93. Wollen wir andere dazu auffordern, „Gott zu fürchten“, „ihm die Ehre zu geben“ und ihn als Schöpfer „anzubeten“ (Off 14,7), muss sich unsere eigene Gottesfurcht in Gehorsam zeigen, müssen wir ihn in allen Lebensbereichen ehren und unseren Glauben an eine vollkommene Schöpfung der Welt in sechs Tagen darin beweisen, dass wir keinen Zweifel an einer vollkommenen Neuschöpfung des Menschen in seiner Lebenszeit haben.

Die drei abschließenden Thesen sollen einen sehr zentralen Punkt deutlich machen: Als Siebenten-Tags-Adventisten können wir unsere eigentliche Mission, das „ewige Evangelium“ der dreifachen Engelsbotschaft allen Menschen auf diesem Planeten zu verkündigen, nur dann vollmächtig und endgültig erfüllen, wenn wir die gute Nachricht der vollkommenen Gerechtigkeit Christi, die im Sünder eine völlige Verwandlung und vollständigen Gehorsam bewirkt, im Glauben annehmen und im Heiligen Geist ausleben. Unser gesamtes Lehrgebäude macht nur Sinn, wenn es die Vollkommenheit Gottes, Seines Gesetzes und Seiner Erlösung ohne Abstriche anerkennt. Tun wir dies nicht, verstricken wir uns dogmatisch in innere Widersprüche, und unsere Verkündigung wird ebenso wie unser Leben einen spürbaren Mangel an geistlicher Vollmacht offenbaren. Wir können nicht Zeugen für Gottes unendliche Liebe und die unantastbare Heiligkeit aller Seiner Ordnungen sein, wenn wir nicht selber in Wort und Tat die uneingeschränkte Gerechtigkeit Seines Gesetzes hochhalten – durch makellosen Gehorsam wie einst ein Henoch, Elia und Daniel.

Denn ebendas ist die tiefste Bedeutung von „Gott fürchten, ehren, anbeten“. Es ist Respekt, Bewunderung, Begeisterung, Liebe, Nachahmung, Eifer, Ehrfurcht – sich in der Betrachtung von Gottes Persönlichkeit und Wesen zu verlieren, bis man sich selbst vergisst und nur noch Christus in einem lebt (Gal 2,20). Und wenn Christus – der Vollkommene – Sein Leben in dir und durch dich führt, dann ist dein Leben vollkommen. Lernen wir und beten wir darum, uns in Ihm zu verlieren!

Wenn wir die erste Engelsbotschaft lesen, stellt sich die Frage: Wo ist in „Gott fürchten, ehren, anbeten“ und der „Stunde des Gerichts“ das Evangelium? Die gute, tröstliche, mächtige Nachricht besteht darin, dass dieser Gott sich als der Schöpfer Himmels und der Erde vorstellt. Er hat alles Sichtbare hervorgebracht, Belebtes wie Unbelebtes, Hohes und Tiefes, Kleines wie Großes – und das sogar „aus nichts“, einfach durch Sein Wort. So mächtig ist Er! Und diese Macht bietet Er an, zu unseren Gunsten noch einmal auszuüben – indem Er noch einmal spricht, um uns neuzuschaffen. Es gibt keine größere Macht im Universum als dieses Wort. Und es gibt keine größere Liebe und kein tieferes Mitgefühl für uns Sünder und unsere ganz persönlichen Nöte, als diesen Herrn, der mit Seinem eigenen Blut sich das Recht erwarb, die schöpferische Macht Seines Wortes für uns einzusetzen.

