Walter Veith, 2027 und die Wiederkunft

Kann die „kosmische Woche“ Erweckung bringen?

Am 23. April 2020 wurde auf YouTube das Video Is This The End? aus der Serie What’s Up Prof? mit Walter Veith eingestellt, das aufgrund von Berechnungen den Schluss nahelegt, Jesus werde spätestens im Jahr 2027 wiederkommen. Mit fast 240 000 Aufrufen und rund 4 400 Likes bei nur 250 Dislikes innerhalb von sieben Wochen hat dieser Vortrag nicht nur erhebliche Verbreitung, sondern auch große Zustimmung gefunden, was sich auch in den fast ausschließlich positiven Kommentaren widerspiegelt.

In diesem Artikel möchte ich begründen, weshalb jegliche Versuche, Gottes Volk oder die Welt durch Zeitvorhersagen – sei es ein Datum oder eine Zeitspanne – aufzurütteln, nicht nur ungeeignet sind, sondern sogar das Gegenteil bewirken.

Einleitung

Ich habe große Wertschätzung und Achtung für den weltweiten und unter Gottes Segen außerordentlich fruchtbaren Dienst von Walter Veith. Als langjähriger Mitarbeiter von amazing discoveries Deutschland fühle ich mich ihm eng und freundschaftlich verbunden. Wie er sehe ich die große Dringlichkeit für Gottes Gemeinde, die Zeiten zu erkennen und hellwach zu werden. Nachdem in der Coronakrise Anfang 2020 grundlegende bürgerliche Freiheiten weltweit fast über Nacht verschwunden sind, ist für die Zukunft alles denkbar, und das in kürzester Zeit. Daher bin ich dankbar für jeden Verkündiger, der sich der unpopulären Herausforderung stellt, als ein Wächter auf Zions Zinnen in die Posaune zu stoßen und vor der drohenden Gefahr zu warnen. Nichts wäre wichtiger und schöner, als dass Gottes Volk endlich zu der letzten großen Erweckung findet, die in den lauten Ruf mündet. Meine Hoffnung ist groß, dass wir dies auch bald erleben dürfen.

So sehr ich das Ziel des Vortrags teile, kann ich den eingeschlagenen Weg dennoch nicht mitgehen. Das Problem ist nicht die Annahme einer „kosmischen Woche“ (6 000 Jahre Weltgeschichte gefolgt von 1 000 Jahren „Ruhe“ auf der Erde), sondern die zeitliche Verankerung dieser Woche und damit auch der Wiederkunft.

Drei Säulen

Die Kalkulation im Vortrag Is This The End? baut im Wesentlichen auf drei Aussagen im Geist der Weissagung auf:

a) 6 000 Jahre Satans Krieg gegen Gott seit dem Sündenfall

Der große Plan der Erlösung wird die Welt vollständig wieder unter Gottes Gunst bringen. Alles, was durch die Sünde verloren ging, ist dann wiederhergestellt. Nicht nur der Mensch, sondern auch die Erde ist erlöst und die ewige Heimat der Gehorsamen. 6 000 Jahre hat Satan darum gerungen, im Besitz der Erde zu bleiben. Doch nun ist Gottes ursprüngliche Absicht mit der Schöpfung erfüllt. (The Adventist Home, 539f; vgl. Ein glückliches Heim, 373)

 

b) 4 000 Jahre zwischen Sündenfall und Jesu Taufe / Versuchung im Jahr 27 n. Chr., was die 6 000 Jahre Krieg im Jahr 2027 enden lassen würde

Am Jordanufer erklärte die Stimme vom Himmel, begleitet von einer Offenbarung der überragenden Herrlichkeit, Christus zum Sohn des Ewigen. Satan sollte persönlich auf das Haupt des Reiches stoßen, das er zu Fall bringen wollte. Er wusste, dass nur ein Sieg ihn retten konnte. So viel auf dem Spiel stand, so stark waren auch seine Versuchungen. Seit 4 000 Jahren – seit Adam angekündigt worden war, der Same der Frau werde der Schlange den Kopf zertreten – hatte er die Art seines Angriffs geplant. (Confrontation, 78)

