Ich denke mittlerweile, dass diese These zu pauschal formuliert ist – sollte ich jemanden dadurch verletzt haben, möchte ich mich herzlich entschuldigen. Bitte verstehe diese These so, als wäre hinter „offenbart“ ein „nicht selten“ eingefügt. Das zumindest ist meine Beobachtung: Es gibt so viele unterschiedliche Vorstellungen davon, was „Heil“ und was „Gewissheit“ ist, sowohl bei den Rednern als auch den Zuhörern! Ein so missverständlich oder subjektiv gebrauchter Begriff kann eigentlich nur Verwirrung stiften oder für peinliche Situationen bei den Gefragten sorgen – wer möchte sich schon öffentlich in eine Lage bugsiert sehen, wo er offenbar „keine Heilgewissheit“ hat …?!
Ein ehrwürdiger adventistischer Seelsorger zum Beispiel „erklärte“ mir als jungem Mann mit seiner ganzen eminenten Autorität, die Frage nach meiner Heilsgewissheit müsse ich genauso spontan und unzweifelhaft beantworten können wie die Frage, ob ich heute gefrühstückt hätte. Ein anderer Prediger, den ich sehr für seine Treue schätze, sagte von der Kanzel, wir dürften „Heilsgewissheit“ haben, aber nicht „Heilssicherheit“. Ein dritter, von mir nicht minder respektierter Redner erklärte, „Heilsgewissheit“ würde immer nur „für heute“ gelten. Hinter solchen Aussagen steckt für mich so etwas wie die Quadratur des Kreises: der Versuch, den Geschwistern etwas sicher zuzusprechen (Heil), was andererseits doch noch nicht endgültig ist, weil wir als Adventisten nicht an „Einmal gerettet, immer gerettet“ glauben – von diesem Extrem wollen wir uns abgrenzen, aber trotzdem an der „Gewissheit“ festhalten, was zu unterschiedlichen Erklärungen führt.
Nun möchte ich deutlich sagen, dass ich die gute und seelsorgerliche Motivation hinter solcherart Zuspruch an die Geschwister verstehe und voll anerkenne. Ich möchte auch niemandem einen Vorwurf machen und keinerlei Urteil über Personen aussprechen. Es geht mir um die Sache selbst und um unsere Gemeinden, denn ich sehe das große Problem, dass diese Art Trost der eigentlichen Not nicht abhilft – weil es nicht der Weg ist, auf dem Gott tröstet und festigt.
Seien wir mal so „kühn“ und schauen der Wahrheit ins Auge: Wir sind noch nicht endgültig errettet, und deswegen ist unser Heil auch noch nicht „gewiss“. Diese Feststellung hat aber rein gar nichts mit der Vorstellung zu tun, wir müssten nun den Rest unserer Tage in „Furcht und Zittern“ verbringen! Hier existiert einfach eine gesunde Spannung zwischen „schon jetzt“ und „noch nicht“. Unser Leben ist voll von solchen gesunden Spannungen, von scheinbaren Gegensätzen, die sich zu etwas Gutem ergänzen. Und im Erlösungsplan ist es nicht anders. Unsere Errettung hat einen Anfangs- und einen Endpunkt, und dazwischen liegt ein Prozess. Dies ist eine gesunde, gottgewollte Spannung, und wir brauchen weder zu versuchen, sie zu beseitigen, noch uns dafür vor anderen zu entschuldigen. Die Bibel veranschaulicht diese drei Elemente (Anfang, Prozess, Ende) in zahlreichen Bildern, z. B.
- vom Weizenkorn, das (1) keimt, (2) wächst und (3) eine volle Ähre hervorbringt;
- vom Menschen, der (1) geboren wird, (2) wächst und (3) eines Tages ausgewachsen ist;
- vom Mehl, das (1) Sauerteig aufnimmt und (2) allmählich gesäuert wird, bis (3) alles durchsäuert ist;
- vom Wettlauf, der aus (1) dem Start, (2) dem eigentlichen Lauf und (3) der Zielüberquerung besteht;
- vom Tempel der Gemeinde, der (1) Fundament und Eckstein bekommt, (2) dann aufgebaut wird und (3) am Ende den Schlussstein erhält;
- und auch die drei Abteile (1) Vorhof, (2) Heiliges und (3) Allerheiligstes im Heiligtum repräsentieren diesen Prozess.
Ich werde gleich noch genauer auf biblische „Heilsgewissheit“ (wenn man es so nennen möchte) eingehen. Aber an dieser Stelle möchte ich den obigen Satz ergänzen und eine Art Gleichgewicht herstellen: Wir sind noch nicht endgültig errettet, aber Gott hat die besten aller nur denkbaren Voraussetzungen dafür geschaffen, dass es einmal so sein wird. Diese „besten aller nur denkbaren Voraussetzungen“ sind in einer Person fokussiert: Immanuel („Gott ist mit uns“), Jesus („Retter von Sünde“), Christus in uns (der Grund für unsere „Hoffnung auf die ewige Herrlichkeit“).