Würde Gottes Volk heute ebenso Reue, Sündenbekenntnis und Versöhnung praktizieren wie Jesu Jünger in den zehn Tagen nach der Himmelfahrt, so würde der Herr nicht anders antworten als damals und seinen Geist in nie dagewesener Fülle auf uns ausgießen. Es gab dazu in der Adventgeschichte immer wieder vielversprechende Ansätze, etwa in den Jahren 1856/57 oder auf der Generalkonferenz von 1893. Alle diese Erweckungsbewegungen waren von tiefer Reue und Selbsterkenntnis gekennzeichnet, doch keine von ihnen war von Dauer oder erfasste die Gemeinde in ihrer Breite.
Heute wissen wir nicht mehr viel von diesen bedeutsamen Ereignissen, und das erschwert unsere Selbsterkenntnis. Da wir schon so lange von Lauheit umgeben sind, haben wir sie fast als Normalfall akzeptiert und unser Bild von Gott entsprechend verharmlost – zu einem toleranten, umgänglichen, lieben „Papa“. Deswegen wirkt eine Beschreibung wie die folgende auf viele wie ein böses Märchen aus einer fremden Welt:
EG 61-63 Ich sah ein Licht von der Herrlichkeit ausgehen, die den Vater umgab, und als es nahe zu mir kam, zitterte ich wie ein Blatt am Baum. Ich dachte, wenn es mir näher käme, müsste ich aufhören zu leben; aber das Licht ging an mir vorbei. Dann konnte ich mir einen Begriff von dem großen und schrecklichen Gott machen, mit dem wir es zu tun haben …
Diejenigen, die sich nicht durch die Propheten wollen zurichten lassen, die es versäumten, ihre Seele zu reinigen, indem sie der ganzen Wahrheit gehorchen, und die ihren Zustand für besser halten, als er wirklich ist, werden zur Zeit, wenn die Plagen kommen, aufwachen und erkennen, dass es nötig war, für den Bau behauen und zugerichtet zu werden … Lasst uns daran denken, dass Gott heilig ist und dass nur heilige Wesen ewig in seiner Gegenwart wohnen können.
Beachten wir, wie Ellen White hier zwei Dinge miteinander verbindet: mangelnde Erkenntnis von Gott (Seiner Heiligkeit) und mangelnde Selbsterkenntnis (den eigenen Zustand für besser halten, als er ist). Weil Laodizea wenig Begriff von seiner Sündigkeit hat, hat es auch wenig Begriff von Gottes Heiligkeit – und umgekehrt. Auf eine Gemeinde in diesem Zustand der „Realitätsferne“ trifft auf erschreckende Weise das Wort zu:
Am 5,18 Wehe denen, die den Tag des HERRN herbeiwünschen! Wozu soll euch denn der Tag des HERRN sein? Er wird Finsternis sein und nicht Licht.
Daher ist es Gnade, dass Gott unseren Wunsch nach der Wiederkunft noch nicht erhört hat.