieren keinen Glauben an ihn. Sie haben ihre ererbten und selber gepflegten Neigungen zu falschem Verhalten nicht überwunden.

Vergessen wir gleichzeitig nicht, dass auch diese tiefe, so unerlässliche Reue ein Geschenk von Christus ist. Wir dürfen sie von ihm erbitten! Und da alle Seine Gebote gleichzeitig Verheißungen sind – wie der Geist der Weissagung uns versichert –, bedeutet Seine Aufforderung zu „eifriger Buße“ gleichzeitig die Zusicherung, dass wir die nötige Buße in dem Moment empfangen, wo wir uns entschließen, sie zu praktizieren.

36. Beiden gemeinsam ist die mangelnde Liebe zu Gott, die sich in mangelnder Bereitschaft zeigt, „Christus in mir leben“ zu lassen (Gal 2,20).

Gal 2,20 Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich selbst, sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.

Ein wunderbares Beispiel dafür, wie die Liebe zu Gott in uns wachsen und uns verwandeln wird, wenn wir ihr Raum geben, ist der Jünger Johannes. Im Wirken der Apostel heißt es über ihn:

AA 557 In den Jahren, wo er eng mit Christus zusammen war, war er oft vom Heiland gewarnt und zur Vorsicht gemahnt worden, und diese Zurechtweisungen hatte er angenommen. Als ihm der Charakter des Gottessohnes offenbar wurde, erkannte Johannes betroffen seine eigenen Mängel. Tag für Tag sah er im Gegensatz zu seinem eigenen heftigen Wesen die Behutsamkeit und Langmut Jesu und hörte seine Lehren über Demut und Geduld. Tag für Tag wurde sein Herz zu Christus hingezogen, bis er sein Ich vor Liebe zu seinem Meister aus dem Auge verloren hatte. Er bewunderte die Kraft und das Feingefühl, die Majestät und Sanftmut, die Stärke und Geduld, die er im täglichen Leben des Sohnes Gottes wahrnahm. Sein empfindliches, ehrgeiziges Wesen lieferte er der umgestaltenden Macht Christi aus, und die göttliche Liebe verwandelte seinen Charakter. (vgl. WA 555)

Gleich aus welchem theologischen Lager wir uns Christus nähern – Erlösung kann nur geschehen, wenn wir bereit sind, wie Paulus das angeborene, sündige Ich zu „kreuzigen“ und Jesus zu unserem Meister und „neuen Ich“ zu erklären. Aus eigener Kraft ist dies unmöglich. Doch wenn wir zulassen, dass der Heilige Geist uns das bewundernswerte Wesen des Sohnes Gottes in lebendigen Farben vor Augen malt, wird eine himmlische, gottgeschenkte Liebe in uns hineingepflanzt, die so wächst und erstarkt, dass wir wie einst der Jünger Johannes unser altes Ich völlig „aus dem Auge verlieren“ und im Anschauen unseres Heilandes gänzlich umgewandelt werden. So geschieht unsere geistliche Vervollkommnung.