16. Mangelnde Gotteserkenntnis führt am Ende in den Tod: „Mein Volk kommt um aus Mangel an Erkenntnis.“ (Hos 4,6) Die Laodizea-Botschaft ist daher eine Frage von Leben oder Tod.

EG 263 Ich sah, dass das Zeugnis des wahren Zeugen nicht halb beachtet worden ist. Das feierliche Zeugnis, von welchem das Schicksal der Gemeinde abhängt, ist nur oberflächlich geschätzt, wenn nicht gänzlich missachtet worden. Dies Zeugnis muss tiefe Reue wirken; alle, die es in Wahrheit annehmen, werden demselben gehorchen und gereinigt werden.

1Sch 58f. Der Engel sagte: „Gott wird sein Wirken immer mehr darauf einstellen, den einzelnen seines Volkes zu prüfen und zu erproben.“ Manche sind bereit, die eine Prüfung hinzunehmen; führt Gott sie aber in eine andere Situation, so schrecken sie zurück, weil sie meinen, irgendeine ihrer liebsten Gewohnheitssünden werde davon betroffen … Wer jedoch alle Prüfungen besteht und überwindet, ganz gleich für welchen Preis, hat den Rat des treuen Zeugen beachtet, wird den Spätregen empfangen und somit würdig sein für die Aufnahme ins Reich Gottes …

Beachten wir den letzten Satz: Die Botschaft an Laodizea dient der Vorbereitung auf den Spätregen. Der Spätregen wiederum leitet die letzte weltweite Evangeliumsverkündigung, den „lauten Ruf“ ein, kurz bevor Christus kommt. Anders gesagt: Der Grund für die lange Verzögerung der Wiederkunft seit 1844 ist, dass Gottes Gemeinde noch immer nicht die Laodizea-Botschaft angenommen und umgesetzt hat! Denn ist das einmal geschehen, werden die noch ausstehenden Ereignisse bis zum Kommen Jesu sehr schnell ablaufen. Der Himmel wartet auf uns.

15. Eine Gemeinde, die sich selbst nicht kennt, beweist, dass sie Gott nicht kennt.

Laodizeas Blindheit betrifft nicht nur das Selbstbild, sondern auch die Erkenntnis des Charakters Gottes. Selbstzufriedenheit spricht Bände davon, wie wenig jemand von der Reinheit, Güte, Heiligkeit, Liebe und Majestät Gottes erkannt hat. Wo immer in der Heiligen Schrift Menschen Gott begegneten, fielen sie im Bewusstsein ihrer Sündigkeit und totalen Unwürdigkeit in den Staub. Sie demütigten sich. Sie verabscheuten ihre „eigene Gerechtigkeit“, weil sie sich in Seiner Gegenwart im wahren Licht sahen. Diese Erfahrung fehlt uns bitter und zeigt sich nicht zuletzt in einer immer größeren Verflachung der Gottesdienste und mangelnden Ehrfurcht im Haus Gottes.

Auch hartnäckiger, immer wiederkehrender Ungehorsam ist ein Zeichen dafür, dass wir unser geistliches Vorrecht nicht ausschöpfen, Gott ganz persönlich kennenzulernen, denn:

DA 668 Wenn wir Gott so kennen, wie es unser Vorrecht ist, werden wir ein Leben beständigen Gehorsams führen. Weil wir Christi Charakter so wertschätzen und Gemeinschaft mit Gott haben, werden wir die Sünde hassen. (vgl. LJ 666)

Durch die Erkenntnis Seiner Güte, Reinheit und Liebenswürdigkeit zieht Gott uns zu sich, und indem wir seine Liebe erwidern, beginnen wir die Sünde zu hassen und überwinden den Drang, der Versuchung nachzugeben. Wir mögen viel darüber reden, wie wichtig und zentral die Liebesbeziehung zu Jesus ist, doch die Wahrheit unseres Redens, Glaubens und Liebens zeigt sich darin, ob wir Seinen Willen tun und die Sünde lassen.

1Joh 2,4 Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht.

9. Die mangelnde Reue unter Adventisten ist ein Zeichen mangelnder Selbst- und Gotteserkenntnis, von Jesus als „Blindheit“ diagnostiziert.

Würde Gottes Volk heute ebenso Reue, Sündenbekenntnis und Versöhnung praktizieren wie Jesu Jünger in den zehn Tagen nach der Himmelfahrt, so würde der Herr nicht anders antworten als damals und seinen Geist in nie dagewesener Fülle auf uns ausgießen. Es gab dazu in der Adventgeschichte immer wieder vielversprechende Ansätze, etwa in den Jahren 1856/57 oder auf der Generalkonferenz von 1893. Alle diese Erweckungsbewegungen waren von tiefer Reue und Selbsterkenntnis gekennzeichnet, doch keine von ihnen war von Dauer oder erfasste die Gemeinde in ihrer Breite.