 

c) Ein unbekannter Zeitraum militärischer Mobilmachung nach den 1 000 Jahren Verwüstung, der laut Vortrag Teil von Satans 6 000-jährigem Krieg gegen Gott ist und darum die Zeit bis zur Wiederkunft entsprechend verkürzt

Satan kann sie [die auferweckten Gottlosen] täuschen, und jeder macht sich sofort an die Vorbereitung zur Schlacht. In der riesigen Armee befinden sich viele geschickte Männer, und sie konstruieren alle möglichen Kriegsgeräte. Dann setzt sich die Menge in Bewegung: an der Spitze Satan, dicht gefolgt von Königen und Kriegern und dann die Massen nach ihren Abteilungen. Jede Abteilung hat einen Anführer, und geordnet rücken sie über die zerklüftete Erdoberfläche auf die Heilige Stadt vor. (Early Writings, 293; vgl. EG 286)

 

Daraus ergibt sich als Endpunkt für die Wiederkunft das Jahr 2027, wobei der Zeitraum unter c) das Kommen Jesu um eine unbekannte Zeit vorzieht. Die Berechnung ergibt also keinen Zeitpunkt (Tag, Monat oder Jahr) für die Wiederkunft, sondern einen Zeitraum, der spätestens 2027 endet.

Hat Schwester White exakte Zahlen gebraucht?

Es ist ein Grundgesetz der Kommunikation, dass Aussagen „ihren Umständen entsprechend“ eingeordnet werden müssen, oder anders gesagt, in ihrem Kontext. Das praktizieren wir intuitiv ständig. Zum Beispiel erkennen wir auf Anhieb, dass folgende Bibelverse einmal wörtlich und einmal bildlich zu verstehen sind, da es sich einmal um einen historischen Bericht handelt und einmal um Poesie:

  • „Und sie klatschten in die Hände und riefen: Es lebe der König!“ (2Kön 11,12)
  • „Alle Bäume des Feldes werden in die Hände klatschen.“ (Jes 55,12)

Ebenso verstehen wir die Zahl 100 in den folgenden Sätzen jeweils unterschiedlich, weil wir automatisch den Kontext erfassen:

  • „Du schuldest mir noch 100 Euro.“ (= genau 100)
  • „Nach 100 Metern fahren Sie rechts.“ (= etwa 100)
  • „Ich hab das schon 100 Mal erlebt.“ (= sehr oft)

In welchem Sinn hat Ellen White von 6 000 oder 4 000 Jahren gesprochen? Geht man alle Stellen durch, merkt man schnell, dass sie nicht exakt gemeint sein können, aus folgenden Gründen:

  1. Attribute wie „genau“ oder „präzise“ fehlen durchgehend.
  2. Es gibt keine Hinweise, dass wenigstens einige dieser Zahlen als exakte Angabe aufzufassen wären.
  3. Wären die Angaben exakt gemeint, würden zahllose Widersprüche entstehen.

Wir müssen daher alle Angaben, die eine zeitliche Einordnung der Wiederkunft erlauben würden, als gerundet verstehen. Das soll in den nächsten Punkten veranschaulicht werden.

 

a) „6 000 Jahre“ Satans Krieg gegen Gott

Einige Beispiele, wo die „6 000 Jahre“ nicht erst 2027 enden, sondern bereits im 19. Jahrhundert:

1872 sagt sie, der Mensch existiere trotz Sünde und Krankheit bereits 6 000 Jahre:

Gott hat den Menschen mit so viel Lebenskraft ausgestattet, dass die Menschheit trotz des Anstiegs von Krankheiten aufgrund falscher Gewohnheiten seit 6 000 Jahren überlebt hat. (The Health Reformer, 1.11.1872, Abs. 2)

