8. Gleichzeitig kann ein Mensch die Größe der Güte Gottes erst erahnen, wenn er die Größe seiner Schuld erahnt, die Gott ihm zu vergeben bereit ist.

Ohne ein Bewusstsein unserer Schuld können wir weder Gottes Vergebung richtig wertschätzen noch Ihm tiefe Liebe entgegenbringen. Ein beeindruckendes Beispiel echter Reue ist der Apostel Paulus. Er sagte von sich selbst:

1Kor 15,9 Ich bin der geringste der Apostel, der ich nicht würdig bin, ein Apostel genannt zu werden, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.

Aber gerade die Erfahrung, dass Gott ihn trotzdem zu sich rief und aus Liebe alles vergab, führte ihn zu einem ganz außerordentlichen Eifer für seinen Herrn, wie er im nächsten Vers sagt:

10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin; und seine Gnade mir gegenüber ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist.

Nur der Blick nach Golgatha kann die Dimension unserer Schuld und der Begnadigung Gottes ermessen. Durch den Propheten Sacharja verheißt Gott Seinem Volk in der Endzeit tiefe Reue, weil der Heilige Geist das Opfer Christi vor ihnen groß macht:

Sach 12,10 Aber über das Haus David und über die Bewohnerschaft von Jerusalem gieße ich den Geist der Gnade und des Flehens aus, und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen, wie man über den einzigen Sohn wehklagt, und werden bitter über ihn weinen, wie man bitter über den Erstgeborenen weint.

Das Kreuz offenbart uns den wahren Charakter der Sünde. Ein in menschlichen Augen banales Vergehen wie das Essen einer verbotenen Frucht war in Wirklichkeit so schlimm, dass es nur durch den höchstmöglichen Preis gesühnt werden konnte: den Tod des Sohnes Gottes. So abscheulich ist Sünde in Gottes Augen! Nur eines ist noch größer als sein Hass gegen die Sünde: seine Liebe zum Sünder. Ist das nicht ein unbegreifliches Wunder?

Röm 5,20 Wo die Sünde überströmend geworden, ist die Gnade noch überschwänglicher geworden.

Dieser Text bedeutet: Wer die Sünde klein macht, macht auch die Gnade klein. Wer Sünde dagegen in ihrer Abgrundtiefe zeigt, macht auch die Gnade und die Liebe Gottes groß. Gottes Instrument, um die Dimensionen der Sünde sichtbar zu machen, ist das Gesetz. Würden wir das Gesetz besser als Teil des Erlösungsplanes erkennen und seine weitreichenden Forderungen ebenso deutlich predigen, wie Jesus das in der Bergpredigt tat, dann würden wir es unseren Zuhörern leichter machen, sowohl ihre Sündigkeit als auch die Tiefe der Liebe und Vergebung Gottes zu erkennen, und wir hätten mehr echte Bekehrungen.

7. Sündenerkenntnis ist die natürliche Folge wahrer Gotteserkenntnis. Es ist die Erkenntnis von Gottes Güte, die Reue im Herzen aufbrechen lässt (Röm 2,4).

In einem Nürnberger U-Bahnhof haben die Erbauer an der Wand den Spruch abgebildet: „Lernen heißt vergleichen.“ Dass wir Sünder sind (und was das heißt), lernen wir, wenn wir uns mit dem Sündlosen vergleichen – Christus. Das war einer der Gründe, warum der Sohn Gottes kommen und der Menschheit das wahre Wesen Gottes offenbaren musste. Wenn wir uns mit anderen Menschen vergleichen, mögen wir gut abschneiden. Wenn wir uns mit Jesus vergleichen, erkennen wir uns als Sünder – allerdings nur, wenn wir die Herrlichkeit Seines Charakters wirklich wahrnehmen; ansonsten werden wir wie damals die jüdischen Führer an unserer Selbstgerechtigkeit festhalten.

Paulus schreibt, dass es Gottes Güte ist, die unser Herz weich macht und zur Reue führt:

Röm 2,4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?

Wir finden das gleiche Prinzip im Alten Testament in dem bekannten Vers:

Spr 25,21 Wenn dein Hasser Hunger hat, gib ihm Brot zu essen, und wenn er Durst hat, gib ihm Wasser zu trinken!

 22 Denn glühende Kohlen häufst du auf sein Haupt, und der HERR wird es dir vergelten.

Die „glühenden Kohlen“ spielen auf den Heiligtumsdienst an. Als Jesajas Mund mit einer glühenden Kohle vom Altar berührt wurde, empfing er Reinigung und Vergebung (Jes 6,5-7). In gleicher Weise wird unverdiente Güte – Brot und Wasser von jemandem, den er schlecht behandelt hat – das „Haupt“ eines bösen Menschen reinigen, d. h. ihn zum Umdenken und zur Buße bringen (das griechische Wort metanoia für Buße bedeutet wörtlich „Umdenken“). Gott hat uns geliebt, als wir noch Feinde waren, und diese völlig unerwartete Güte trotz unserer Bosheit weckt in uns Gegenliebe.

Röm 5,8 Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder [V. 10: Feinde] waren, für uns gestorben ist.

1Joh 4,19 Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.