Die Bibel lehrt, dass jeder Mensch – Gläubige wie Ungläubige – nach seinen Werken gerichtet werden wird:
Pred 12,14 Gott wird jedes Werk, es sei gut oder böse, in ein Gericht über alles Verborgene bringen.
1Pe 1,17 [Gott] richtet ohne Ansehen der Person nach eines jeden Werk …
Mt 12,36 Ich sage euch aber, dass die Menschen von jedem unnützen Wort, das sie reden werden, Rechenschaft geben müssen am Tag des Gerichts;
37 denn aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.
Röm 2,12 Denn so viele ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz verlorengehen; und so viele unter Gesetz gesündigt haben, werden durch Gesetz gerichtet werden
13 – es sind nämlich nicht die Hörer des Gesetzes gerecht vor Gott, sondern die Täter des Gesetzes werden gerechtfertigt werden.
2Kor 5,10 Wir müssen alle vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder empfange, was er durch den Leib vollbracht, dementsprechend, was er getan hat, es sei Gutes oder Böses.
Angst vor dem letzten Gericht entsteht, wenn ich das Gefühl habe, mit einem Maßstab konfrontiert zu werden, dem ich unmöglich gerecht werden kann. Für dieses weit verbreitete Gefühl gibt es Gründe – teils im persönlichen Leben, teils in der Geschichte unserer Gemeinde. Wird das Gesetz hochgehalten (was richtig ist), aber nicht im selben Maß Christus als das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt, entstehen natürlich Angst und Beklemmung. Das Gesetz verurteilt uns ja zum Tode! Seine unbestechliche Gerechtigkeit kann uns keine Hoffnung auf irgendeinen Ausweg machen. Doch Jesus, unser Stellvertreter, Bürge und treuer Beistand, kann es! Er kann und wird uns zu mehr als Überwindern machen, weil dies keine Frage unserer Kraft und Tugend ist, sondern eine Frage Seiner Kraft und Tugend.
Eph 3,20 [Gott] vermag über alles hinaus zu tun, über die Maßen mehr, als wir erbitten oder erdenken, gemäß der Kraft, die in uns wirkt …
Röm 8,37 In diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat.
Röm 5,5 Die Hoffnung lässt nicht zuschanden werden, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.
Wenn wir Gottes Willigkeit verstehen, uns zu vergeben, Seine Macht, uns von jeder Gebundenheit freizumachen, Seine unbeschreibliche Liebe zum Sünder, die Ihn dazu brachte, Seinen einzigen Sohn für uns zu geben, als wir Ihm ganz feindlich gegenüberstanden, und wenn wir uns für diese Liebe öffnen – dann wird jede Angst weichen. Die Güte, Freundlichkeit und tiefe Zärtlichkeit, die uns im Leben und im Angesicht Christi begegnen, können nicht anders, als die Wogen der Furcht auf unserem Seelenmeer zur Ruhe zu bringen, weil hier kein zorniger Tyrann vor uns steht, sondern ein liebender Vater, der sich nach Seinen verlorenen Kindern sehnt.
1Joh 4,18 Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.
Gleichzeitig ist Gottes Liebe kein Ersatz oder Konkurrent für Sein Gesetz. Seine Gerechtigkeit bleibt ohne Einschränkung bestehen, denn sie ist ja in jeder Hinsicht „heilig, gerecht und gut“ (Röm 7,12), ein Ausdruck göttlicher Vollkommenheit. Die Liebe kann die Furcht daher nicht auf einem Weg austreiben, der das Gericht umgeht, weil ausnahmslos jeder Mensch einmal vor Gottes Richterstuhl treten muss. Stattdessen hat die Liebe einen Weg gefunden, unseren Prozess mit einem vollständigen Freispruch enden zu lassen, ohne Gottes Gerechtigkeit zu kompromittieren. Es ist die perfekte Lösung, und selbst der große Chefankläger alias Satan kann bei diesem Vorgehen nicht den kleinsten Kritikpunkt finden.
Gottes Lösung lässt sich so beschreiben: Der Mensch muss einwilligen, eine neue Identität anzunehmen und eine neue Existenz zu beginnen. Die neue Identität entsteht, wenn er bereit ist, seine Autonomie (wörtl. „Eigengesetzlichkeit“) aufzugeben und eine dauerhafte Symbiose mit Gott einzugehen. Göttliches und Menschliches verschmelzen nun zu einer neuen „Lebensform“, die so radikal anders ist, als wäre gerade ein völlig neuer Mensch auf die Welt gekommen. Der alte Mensch muss für seine vielen Sünden „sterben“, und er tut das, indem er sich im Glauben mit dem sterbenden Erlöser am Kreuz vereint und mit Ihm gemeinsam das Leben aushaucht. Doch auf den vereinten Tod folgt die vereinte Auferstehung: Der neue Mensch erhält Anteil an einer Macht, die die Ketten des Todes sprengt. Die Sünde zwang ihn ins Grab – so forderte es das vollkommene Gesetz –, doch die unverdiente Gnade göttlichen Lebens ruft ihn wieder aus dem Grab hervor und schenkt ihm ein neues Leben jenseits des verdienten Todes, einen neuen Anfang, ein neues Sein.