9 Jahre später sind es immer noch 6 000 Jahre:

Als der Mensch aus der Hand Seines Schöpfers hervorging, war alles an ihm vollkommen geordnet und wunderschön gestaltet. Dass er seit 6 000 Jahren der unaufhörlich wachsenden Belastung durch Krankheit und Misshandlung standgehalten hat, zeigt deutlich, wie viel Lebenskraft er zu Beginn erhalten hatte. (Review and Herald, 13.12.1881, Abs. 3)

1898 schreibt sie über „6 000 Jahre Glaube“ seit dem Sündenfall:

Seit 6 000 Jahren baut der Glaube auf Christus. Seit 6 000 Jahren wüten satanische Fluten und Stürme gegen den Felsen unseres Heils, doch er steht fest. (Desire of Ages, 413)

 

b) „4 000 Jahre“ zwischen Sündenfall und Jesu Versuchung

Der Vortrag enthält hierzu drei Zitate aus Confrontation. Zwei sprechen von 4 000 Jahren zwischen Sündenfall und Jesu Taufe bzw. Versuchung:

Am Jordanufer erklärte die Stimme vom Himmel, begleitet von einer Offenbarung der überragenden Herrlichkeit, Christus zum Sohn des Ewigen. Satan sollte persönlich auf das Haupt des Reiches stoßen, das er zu Fall bringen wollte. Er wusste, dass nur ein Sieg ihn retten konnte. So viel auf dem Spiel stand, so stark waren auch seine Versuchungen. Seit 4 000 Jahren – seit Adam angekündigt worden war, der Same der Frau werde der Schlange den Kopf zertreten – hatte er die Art seines Angriffs geplant. (Confrontation, 78)

In der Wüste der Versuchung stand Christus an Adams Stelle, um die Prüfung zu bestehen, in der er versagt hatte. Hier siegte Christus um des Sünders willen 4 000 Jahre, nachdem Adam dem Licht seines Zuhauses den Rücken gekehrt hatte. (Confrontation, 32)

Das dritte Zitat spricht von 4 000 Jahren Krieg Satans gegen Gottes Regierung, doch scheint es Satans Krieg im Himmel einzuschließen und damit für gerundete Zahlen zu sprechen:

Der Erlöser der Welt ließ sich auf keinen Streit mit Satan ein, der aus dem Himmel gestoßen worden war, weil er eines Platzes dort nicht länger würdig gewesen war. Jemand, der Gottes Engel gegen ihren obersten Regenten und dessen Sohn, ihren geliebten Befehlshaber, beeinflussen und ihr Mitgefühl gewinnen konnte, war zu jeder Täuschung fähig. 4 000 Jahre lang hatte er gegen Gottes Regierung Krieg geführt und dabei nichts von seiner Fähigkeit und Macht als Versucher und Betrüger verloren. (Confrontation, 45)

Viel wichtiger ist jedoch, dass es im selben Buch weitere Zeitangaben gibt, die deutlich machen, dass Ellen White keine exakten Zeiträume im Sinn hatte. Nur zwei Absätze vor dem angeführten Zitat von Seite 32 enden die 4 000 Jahre nicht bei Jesu Taufe / Versuchung, sondern bei Seiner Menschwerdung – rund 30 Jahre früher:

Der Sohn Gottes erniedrigte sich und wurde Mensch, nachdem die Menschheit sich 4 000 Jahre lang von Eden und ihrem ursprünglich reinen und aufrechten Zustand entfernt hatte. (Confrontation, 31)

Eine dritte Variante findet sich in einem Artikel der Signs of the Times. Dort setzt Schwester White das Ende der 4 000 Jahre auf das letzte Abendmahl:

Er, der Reine und Makellose, stand kurz davor, sich als Sündopfer für die Welt darzubringen, und als Er mit Seinen Jüngern das Passa aß, setzte Er den Opfern ein Ende, die man seit 4 000 Jahren dargebracht hatte. (Signs of the Times, 16.5.1900, Abs. 6)

Der Geist der Weissagung spannt die „4 000 Jahre“ seit dem Fall des Menschen also sowohl bis zu Jesu Menschwerdung (ca. 4 vC) als auch bis zur Versuchung (27 nC) als auch bis zum letzten Abendmahl (31 nC) – eine Differenz von rund 34 Jahren und ein Beleg für gerundete Zahlen.

