43. Erst wenn wir verstehen, dass es für Sünde keine Entschuldigung gibt, wird sie uns wirklich leidtun. Erst dann werden wir Christus ganz in unseren Seelentempel einlassen, sodass er ihn „von aller Ungerechtigkeit reinigen“ kann (1Joh 1,9).

Auch als gläubige Menschen behalten wir bis zur Verwandlung unsere gefallene Natur. Trotzdem schrieb Schwester White 1898 im Leben Jesu (S. 300) mit Blick auf uns: „Für die Sünde gibt es keine Entschuldigung.“ Wirklich? Ganz wirklich??

Wie wir tief im Herzen über diese Frage denken, unsere ureigenste, vielleicht sogar diffus unbewusste Überzeugung dazu, wird unser Schicksal entscheiden. Wieso kann ich das behaupten? Weil dies die Frage des großen Kampfes zwischen Gott und Satan ist. Wenn es irgendwo im Universum einen legitimen Schlupfraum für irgendeine noch so kleine Sünde gäbe, hätte dies Konsequenzen, wie sie dramatischer und umwälzender nicht sein könnten: Gottes Gesetz wäre nicht mehr vollkommen, und Gott selbst müsste die Verantwortung für die Entstehung der Sünde (oder zumindest dieser einen Sünde) übernehmen. Satan hätte recht mit seinem Vorwurf, Gottes Herrschaft sei verbesserungsbedürftig und Sein Gesetz müsse revidiert werden. Und da das Gesetz ein treues Abbild des Wesens Gottes ist, würde unausweichlich folgen, dass Gott selbst unvollkommen ist und sich ändern muss …!

Doch Gott sei Lob und Dank in alle Ewigkeit, dass all dies nicht der Fall ist! Das inspirierte Wort erklärt uns:

GK 495f. Es ist unmöglich, den Ursprung der Sünde so zu erklären, dass dadurch eine Begründung für ihr Dasein gegeben würde … Die Sünde ist ein Eindringling, für dessen Erscheinen wir keine Ursache angeben können. Sie ist geheimnisvoll, seltsam, sie zu entschuldigen, hieße, sie zu verteidigen. Wäre ihr Dasein zu entschuldigen oder zu begründen, so hörte sie auf, Sünde zu sein.

PP 421 Selbst die stärkste Versuchung ist keine Entschuldigung für Sünde. Egal wie stark du unter Druck gesetzt wirst – Sünde ist immer deine eigene Tat. Das eigentliche Problem liegt in einem unerneuerten Herzen. (vgl. Patriarchen und Propheten, 401)

Beachten wir hier, dass Ellen White, inspiriert durch den Heiligen Geist, die Grundfrage der vollkommenen Gerechtigkeit Gottes und aller Seiner Forderungen sowohl auf die Auseinandersetzung im Himmel anwendet, in die (damals noch) sündlose Engel verwickelt waren, als auch auf die gefallene Menschheit, die doch natürlicherweise überhaupt nicht anders kann, als zu sündigen. Warum ist diese Anwendung dennoch legitim? Die einzige schlüssige Antwort in diesem Zusammenhang lautet: Gott hat den Erlösungsplan so gestaltet, dass vollkommener Gehorsam selbst für den gefallenen Sünder wieder ermöglicht und damit jede Entschuldigung für Ungehorsam entkräftet wird.

Das ist schlechte Nachricht, wenn man sich mit der Opferrolle gut arrangiert hat, dagegen extrem gute Nachricht und voller Hoffnung und Inspiration, wenn man sich nach wahrer Freiheit und beständiger Gemeinschaft mit Christus sehnt und bereit ist, für sein Leben Verantwortung zu übernehmen. Es mag im ersten Moment angenehm sein zu hören, ich könne „nichts dafür“ – die Last der Schuld fällt ab, der scheinbar sinnlose Kampf gegen böse Neigungen hört auf. Die Kehrseite der Medaille ist, dass ich dann auch „nichts dagegen“ kann – die bedrückende Gefangenschaft bleibt, und ich muss mich damit abfinden, bis an mein Lebensende zwanghaft das zu tun, was ich gar „nicht will“ und sogar „hasse“ (Röm 7,15.16). Sollte dies die „wirkliche Freiheit“ sein, die den Menschen zu geben Jesus gekommen war (Joh 8,36)? Freiheit von der Strafe durch Generalamnestie, jedoch keine Freiheit von der Straftat? Ganz sicher nicht. Paulus nennt diese Art Leben „elend“ (Röm 7,24), und genauso ist es, denn es ist nach wie vor ein Leben unter Fremdbestimmung, ein Leben „in Ägypten“, ein Leben bestimmt vom „Gesetz der Sünde“ (V. 23) – und ja, ein „fleischliches“ Leben (V. 14), das in dieser Form mit dem zweiten Tod enden muss,

Röm 8,13 denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben …

Lebst du in dem Glauben, dass es Sünden in deinem Leben gibt, die du selbst als Christ unmöglich aufgeben oder überwinden kannst? Dann müssen dich folgende Aussagen sehr befremden:

Jak 2,10 Wer das ganze Gesetz hält, aber in einem strauchelt, ist aller Gebote schuldig geworden.