Heute wissen wir nicht mehr viel von diesen bedeutsamen Ereignissen, und das erschwert unsere Selbsterkenntnis. Da wir schon so lange von Lauheit umgeben sind, haben wir sie fast als Normalfall akzeptiert und unser Bild von Gott entsprechend verharmlost – zu einem toleranten, umgänglichen, lieben „Papa“. Deswegen wirkt eine Beschreibung wie die folgende auf viele wie ein böses Märchen aus einer fremden Welt:

EG 61-63 Ich sah ein Licht von der Herrlichkeit ausgehen, die den Vater umgab, und als es nahe zu mir kam, zitterte ich wie ein Blatt am Baum. Ich dachte, wenn es mir näher käme, müsste ich aufhören zu leben; aber das Licht ging an mir vorbei. Dann konnte ich mir einen Begriff von dem großen und schrecklichen Gott machen, mit dem wir es zu tun haben

Diejenigen, die sich nicht durch die Propheten wollen zurichten lassen, die es versäumten, ihre Seele zu reinigen, indem sie der ganzen Wahrheit gehorchen, und die ihren Zustand für besser halten, als er wirklich ist, werden zur Zeit, wenn die Plagen kommen, aufwachen und erkennen, dass es nötig war, für den Bau behauen und zugerichtet zu werden … Lasst uns daran denken, dass Gott heilig ist und dass nur heilige Wesen ewig in seiner Gegenwart wohnen können.

Beachten wir, wie Ellen White hier zwei Dinge miteinander verbindet: mangelnde Erkenntnis von Gott (Seiner Heiligkeit) und mangelnde Selbsterkenntnis (den eigenen Zustand für besser halten, als er ist). Weil Laodizea wenig Begriff von seiner Sündigkeit hat, hat es auch wenig Begriff von Gottes Heiligkeit – und umgekehrt. Auf eine Gemeinde in diesem Zustand der „Realitätsferne“ trifft auf erschreckende Weise das Wort zu:

Am 5,18 Wehe denen, die den Tag des HERRN herbeiwünschen! Wozu soll euch denn der Tag des HERRN sein? Er wird Finsternis sein und nicht Licht.

Daher ist es Gnade, dass Gott unseren Wunsch nach der Wiederkunft noch nicht erhört hat.

7. Sündenerkenntnis ist die natürliche Folge wahrer Gotteserkenntnis. Es ist die Erkenntnis von Gottes Güte, die Reue im Herzen aufbrechen lässt (Röm 2,4).

In einem Nürnberger U-Bahnhof haben die Erbauer an der Wand den Spruch abgebildet: „Lernen heißt vergleichen.“ Dass wir Sünder sind (und was das heißt), lernen wir, wenn wir uns mit dem Sündlosen vergleichen – Christus. Das war einer der Gründe, warum der Sohn Gottes kommen und der Menschheit das wahre Wesen Gottes offenbaren musste. Wenn wir uns mit anderen Menschen vergleichen, mögen wir gut abschneiden. Wenn wir uns mit Jesus vergleichen, erkennen wir uns als Sünder – allerdings nur, wenn wir die Herrlichkeit Seines Charakters wirklich wahrnehmen; ansonsten werden wir wie damals die jüdischen Führer an unserer Selbstgerechtigkeit festhalten.

Paulus schreibt, dass es Gottes Güte ist, die unser Herz weich macht und zur Reue führt:

Röm 2,4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?

Wir finden das gleiche Prinzip im Alten Testament in dem bekannten Vers:

Spr 25,21 Wenn dein Hasser Hunger hat, gib ihm Brot zu essen, und wenn er Durst hat, gib ihm Wasser zu trinken!

 22 Denn glühende Kohlen häufst du auf sein Haupt, und der HERR wird es dir vergelten.

Die „glühenden Kohlen“ spielen auf den Heiligtumsdienst an. Als Jesajas Mund mit einer glühenden Kohle vom Altar berührt wurde, empfing er Reinigung und Vergebung (Jes 6,5-7). In gleicher Weise wird unverdiente Güte – Brot und Wasser von jemandem, den er schlecht behandelt hat – das „Haupt“ eines bösen Menschen reinigen, d. h. ihn zum Umdenken und zur Buße bringen (das griechische Wort metanoia für Buße bedeutet wörtlich „Umdenken“). Gott hat uns geliebt, als wir noch Feinde waren, und diese völlig unerwartete Güte trotz unserer Bosheit weckt in uns Gegenliebe.

Röm 5,8 Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder [V. 10: Feinde] waren, für uns gestorben ist.

1Joh 4,19 Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.