Dieselben „4 000 Jahre“-Zeitspannen mit ihren drei unterschiedlichen Endpunkten finden sich auch im Leben Jesu:

Hätte der Sohn Gottes Menschengestalt angenommen, als Adam noch unschuldig im Paradiese lebte, dann schon wäre solche Tat eine geradezu unbegreifliche Herablassung gewesen; nun aber kam Jesus auf die Erde, nachdem das Menschengeschlecht bereits durch vier Jahrtausende im Dienst der Sünde geschwächt worden war. (Das Leben Jesu, 33)

Doch hatte die Sünde noch keine Wirkung auf Adam gehabt, als er von dem Versucher angegriffen wurde; er stand in der Kraft vollkommener Männlichkeit, im Besitz völliger körperlicher und geistiger Gesundheit. Dazu war er noch von der Herrlichkeit des Gartens Eden umgeben und genoss den täglichen Umgang mit himmlischen Wesen. Unter ganz anderen Verhältnissen betrat Jesus die Wüste, um sich mit Satan zu messen. Schon 4 000 Jahre lang hatte das Menschengeschlecht an Körperkraft, Seelenstärke und sittlicher Tugend abgenommen; dennoch nahm der Heiland alle Schwachheiten der entarteten Menschheit auf sich. Nur so vermochte Er die Menschen aus der tiefsten Erniedrigung zu erretten. (Das Leben Jesu, 100)

Er, das makellose Lamm Gottes, war im Begriff, sich als Sündopfer darzugeben, und Er wollte dadurch die Reihe der Sinnbilder und gottesdienstlichen Handlungen, die 4 000 Jahre lang auf seinen Tod hingewiesen hatten, beschließen. Während Er mit seinen Jüngern das Passahmahl nahm, setzte Er an dessen Stelle den Dienst ein, der an Sein großes Opfer erinnern sollte. (Das Leben Jesu, 651)

Es ist offenkundig, dass Ellen White an all diesen Stellen gerundete Zeitangaben gebraucht.

 

c) Satans Wirkungszeit nach dem Millennium muss von den 6 000 Jahren abgezogen werden

Einmal mehr müssten wir, um diesen Gedanken zu untermauern, von mathematischer Genauigkeit in Ellen Whites Beschreibung ausgehen – sie müsste nicht nur von exakt 6 000 Jahren sprechen, sondern in diesen Zeitraum auch die „kurze Zeit“ nach dem Millennium einschließen, weil – streng genommen – Satan dort seinen „Krieg gegen Gott“ noch einmal aufnehmen wird, um das Neue Jerusalem zu erobern:

Off 20,3 Und er warf ihn [Satan] in den Abgrund und schloss ihn ein und versiegelte über ihm, damit er die Völker nicht mehr verführen kann, bis die 1 000 Jahre vollendet sind. Und nach diesen muss er für kurze Zeit losgelassen werden.

Erneut zeigen Parallelstellen, dass Schwester White bei der Niederschrift dieser Zahlen anderes im Sinn hatte. Im Großen Kampf beziffert sie bereits Satans Wirkungszeit auf der Erde bis zum Millennium (also ohne den Angriff auf das Neue Jerusalem) mit 6 000 Jahren:

6000 Jahre lang hat Satans Rebellion „die Erde erschüttert und zerrissen“ (Ps 60,4). Er war es, „der den Erdkreis zur Wüste machte und seine Städte zerstörte und seine Gefangenen nicht nach Hause entließ“ (Jes 14,17). 6000 Jahre lang hat er Gottes Volk in seine Gefängnisse geführt, und er hätte es auf ewig gefangen gehalten. Doch Christus hat die Fesseln gesprengt und die Gefangenen befreit. (Vom Schatten zum Licht, 604)

Es gibt noch ein anderes Problem damit, Satans Attacke nach dem Millennium in die 6 000 Jahre einzuschließen: Es widerspricht der Typologie der „kosmischen Woche“, die der Ausgangspunkt des Vortrags ist. Die kosmische Woche geht davon aus, dass 6 Schöpfungstage 6 Jahrtausenden Weltgeschichte entsprechen und der 7. Tag (Sabbatruhe) dem 7. Jahrtausend, in dem die verwüstete Erde „ruht“.