Brief 216, 1906 Die Bedingungen, unter denen ewiges Leben erlangt werden kann, sind im Neuen Bund dieselben wie im Alten. Die Grundlage der Bedingungen ist – und ist immer gewesen – vollkommener Gehorsam.

6BC 1072f. Warum können Menschen, die sich für bibeltreu halten, nicht verstehen, dass Gott unter der Gnade denselben Anspruch stellt wie im Garten Eden, nämlich vollkommenen Gehorsam gegenüber seinen Geboten?

Ich möchte dich von Herzen einladen, in der anstößig und drastisch klingenden Feststellung, dass es für KEINE unserer zahlreichen Sünden eine Entschuldigung gibt, die gute Nachricht zu entdecken, dass JEDE unserer zahlreichen Sünden durch die Gnade unseres Erlösers überwindbar geworden ist. Wir können vollständig frei werden! Halten wir uns in dem kindlichen Glauben einer Maria und dem unnachgiebigen Glauben eines Jakob an der tiefen Wahrheit und Verheißung fest, die in den folgenden Zitaten – nur wenige von unzähligen im inspirierten Wort – ausgedrückt ist:

COL 314 Satan hatte behauptet, es sei dem [gefallenen!] Menschen unmöglich, Gottes Geboten zu gehorchen, und aus eigener Kraft können wir ihnen tatsächlich nicht gehorchen. Aber Christus kam in menschlicher Gestalt und bewies durch seinen vollkommenen Gehorsam, dass Menschliches und Göttliches vereint jede einzelne Vorschrift Gottes einhalten können. „Allen denen aber, die ihn aufnahmen, gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.“ (Joh 1,12; Schlachter 1951) Diese Macht kommt nicht aus dem Menschen. Es ist die Macht Gottes. Wenn ein Mensch Christus empfängt, empfängt er Macht, das Leben Christi zu leben.

COL 312 Durch seinen vollkommenen Gehorsam hat er es jedem Menschen möglich gemacht, Gottes Geboten zu gehorchen.

1Joh 3,6 Jeder, der in ihm [Christus] bleibt, sündigt nicht

Es ist unmöglich, Taten zu bereuen, die ich – bewusst oder unbewusst, mehr oder weniger – vor mir selbst mit der Überzeugung rechtfertige, ich hätte sie gar nicht verhindern können. Selbstrechtfertigung ist das Gegenteil von Schuldbekenntnis. Sie ist der erklärte Feind der Vergebung, weil sie die notwendige Reue verhindert. Diese Selbstrechtfertigung ist ein wesentlicher Grund für Laodizeas geistliche Schwachheit und mangelnden Sieg über sündige Neigungen. Beachten wir sorgfältig, wie der Geist der Weissagung diese Situation beschreibt:

COL 315 Der Mann, der ohne Hochzeitskleid zum Fest kam, stellt den Zustand vieler in unserer heutigen Welt dar. Sie nennen sich Christen und beanspruchen die Segnungen und Vorrechte des Evangeliums, verspüren aber keine Notwendigkeit, dass ihr Charakter verwandelt wird. Sie haben niemals echte Reue über die Sünde gefühlt. Ihnen ist nicht bewusst, dass sie Christus brauchen, und sie praktizieren keinen Glauben an ihn. Sie haben ihre ererbten und selber gepflegten Neigungen zu falschem Verhalten nicht überwunden.

„Ihnen ist nicht bewusst, dass sie Christus brauchen.“ Wie ist es möglich, dass Christen nicht bewusst ist, dass sie Christus brauchen?! Diese Aussage kann sich unmöglich auf die Tatsache beziehen, dass jeder Mensch Vergebung durch Christus braucht, denn in dieser Frage herrscht im Christentum Einmütigkeit. Die Aussage bezieht sich vielmehr auf die Frage der Heiligung und des Gehorsams durch Christus: Ihnen ist nicht bewusst, dass sie vollkommenen Gehorsam brauchen, daher betrachten sie es auch als müßig zu glauben, dass Christus ihnen vollkommenen Gehorsam schenken kann und will, und ebenso empfinden sie keine „echte Reue“ über ihre Unvollkommenheiten, weil sie in ihren Augen für ihre Beziehung mit Jesus und ihre Erlösung letztlich belanglos sind.

Dies ist weitgehend unsere Situation heute in der Adventgemeinde. Wundert es uns da, dass Christus noch nicht wiedergekommen ist? Wir sind vor dem Maßstab „vollständigen Gehorsams“ und „vollkommener Gerechtigkeit“, wie Christus sie gelebt hat, tatsächlich nackt. Es ist uns nur, wie im Gleichnis dem Mann ohne Hochzeitskleid, „nicht bewusst“. Dieser Mann verkörpert unsdie laue Gemeinde.

