Wenn der Heiligtumsdienst eine Veranschaulichung des Erlösungsplanes ist, mit Christus als Sühneopfer und Hohepriester im Mittelpunkt, dann ist es selbstredend, dass die Kenntnis oder Unkenntnis über die damit verbundene Symbolik einen großen Unterschied im Verständnis davon macht, wie ein Mensch gerettet wird. Das richtige Verständnis ist aber von entscheidender Bedeutung! Nicht umsonst hat Gott Mose darum alle mit dem alttestamentlichen Heiligtum verbundenen Maße, Materialien, Geräte, Ordnungen und Zeremonien bis ins Detail geschildert.
Ohne das irdische Heiligtum wüssten wir nichts von den entsprechenden Vorgängen im Himmel und dem Wechsel von Jesu Dienst am 22. Oktober 1844. Der himmlische Tempel war der entscheidende Schlüssel zur Erklärung der großen Enttäuschung und für die nachfolgende Entstehung der Siebenten-Tags-Adventisten mit ihrem ausgewogenen Verständnis von Gesetz und Evangelium sowie einer klaren Sicht vom großen Kampf um den Charakter Gottes und seiner prophetischen Gipfelung in der endzeitlichen Sabbatfrage. Nirgendwo sonst in der Christenheit sind diese biblischen Zusammenhänge in der Breite und Deutlichkeit zu finden wie in der Adventgemeinde.
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass evangelische Christen in ihrer Rechtfertigungstheologie im Vorhof stehenbleiben, weil sie vom Heiligen und Allerheiligsten im Himmel nichts wissen. Adventisten haben aber allen Grund, hier im besten Sinne „progressiv“ zu sein und ein vollständiges Evangelium zu verkündigen, das das ganze Spektrum von den Anfängen des Glaubens bis zu seiner Vollendung umfasst (Heb 12,2). Diese neuen und erweiterten Einsichten lehrte Gott die Adventgläubigen nach der Enttäuschung, und diese Einsichten, die nun der ganzen Welt verkündigt werden sollten, waren nichts anderes als die dreifache Engelsbotschaft.
So beschreibt der Große Kampf die Situation der Adventgläubigen kurz nach dem 22. Oktober 1844:
GC 424f. [Sie] waren noch nicht bereit, ihrem Herrn zu begegnen. Es musste noch ein Werk der Vorbereitung für sie getan werden. Sie sollten Licht erhalten, das ihre Aufmerksamkeit auf Gottes Tempel im Himmel lenkte, und wenn sie im Glauben ihrem Hohepriester in seinem Dienst dorthin folgten, würden neue Aufgaben offenbar werden. Die Gemeinde sollte noch eine weitere Botschaft mit Warnungen und Anweisungen erhalten …
Während das Untersuchungsgericht im Himmel stattfindet und die Sünden der reuigen Gläubigen vom Heiligtum entfernt werden, muss unter Gottes Volk auf der Erde ein besonderes Werk der Reinigung geschehen, ein Ablegen von Sünde. Dieses Werk wird in den Botschaften aus Offenbarung 14 noch klarer dargestellt.
Wenn dieses Werk getan ist, werden Christi Nachfolger für sein Erscheinen bereit sein. „Dann wird die Opfergabe Judas und Jerusalems dem HERRN angenehm sein, wie in den Tagen der Vorzeit und wie in den Jahren der Vergangenheit.“ (Mal 3,4) Dann wird unser Herr bei seinem Kommen eine Gemeinde zu sich nehmen, „die herrlich sei, sodass sie weder Flecken noch Runzeln noch etwas Ähnliches habe“ (Eph 5,27). (vgl. GK 426f.)
Ellen White sagt hier deutlich, dass Jesu Dienst im Allerheiligsten den Zweck hat, die Gemeinde auf seine Wiederkunft „vorzubereiten“. Diese geschieht durch ihre „Reinigung“ parallel zur Reinigung des Heiligtums im Himmel. Ihre Sünden müssen „abgelegt“ werden, denn die Gläubigen sind erst dann für Christi Erscheinen bereit, wenn sie „weder Flecken noch Runzeln“ haben, was nichts anderes bedeutet als sittliche Vollkommenheit. Dies, so sagt sie, ist der Inhalt der Botschaften aus Offenbarung 14.
Die dreifache Engelsbotschaft ist somit eine Erläuterung dessen, was Gott durch den großen Versöhnungstag für jeden Gläubigen tun und wie Er die Weltgeschichte zum Abschluss bringen will: durch die Vervollkommnung der Gemeinde und ihr weltweites Zeugnis über „Christus unsere Gerechtigkeit“ in der Fülle des Spätregens. Das entscheidende Merkmal von Gottes Gemeinde in dieser letzten Zeit ist ihr „Glaube“ und ihr „Gehorsam“ (Off 14,12) – aber „vollendeter“ Glaube (1Ths 3,10; 2Ths 1,11; Jak 2,22) und „vollkommener“ Gehorsam = bedingungslose Liebe (Mt 5,48). Es ist „vollendete Heiligung“ (2Kor 7,1), denn das Kleid von Jesu Braut – ein Bild für den Charakter – wird bei seinem Kommen „fein, glänzend, rein“ sein (Off 19,8). Das zu glauben, zu leben und zu verkündigen, ist wahrer „Adventismus“, weil es den „Advent“ – das Kommen Jesu – anbahnt und auf ihn hinwirkt. Es ist die „Beschleunigung“, von der 2. Petrus 3,12 spricht und die direkt mit dem „heiligen Wandel und der Gottseligkeit“ in Vers 11 zu tun hat:
2Pe 3,11 Da dies alles so aufgelöst wird, was für Leute müsst ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit,
12 indem ihr die Ankunft des Tages Gottes erwartet und beschleunigt, um dessentwillen die Himmel in Feuer geraten und aufgelöst und die Elemente im Brand zerschmelzen werden!