Die zeitliche Verschiebung des Millenniums vom 7. ins 6. Jahrtausend hinein hat zur Folge, dass das 6. Jahrtausend noch nicht ganz vergangen ist, aber schon die 1000-jährige „Sabbatruhe“ beginnt, nach deren Abschluss noch einmal ein kurzer Abschnitt folgt (der Angriff auf Jerusalem), der vom 6. Jahrtausend abgetrennt wurde.

Wäre die Anwendung legitim, entstünde ein seltsames Missverhältnis zwischen Typus (Schöpfungswoche) und Antitypus (kosmischer Woche): Die kosmische Woche würde eine Schöpfungswoche widerspiegeln, deren 24-stündige Ruhezeit sich einige Minuten etwas nach vorne verschiebt, sodass die letzten Minuten des Freitags zu heiliger Zeit würden, die letzten Minuten des Sabbats hingegen zu gewöhnlicher Zeit. Siebenten-Tags-Adventisten mit ihrem Verständnis vom Sabbat als endzeitlicher Trennlinie zwischen Gut und Böse müssen nicht lange nachdenken, um zu merken, dass hier etwas nicht stimmen kann.

 

Neben der Interpretation von Schwester Whites Zahlenangaben hat die 2027-Berechnung noch andere Problempunkte.

 

d) Ist es time-setting (Zeitfestlegung) zu sagen, wann Jesus „spätestens“ wiederkommt?

Adventisten vertreten seit der großen Enttäuschung und in Übereinstimmung mit Offenbarung 10,6 („Es wird keine Frist mehr sein“), dass es nach 1844 keine prophetischen Zeitspannen oder Zeitfestlegungen (time-setting) mehr gibt und niemand vorhersagen kann, wann Christus wiederkommen wird. Auch Bruder Veith betont mehrfach, dass es sich bei seinen Ausführungen nicht um eine Zeitfestlegung handle. Die Frage ist aber: Zählt die Festlegung eines Zeitrahmens tatsächlich nicht als time-setting?

Ellen White nahm einmal Stellung zu einem ähnlichen Unterfangen. Ein Bruder Daniels hatte geäußert, Jesus werde „innerhalb von fünf Jahren“ wiederkommen. Ihre Reaktion zeigt, dass sie seine Aussage durchaus als Zeitfestlegung ansah:

Ich höre, dass Bruder [E. P.] Daniels sich mit der Äußerung, der Herr werde innerhalb von fünf Jahren kommen, gewisserweise zeitlich festgelegt hat. Ich hoffe nicht, dass sich nun der Eindruck verbreitet, wir seien Datierer [time-setters]. Solche Bemerkungen sollten nicht fallen. Sie bewirken nichts Gutes. Versucht nicht, auf diesem Weg Erweckung zu erreichen, sondern seid vorsichtig in eurer Wortwahl, und gebt nicht Fanatikern Anlass, Aufregung zu verursachen und den Geist des Herrn zu betrüben. (Brief 34, 1887; vgl. Christus kommt bald, 26)

 

e) Wäre es ein Problem, wenn wir wüssten, dass Jesus „spätestens 2027“ wiederkäme?

Christus sagt seinen Jüngern, dass die Zeit seines Erscheinens ein Geheimnis ist. Es wird Leute geben, die behaupten, die Zeit dieses gewaltigen Ereignisses zu kennen. Mit großer Hingabe erstellen sie einen Zeitplan der Zukunft, die der Herr mit einer dichten Wolke umgeben hat, damit der Tag, der Monat und selbst das Jahr unbekannt bleiben. (Signs of the Times, 6.10.1898, Abs. 7)

Dieses kaum bekannte, aber wichtige Zitat aus dem Geist der Weissagung offenbart, dass nicht nur die Datierung von „Tag und Stunde“ der Wiederkunft nicht gottgewollt ist, sondern auch die des Monats oder des Jahres. Aber würde dies nicht gleichzeitig bedeuten, dass Datierungszeiträume von mehr als einem Jahr – in diesem Fall rund 7 Jahre bis Ende 2027 – legitim sind?

