15. Eine Gemeinde, die sich selbst nicht kennt, beweist, dass sie Gott nicht kennt.

Laodizeas Blindheit betrifft nicht nur das Selbstbild, sondern auch die Erkenntnis des Charakters Gottes. Selbstzufriedenheit spricht Bände davon, wie wenig jemand von der Reinheit, Güte, Heiligkeit, Liebe und Majestät Gottes erkannt hat. Wo immer in der Heiligen Schrift Menschen Gott begegneten, fielen sie im Bewusstsein ihrer Sündigkeit und totalen Unwürdigkeit in den Staub. Sie demütigten sich. Sie verabscheuten ihre „eigene Gerechtigkeit“, weil sie sich in Seiner Gegenwart im wahren Licht sahen. Diese Erfahrung fehlt uns bitter und zeigt sich nicht zuletzt in einer immer größeren Verflachung der Gottesdienste und mangelnden Ehrfurcht im Haus Gottes.

Auch hartnäckiger, immer wiederkehrender Ungehorsam ist ein Zeichen dafür, dass wir unser geistliches Vorrecht nicht ausschöpfen, Gott ganz persönlich kennenzulernen, denn:

DA 668 Wenn wir Gott so kennen, wie es unser Vorrecht ist, werden wir ein Leben beständigen Gehorsams führen. Weil wir Christi Charakter so wertschätzen und Gemeinschaft mit Gott haben, werden wir die Sünde hassen. (vgl. LJ 666)

Durch die Erkenntnis Seiner Güte, Reinheit und Liebenswürdigkeit zieht Gott uns zu sich, und indem wir seine Liebe erwidern, beginnen wir die Sünde zu hassen und überwinden den Drang, der Versuchung nachzugeben. Wir mögen viel darüber reden, wie wichtig und zentral die Liebesbeziehung zu Jesus ist, doch die Wahrheit unseres Redens, Glaubens und Liebens zeigt sich darin, ob wir Seinen Willen tun und die Sünde lassen.

1Joh 2,4 Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht.

9. Die mangelnde Reue unter Adventisten ist ein Zeichen mangelnder Selbst- und Gotteserkenntnis, von Jesus als „Blindheit“ diagnostiziert.

Würde Gottes Volk heute ebenso Reue, Sündenbekenntnis und Versöhnung praktizieren wie Jesu Jünger in den zehn Tagen nach der Himmelfahrt, so würde der Herr nicht anders antworten als damals und seinen Geist in nie dagewesener Fülle auf uns ausgießen. Es gab dazu in der Adventgeschichte immer wieder vielversprechende Ansätze, etwa in den Jahren 1856/57 oder auf der Generalkonferenz von 1893. Alle diese Erweckungsbewegungen waren von tiefer Reue und Selbsterkenntnis gekennzeichnet, doch keine von ihnen war von Dauer oder erfasste die Gemeinde in ihrer Breite.

Heute wissen wir nicht mehr viel von diesen bedeutsamen Ereignissen, und das erschwert unsere Selbsterkenntnis. Da wir schon so lange von Lauheit umgeben sind, haben wir sie fast als Normalfall akzeptiert und unser Bild von Gott entsprechend verharmlost – zu einem toleranten, umgänglichen, lieben „Papa“. Deswegen wirkt eine Beschreibung wie die folgende auf viele wie ein böses Märchen aus einer fremden Welt:

EG 61-63 Ich sah ein Licht von der Herrlichkeit ausgehen, die den Vater umgab, und als es nahe zu mir kam, zitterte ich wie ein Blatt am Baum. Ich dachte, wenn es mir näher käme, müsste ich aufhören zu leben; aber das Licht ging an mir vorbei. Dann konnte ich mir einen Begriff von dem großen und schrecklichen Gott machen, mit dem wir es zu tun haben

Diejenigen, die sich nicht durch die Propheten wollen zurichten lassen, die es versäumten, ihre Seele zu reinigen, indem sie der ganzen Wahrheit gehorchen, und die ihren Zustand für besser halten, als er wirklich ist, werden zur Zeit, wenn die Plagen kommen, aufwachen und erkennen, dass es nötig war, für den Bau behauen und zugerichtet zu werden … Lasst uns daran denken, dass Gott heilig ist und dass nur heilige Wesen ewig in seiner Gegenwart wohnen können.

Beachten wir, wie Ellen White hier zwei Dinge miteinander verbindet: mangelnde Erkenntnis von Gott (Seiner Heiligkeit) und mangelnde Selbsterkenntnis (den eigenen Zustand für besser halten, als er ist). Weil Laodizea wenig Begriff von seiner Sündigkeit hat, hat es auch wenig Begriff von Gottes Heiligkeit – und umgekehrt. Auf eine Gemeinde in diesem Zustand der „Realitätsferne“ trifft auf erschreckende Weise das Wort zu:

Am 5,18 Wehe denen, die den Tag des HERRN herbeiwünschen! Wozu soll euch denn der Tag des HERRN sein? Er wird Finsternis sein und nicht Licht.

Daher ist es Gnade, dass Gott unseren Wunsch nach der Wiederkunft noch nicht erhört hat.