Es ist alles bereit, es ist für alles gesorgt. Glauben wir Ihm doch und bitten kindlich um diese Neuschöpfung – gerade wir, die wir doch Sabbat für Sabbat unseren Glauben an Seine Schöpfermacht bekennen und uns daran erinnern! Wenn in diesem Punkt unser Glauben nicht tiefer geht und mehr von Gott erwartet und erbittet als der Rest der Christenheit, wozu sind wir als Gemeinde dann da? Nur um einen Sabbat in der Theorie hochzuhalten, weil wir erkannt haben, dass die Zehn Gebote noch gültig sind? Wenn wir wirklich erkannt haben, „wie wir erkennen sollen“ (1Kor 8,2), dann kann „Anbetung des Schöpfers“ nur bedeuten, dass wir Ihm alles zutrauen – umso mehr, wo Er es doch ausdrücklich versprochen hat.

Jes 51,1 Hört auf mich, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr den HERRN sucht! Blickt hin auf den Felsen, aus dem ihr gehauen, und auf den Brunnenschacht, aus dem ihr gegraben seid!

2 Blickt hin auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch geboren hat! Denn ich rief ihn als einen einzelnen, und ich segnete ihn und mehrte ihn.

3 Denn der HERR tröstet Zion, tröstet alle seine Trümmerstätten. Und er macht seine Wüste wie Eden und seine Steppe wie den Garten des HERRN. Jubel und Freude findet man darin, Lobpreis und Stimme des Gesanges.

81. Hoffnung schaut nicht auf Sichtbares, sondern glaubt an das Unsichtbare, weil Gott es versprochen hat.

Röm 8,24 Auf Hoffnung hin sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung. Denn wer hofft, was er sieht?

25 Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren.

Gottes Versprechen erfüllen sich immer, und der höchste Beweis und die größte aller Sicherheiten und Ermutigungen, die Gott uns dafür geben konnte, war die Menschwerdung Seines Sohnes und dessen Opfer auf Golgatha als Sündenträger für die Welt. Christus ist das unbedingte JA Gottes zum gefallenen Menschen.

2Kor 1,19 Denn der Sohn Gottes, Christus Jesus, … war nicht Ja und Nein, sondern in ihm ist ein Ja geschehen.

20 Denn so viele Verheißungen Gottes es gibt, in ihm ist das Ja, deshalb auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre durch uns.

Weil Gott einen so unendlich hohen Preis für dieses Ja gezahlt hat, ist es absolut sicher und unverrückbar, dass er in demselben Namen auch das Amen sprechen wird, nämlich die Erfüllung und Vollendung jeder Verheißung. In Christus empfangen wir die Verheißung und erhalten Anrecht auf ihre Segnungen, und durch Christus erfüllt sich die Verheißung an uns. In diesem Prinzip besteht das ganze Evangelium, und es umfasst den gesamten Erlösungsplan. Christus ist für jeden von uns das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte. Wir haben daher nicht den geringsten Grund, an unserer Vervollkommnung zu zweifeln, denn ihre Verwirklichung im Heilsplan ist zutiefst verwurzelt im Wesen und Charakter Gottes.

Bedenken wir die tiefe Gewissheit, die Gott uns ins Herz pflanzen möchte und wie sie im folgenden Abschnitt zum Ausdruck kommt:

Heb 6,13 Denn als Gott dem Abraham die Verheißung gab, schwor er bei sich selbst – weil er bei keinem Größeren schwören konnte –

14 und sprach: „Wahrlich, reichlich werde ich dich segnen, und sehr werde ich dich mehren.“

15 Und so erlangte er, indem er ausharrte, die Verheißung.

16 Denn Menschen schwören bei einem Größeren, und der Eid ist ihnen zur Bestätigung ein Ende alles Widerspruchs.

17 Deshalb hat sich Gott, da er den Erben der Verheißung die Unwandelbarkeit seines Ratschlusses noch viel deutlicher beweisen wollte, mit einem Eid verbürgt,

18 damit wir durch zwei unveränderliche Dinge, bei denen Gott doch unmöglich lügen kann, einen starken Trost hätten, die wir unsere Zuflucht dazu genommen haben, die vorhandene Hoffnung zu ergreifen.