Spielen wir das einmal gedanklich durch (der Einfachheit halber rechnen wir mit vollen Kalenderjahren). Nehmen wir an, 2027 sei das letztmögliche Jahr der Wiederkunft, und Gott habe es so geführt, dass dies der Adventgemeinde nun bekannt wird. Gleichzeitig haben wir gelesen, dass wir das genaue Jahr der Wiederkunft nicht kennen sollen. Dann wird Er nicht zulassen, dass das Jahr 2027 anbricht, weil wir sonst spätestens am 1. Januar 2027 das Jahr der Wiederkunft wüssten. Also ist das letztmögliche Jahr der Wiederkunft tatsächlich 2026.

Da wir aber das Jahr der Wiederkunft nicht kennen sollen, wird es nicht dazu kommen, dass das Jahr 2026 anbricht, da wir sonst spätestens am 1. Januar 2026 das Jahr der Wiederkunft wüssten. Also ist das letztmögliche Jahr der Wiederkunft tatsächlich 2025.

Da wir aber das Jahr der Wiederkunft nicht kennen sollen, wird es nicht dazu kommen, dass das Jahr 2025 anbricht, da wir sonst … und so weiter.

Ob man dieses kleine Rechenspiel nachvollziehen kann oder nicht: Nach allem, was wir bisher gesehen haben, hat Gott uns bewusst überhaupt keinen fixen zeitlichen Anhaltspunkt gegeben, was die Wiederkunft betrifft. Sie soll einfach „in der Luft hängen“. Es sind lediglich relative Anhaltspunkte, „Zeichen der Zeit“, die uns die zeitliche Nähe Seines Kommens vermitteln. Und dafür gibt es, wie wir im nächsten Punkt sehen werden, gute Gründe.

 

f) Warum wir den Zeitpunkt der Wiederkunft nicht kennen sollen

Die  Zeiten  und  Zeitpunkte liegen in Gottes Vollmacht. Und weshalb hat Gott sie uns nicht mitgeteilt? Weil wir sie missbrauchen würden. Würden wir sie kennen, würden unter uns Zustände aufkommen, die Gottes Werk – ein Volk zuzurüsten, das am kommenden, großen Tag bestehen kann – stark verzögern würden. Wir sollen nicht in gespannter Erwartung irgendwelcher Zeitpunkte leben. Wir sollen uns nicht in Spekulationen über Zeiten und Zeitpunkte verlieren, die Gott nicht offenbart hat. Jesus hat seine Jünger angewiesen zu wachen, aber nicht auf einen festen Zeitpunkt hin. Die Haltung seiner Nachfolger soll sein, aufmerksam die Befehle ihres Feldherrn zu erwarten – zu wachen, warten, beten und arbeiten, während die Zeit des Kommens ihres Herrn näher rückt. Jedoch wird niemand vorhersagen können, wann genau diese Zeit sein wird, denn „um jenen Tag aber und die Stunde weiß niemand“ [Mk 13,32]. Wir können weder sagen, dass er in 1, 2 oder 5 Jahren kommt, noch dürfen wir sein Kommen mit der Behauptung abtun, die nächsten 10 oder 20 Jahre sei nichts zu erwarten. (Selected Messages, 1:189)