6BC 1072f. Das Evangelium des Neuen Testaments hat die Maßstäbe des Alten Testaments nicht heruntergeschraubt, etwa um dem Sünder entgegenzukommen und ihn in seinen Sünden zu retten. Gott erwartet von allen seinen Untertanen Gehorsam, vollständigen Gehorsam gegenüber allen seinen Geboten. Wie eh und je verlangt er vollkommene Gerechtigkeit – sie allein verschafft uns Eintritt in den Himmel. Christus ist unsere Hoffnung und unsere Zuflucht. Seine Gerechtigkeit wird nur dem Gehorsamen zugerechnet. Nehmen wir sie im Glauben an! Dann wird der Vater keine Sünde in uns finden.

Uns muss bewusst werden, dass Gott vollkommenen Gehorsam von uns erwarten darf, weil Er in Christus vollkommenen Gehorsam ermöglicht hat, und dass Gott vollkommenen Gehorsam erwarten muss, weil er das einzig mögliche Fundament Seiner ewigen Herrschaft ist. Das Glück des gesamten Alls hängt davon ab, dass dieser Maßstab auch in der furchtbaren Krise von Sünde und Rebellion aufrechterhalten wird!

Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, wie wir uns in dieser gewaltigen Streitfrage auf Gottes Seite stellen können: indem wir anerkennen, dass alle Forderungen Gottes – von den ganz kleinen bis zu den ganz großen – „heilig, gerecht und gut“ sind (Röm 7,12) sowie absolut essenziell für das Fortbestehen Seiner vollkommenen Herrschaft im Himmel und auf der Erde. Alles andere ist effektiv ein Votum für die kosmische Rebellenfraktion. Wenn wir das übersehen, übersehen wir das Herz des großen Kampfes.

41. Die Neigung, seine Sünden und Charakterfehler zu entschuldigen, führt zu weiteren Sünden und Charakterfehlern.

Auch diese These ist fast wörtlich dem Leben Jesu entnommen (ebenso S. 300). Charakterfehler sind verfestigte Sünden. Sie entstehen durch sündiges Verhalten und vertiefen sich, je häufiger und länger das Verhalten wiederholt wird. Und je ausgeprägter ein Charakterfehler ist, desto leichter fällt es, die Sünde zu wiederholen, die ihn hervorgebracht hat. Es ist eine Wechselwirkung und ein Kreislauf – in diesem Zusammenhang wortwörtlich ein „Teufelskreis“, den wir aus eigener Kraft nicht verlassen können, selbst wenn wir es (wie der „elende Mensch“ in Römer 7) wollen.

Hier setzt das Evangelium an. Christus kam und nahm unsere Schuld auf sich, um uns freizusprechen und aus dem Klammergriff der Wiederholungssünden zu lösen. Aus der negativen Wechselwirkung macht Er eine positive und beginnt einen neuen Kreislauf mit einem neugeschaffenen Herzen, das Gehorsam lebt, woraus gute Charakterzüge entstehen, die wiederum den Gehorsam erleichtern und verfestigen. Das Geheimnis dabei ist die göttliche Gegenwart und erneuernde Kraft des Heiligen Geistes im Gläubigen:

LJ 670 Christus hat seinen Geist als eine göttliche Kraft gegeben, um alle ererbten und anerzogenen Neigungen zum Bösen zu überwinden und seiner Gemeinde sein Wesen aufzuprägen.

Der kritische Punkt ist nun, dass dieser neue Kreislauf nur in Gang gesetzt werden kann, wenn der Mensch sich zuvor schuldig bekennt. Solange er sich aber entschuldigt, bleibt der alte Teufelskreis ungemindert erhalten und setzt sich unweigerlich in immer weiteren Sünden und Charakterfehlern fort.

Das Beste, was uns in dieser deprimierenden Situation passieren kann, ist eine liebevolle Konfrontation mit der Wahrheit (Jesus tut das mit Seinem Brief an Laodizea). Das Schlimmste, was uns passieren kann, sind gutmeinende Gefährten, die Verständnis für unsere Entschuldigungen zeigen und versichern, vollständiger Gehorsam sei sowieso illusorisch, weswegen Gott ihn auch nicht von uns erwarte. Diese Haltung verhindert echte Bekehrung! Damit bleibt das Leben ohne wahre Herzenserneuerung, ohne praktischen Glauben an Christus und ohne die Erfüllung mit dem Heiligen Geist. Diese Art „christlicher Nachfolge“ ist nicht mehr als eine unerkannte Form von Selbstgerechtigkeit, übertünchte Gesetzlichkeit, „tote Werke“, die Gott niemals akzeptieren kann, weil sie menschlich produziert sind – statt göttlich vorbereitet und durch die Verdienste Jesu geheiligt.