19 Diese haben wir als einen sicheren und festen Anker der Seele, der in das Innere des Vorhangs hineinreicht,

20 wohin Jesus als Vorläufer für uns hineingegangen ist, der nach der Ordnung Melchisedeks Hohepriester in Ewigkeit geworden ist.

Es ließe sich so viel zu diesen Versen sagen, aber das würde den Rahmen dieses Kommentars sprengen. Schließen wir diese These mit dem Gedanken: Der „sichere und feste Anker unserer Seele“ – unsere Hoffnung, unsere biblische „Heilsgewissheit“, wenn man es so nennen will – ist Jesus, unser Stellvertreter, Bürge und Hohepriester im himmlischen Heiligtum, dessen Leben, Tod, Auferstehung und Fürsprache das Ja und Amen dafür sind, dass aus uns Sündern wieder Heilige werden – vollkommen hergestellt wie einst Adam und Eva, ohne jeden Makel, ohne Flecken und Runzel, ohne das kleinste bisschen, was noch an die Entstellung der Sünde erinnern könnte. Was für eine große und kostbare Verheißung!

68. Vollständige Vergebung durch Christus ist gleichzeitig die Verheißung vollständiger Heiligung durch Christus. Wenn wir das Erste glauben, obwohl wir es weder sehen noch fühlen können, dürfen wir im selben Maße das Zweite glauben, obwohl wir es weder sehen noch fühlen können.

Paulus beschreibt Gottes Vorsorge im Erlösungsplan im Römerbrief:

Röm 8,29 Die er vorher erkannt hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.

30 Die er aber vorherbestimmt hat, diese hat er auch berufen; und die er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; die er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht

Auch wenn diese Verse im deutschen Perfekt stehen (griechisch im Aorist), sagen sie nicht etwa aus, dass sich bereits alles erfüllt hat, was zu unserer Erlösung notwendig ist – sonst wären wir alle schon „verherrlicht“, was offensichtlich nicht der Fall ist. Paulus stellt zuerst fest, wozu Gott uns „vorherbestimmt“ hat (nämlich „dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein“; V. 29), und erklärt dann, dass Er für alle nötigen Schritte, um zu diesem Ziel zu gelangen, vorgesorgt hat: für unsere „Berufung“, für unsere „Rechtfertigung“, für unsere „Verherrlichung“. Paulus macht in diesen Versen grundsätzliche Aussagen ohne konkreten Zeitbezug. Die entsprechende Wiedergabe im Deutschen wäre die Gegenwartsform als Ausdruck einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit: „Wen Gott vorher erkennt, den bestimmt Er auch vorher; und wen Er vorherbestimmt, den beruft Er auch; und wen Er beruft, den rechtfertigt Er auch; und wen Er rechtfertigt, den verherrlicht Er auch.“ Und als größten Beweis dafür, dass Gott Sein Werk für uns zu einem wunderbaren und vollständigen Abschluss bringen wird, führt der Apostel das Opfer Jesu an:

Röm 8,32 Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?

Das bringt zum Ausdruck, dass es absolut undenkbar ist, dass Gott die allergrößte Investition in die Menschheit tätigt, indem Er Seinen einzigen, göttlichen Sohn hingibt, dann aber versäumt, das Erlösungswerk auch bis zur Vollendung zu bringen. Ein solcher Gedanke wäre abstrus und würde Gottes Wesen völlig verkennen. Das ist die Sicherheit, die wir im Aufschauen auf Gottes Liebe, Gnade und Treue haben dürfen. In dieser Erkenntnis, die im Charakter Gottes verwurzelt ist, finden wir zu Ruhe und Geborgenheit, selbst wenn Gottes Werk für und in uns heute noch nicht vollendet ist. Doch weil Gott so ist, wie Er ist, und dies so vielfältig in Seinem Wort bezeugt hat, haben wir Frieden in der Gewissheit, dass Er, was heute noch ausstehen mag, morgen, übermorgen oder an einem beliebigen zukünftigen Tag unseres Lebens (den wir nicht zu wissen brauchen, aber Gott kennt ihn) vollenden wird. Das ist biblische „Heilsgewissheit“. Sie wächst nicht aus bereits vollendeten Tatsachen, sondern aus dem Vertrauen auf Gottes Treue, die uns mit Unvollendetem leben lässt, als wäre es bereits vollendet.