Dieses Zitat macht vor allem eines deutlich: Gott möchte, dass wir in einer Haltung ständiger Bereitschaft leben – dass wir wachen, beten und arbeiten, ohne über genaue Zeitpunkte nachzudenken. Bibel und Adventgeschichte zeigen, was passiert, wenn Menschen zu wissen meinen, wann Jesus kommt oder nicht kommt: Bei einem nahen Termin handeln sie aus Furcht, wie es viele Adventisten vor 1844 taten, weswegen sie sich nach der Enttäuschung von der Bewegung lossagten; bei einem fernen Termin werden sie nachlässig und untreu wie der Knecht, der dachte: „Mein Herr kommt noch lange nicht.“ (Mt 24,48 LUT)

Im Rückblick auf die Verwirrung unter den Adventgläubigen nach der Enttäuschung von 1844 stellt Ellen White fest:

Ich bin wiederholt gedrängt worden, verschiedene Zeitspannen über das Kommen des Herrn zu akzeptieren, aber mein Zeugnis war stets: Der Herr wird zu diesem Zeitpunkt nicht kommen; ihr bestätigt die Welt in ihrem Unglauben und schwächt sogar den Glauben von Adventisten … (Brief 38, 1888)

Je öfter eine bestimmte Zeit für die Wiederkunft festgesetzt und je weiter diese Botschaft verbreitet wird, desto mehr dient dies Satans Zielen. Wenn die erwartete Zeit verstreicht, häuft er Spott und Hohn auf die Verfechter dieser Auffassung und bringt so die große Adventbewegung von 1843 und 1844 in Misskredit. Wer in diesem Irrtum verharrt, wird letztlich ein Datum festsetzen, das weit über die Wiederkunft hinausreicht. Er läuft Gefahr, sich in falscher Sicherheit zu wiegen, und wird erst aufwachen, wenn es zu spät ist. (Vom Schatten zum Licht, 414)

Die gleichen Gefahren schlummern in der Festlegung „Spätestens bis XY kommt Jesus wieder“. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre von 2027 als letztmöglichem Datum für die Wiederkunft überzeugt, dann würde in mir ungefähr folgendes Selbstgespräch ablaufen:

„Wie lange der Teufel wohl für seine Mobilmachung nach den 1000 Jahren braucht? Ein Jahr wäre eigentlich schon reichlich Zeit – vielleicht sind es ja nur wenige Monate oder gar Wochen. Zwei Jahre wären schon sehr unwahrscheinlich, drei praktisch ausgeschlossen. Sind wir ganz großzügig und rechnen mit vier Jahren. Das würde heißen, ich hätte auf jeden Fall noch drei Jahre Zeit für meine persönliche Vorbereitung, sehr wahrscheinlich aber einiges mehr.“

Oder wie würde es mir gehen, wenn wir mittlerweile im Jahr 2025 angekommen sind und ich das Gefühl bekomme, meine Zeit läuft aus? Würde nicht Angst mich beschleichen und meine Entscheidungen beeinflussen?

Ebensolche Gedanken und Gefühle möchte Gott gerade vermeiden. Deswegen heißt es in dem obigen Zitat, wir sollen weder eine kurze Zeit bis zur Wiederkunft ansetzen noch einen Zeitraum definieren, in dem Jesus mit Sicherheit noch nicht kommt.

Seit den Erfahrungen der Coronakrise glaube ich mehr denn je, dass das Ende ungeheuer schnell kommen kann, wenn Gott es zulässt. So wie die Umstände gerade stehen, wäre in kürzester Zeit die Schaffung einer Weltregierung, die Einsetzung des Papstes zum moralischen Führer der Welt und ein weltweites Sonntagsgesetz zur Rettung der Menschheit denkbar. Ich selbst befinde mich wie im „Alarmzustand“ – und bin Gott sehr dankbar dafür! Versucht Gott nicht, Sein Volk durch die gegenwärtige Krise aufzurütteln? Die Vorstellung, Jesus würde womöglich „erst“ in 7 Jahren kommen, wäre für mich sogar eine Abschwächung dieser Erfahrung.