Die „neue Kreatur“, die so entstanden ist, ist göttlichen Ursprungs. Sie ist rein, heilig und vollkommen und „kann nicht sündigen“ (1Joh 3,9; Sünde ist immer eine „Auferstehung“ des alten Menschen oder Folge davon, dass der alte Mensch nie ganz gestorben ist). Sie besitzt vollkommene Gerechtigkeit – es ist die Gerechtigkeit Jesu, die zum Vorschein kommt, weil Er in dem neuen Menschen lebt und ihn füllt und bewegt und nährt. In dieser Gemeinschaft wächst und erstarkt der neue Mensch immer weiter. Er gewinnt mehr und mehr Profil, Charakter. Sein Denken, Wollen und Handeln verfestigen sich, je mehr er Saft und Kraft aus der Lebenseinheit mit Christus zieht – als würde eine Rebe am Weinstock hängen. Und der Tag kommt, an dem Gottes Plan erfüllt und die Trauben zur Reife gelangt sind. Es ist die Zeit der Ernte und die Zeit der letzten „Zurechtbringung“ (= des „Richtens“). Zwar ist es Aufgabe der Rebe (des Menschen), durch die ihr verliehene Gnade die Lebensverbindung mit dem Weinstock zu suchen und zu erhalten, doch darüber hinaus liegt es allein in der Verantwortung des Weinstocks (Jesus) und des Weingärtners (Gott), die Frucht (Gerechtigkeit) in der Rebe hervor- und zur Reife zu bringen (zu vervollkommnen).
COL 312 Wenn wir uns Christus ausliefern, wird das Herz mit seinem Herzen vereint, der Wille geht in seinem Willen auf, die Gesinnung wird eins mit seiner Gesinnung, die Gedanken werden gefangen genommen unter ihn – wir leben sein Leben. Das bedeutet es, mit dem Kleid seiner Gerechtigkeit bekleidet zu sein. Wenn der Herr uns dann anschaut, sieht er keinen Schurz aus Feigenblättern, nicht die Nacktheit und Entstelltheit der Sünde, sondern sein eigenes Gewand der Gerechtigkeit, nämlich vollkommenen Gehorsam gegenüber dem Gesetz Jehovas.
Das Gericht kann an dieser neuen Kreatur nichts finden, was zu beanstanden wäre, selbst nicht vor dem Maßstab der vollkommenen Gerechtigkeit der Zehn Gebote, des Gesetzes von Liebe und Freiheit. Alles, was diesen Menschen ausmacht, hat er von Christus erhalten, wurde von Christus geprägt, ist eine Kopie Seiner Eigenschaften. Alles, was an diesem Menschen zu sehen ist, ist eine Reflektion göttlicher Schönheit, makellos und herrlich. Für seine Sünden hat Christus bereits bezahlt, und durch die existenzielle Einheit mit Jesus gilt der Mensch als mitgestorben und wegen seiner Sünden nicht mehr anklagbar. Das, was war, ist beglichen; das, was ist, ist rein und untadelig. Kein Mensch, kein Engel, ja nicht einmal der Erzrebell kann dem widersprechen, was für alle offen vor Augen liegt: „Gerechtigkeit und Frieden haben sich geküsst.“ (Ps 85,11) Nur ein Urteil ist möglich – Freispruch in allen Anklagepunkten.
Röm 8,29 Die er vorher erkannt hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.
30 Die er aber vorherbestimmt hat, diese hat er auch berufen; und die er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; die er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht.
31 Was sollen wir nun hierzu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns?
32 Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?
33 Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt.
34 Wer ist, der verdamme? Christus Jesus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet.
Schon vor aller Ewigkeit hat Gott uns dazu bestimmt, das „Bild seines Sohnes“ widerzustrahlen. Vor aller Ewigkeit hat er beschlossen, uns Jesu vollkommene Gerechtigkeit aufs Herz zu schreiben. Heute – kurz vor der Wiederkunft – ist wie nie zuvor die Zeit dafür, dass der Heilige Geist genau dies an Gottes Volk tut. Alles, was wir brauchen, ist Vertrauen in diesen ewigen Plan Gottes und die Einladung an Jesus, durch Seinen Geist in uns wohnen und wirken zu dürfen. Mit dem Geist wird Gottes Liebe in das Herz ausgeschüttet, und diese Liebe, wenn wir sie ausleben, ist gleichbedeutend mit der vollkommenen Erfüllung aller Gebote. Daher dürfen wir dem Gericht, statt mit Angst, mit der Freimütigkeit von Begnadigten und als geistliche Brüder und Schwestern Jesu entgegensehen.
1Joh 4,17 Hierin ist die Liebe bei uns vollendet worden, dass wir Freimütigkeit haben am Tag des Gerichts, denn wie er ist, sind auch wir in dieser Welt.