Wer meint, Menschen ließen sich nur durch die Ankündigung bestimmter Zeiten beeindrucken, hat nicht den richtigen Ansatz. Mag sein, dass es die Leute trifft und ihre Furcht weckt, doch sie handeln nicht aus Prinzip. Sie werden innerlich aufgewühlt, aber ist die Zeit erst verstrichen, wie es häufig der Fall war, ist auch ihr Motiv verschwunden. Sie fallen zurück in Kälte, Dunkelheit und Sünde, und es ist fast unmöglich, ihr Gewissen auch ohne besonderen Nervenkitzel zu wecken. (Testimonies 4:308)

 

g) Die Dreiengelbotschaft soll frei sein von Zeitelementen

Die Kraft unserer Verkündigung liegt in der Wahrheit selbst und braucht keine Zeitelemente – ja, Gott hat sogar ausdrücklich verboten, solche Elemente zu integrieren. In Erfahrungen und Gesichte ist zu lesen:

Zeit ist seit 1844 kein Prüfstein mehr gewesen und wird es auch nie wieder sein. Der Herr hat mir gezeigt: Die Botschaft des dritten Engels muss vorangehen und den zerstreuten Kindern Gottes verkündet werden, doch darf sie nicht an Zeit festgemacht werden. Ich sah, dass manche durch das Predigen von Datierungen in falsche Aufregung gerieten. Die dritte Engelsbotschaft hat mehr Kraft als irgendwelche Zeitvorhersagen. Ich sah, dass diese Botschaft auf ihrem eigenen Fundament stehen kann und keine Zeitelemente zu ihrer Stärkung braucht … (Early Writings, 75; vgl. Erfahrungen und Gesichte, 66)

 

Fazit

Adventisten steckt es seit 1844 im Blut, dass es „verboten“ ist, Zeitpunkte festzulegen. Sie wissen sich in dieser Haltung durch unzählige Fälle bestätigt, in denen Einzelne bis in die jüngste Vergangenheit Zeitvorhersagen gewagt haben und ohne Ausnahme gescheitert sind.

Würde Gott wollen, dass in der allerletzten Zeit Sein Volk erkennt, dass es ein Maximaldatum für die Wiederkunft gibt, wäre dann nicht anzunehmen, dass Er dieses neue Licht auf ein äußerst solides Fundament in Bibel und Geist der Weissagung stellt, um die zu erwartenden großen Widerstände zu überwinden? Diesem Anspruch kann der Vortrag Is This The End? nicht gerecht werden.

Wer von der langen Wartezeit bis zur Wiederkunft und dem lauen Zustand der Gemeinde bedrückt ist, mag verständlicherweise zu dem Schluss kommen, eine Zeitbotschaft sei genau das, was die schlafenden Jungfrauen jetzt aufwecken würde. Jeder Adventist mit Heimweh nach der himmlischen Heimat kann dem nachfühlen. Doch die Warnungen des Geistes der Weissagung sind deutlich:

Wer meint, Menschen ließen sich nur durch die Ankündigung bestimmter Zeiten beeindrucken, hat nicht den richtigen Ansatz. (Testimonies, 4:308)

Versucht nicht, auf diesem Weg Erweckung zu erreichen. (Brief 34, 1887)

Die Botschaft des dritten Engels … darf nicht an Zeit festgemacht werden. (Early Writings, 75)

Mit zahllosen anderen Brüdern und Schwestern weltweit teile ich Walter Veiths Überzeugung und wunderbare Hoffnung, dass unser Herr sehr bald kommen wird, dass die langersehnte Erweckung in Kürze stattfinden und die weltweite Evangeliumsverkündigung einen triumphalen Abschluss erleben wird. Was für eine herrliche Zukunft auf uns wartet!

Doch steht uns auch noch der letzte große Kampf mit dem Seelenfeind bevor. Dieser mächtige Feind hat nicht nur seit über 170 Jahren die abschließende Ausgießung des Geistes verhindert. Uns ist auch vorhergesagt, dass er falsche Erweckungen aufbringen wird, bevor die echte kommt. Daher brauchen wir Wachsamkeit, kindliches Vertrauen in Christus und mitunter auch die liebevolle gegenseitige Korrektur.

Off 22,20 Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald! Amen. – Ja, komm, Herr Jesus!