Heb 2,17 Daher musste er in allem den Brüdern gleich werden, damit er barmherzig und ein treuer Hohepriester vor Gott werde, um die Sünden des Volkes zu sühnen.

1Joh 1,9 Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.

1Kor 1,7 Daher habt ihr an keiner Gnadengabe Mangel, während ihr das Offenbarwerden unseres Herrn Jesus Christus erwartet,

8 der euch auch festigen wird bis ans Ende, sodass ihr untadelig seid an dem Tag unseres Herrn Jesus Christus.

9 Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.

1Thess 5,23 Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus!

24 Treu ist, der euch beruft; er wird es auch tun.

Die „Sühnung“ und „Reinigung“ von jeder Sünde und die Wandlung zu „völliger Heiligung“ und „Untadeligkeit“ stützt sich auf Gottes Treue. Deswegen ist Seine vollständige Vergebung für uns (der Beginn des Heilwerdens) gleichzeitig die Gewissheit unserer vollständigen Heiligung (der Abschluss des Heilwerdens).

RH, 19.8.1890 Eine Begnadigung, wie Christus sie schenkt, beinhaltet nicht nur Vergebung, sondern die Erneuerung unseres Sinnes. Der Herr sagt: „Ich werde euch ein neues Herz geben.“ (Hes 36,26) Das Bild Christi soll Geist, Herz und Seele direkt aufgeprägt werden.

MB 113 Vergebung hat eine weitere Bedeutung, als viele meinen. Gottes Vergebung ist nicht bloß ein gerichtlicher Vorgang, durch den Er unsere Verurteilung aufhebt. Sie ist nicht nur das Vergeben von Sünde, sondern das Herausnehmen aus der Sünde. Sie ist das Ausströmen erlösender, das Herz verwandelnder Liebe.

Der Prozess des Heilwerdens beginnt im Glauben, wird vom Glauben getragen und im Glauben zur Vollendung gebracht. Und Glaube ist unabhängig davon, was wir fühlen oder mit den Sinnen wahrnehmen. Er ist die Entscheidung, aus Prinzip zu vertrauen, motiviert von der Erkenntnis und Erfahrung, dass Gott uns unendlich liebt und Seinen Gnadenbund mit uns niemals brechen wird. Rettender Glaube heißt, sich über alle Gefühle hinaus auf Gottes Wort zu verlassen. Er ist der Schlüssel zu geistlicher Heilung und innerer Befreiung.

DA 203 Viele sind sich ihrer Hilflosigkeit bewusst und sehnen sich nach jenem geistlichen Leben, das sie in Einklang mit Gott bringt; sie mühen sich jedoch vergeblich, es zu erringen. Voller Verzweiflung rufen sie aus: „Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“ (Röm 7,24) Solche verzweifelten und ringenden Menschen dürfen aufschauen. Der Heiland neigt sich über die mit seinem Blut Erkauften und fragt mit unaussprechlicher Güte und herzlichem Erbarmen: „Willst du gesund werden?“ Er gebietet dir, in Gesundheit und Frieden aufzustehen. Warte nicht, bis du fühlst, dass du gesund geworden bist. Traue seinem Wort, und es wird sich an dir erfüllen. Stell deinen Willen auf die Seite Christi. Entschließe dich, ihm zu dienen. Sobald du auf sein Wort hin handelst, wirst du Kraft erhalten. Was immer du falsch gemacht haben magst und welche schwere Sünde auch durch lange Duldung deinen Körper und deine Seele gefangen hält – Christus ist in der Lage und sehnt sich danach, dich zu befreien. Er wird der Seele, die „tot“ ist in „Übertretungen“ (Eph 2,1), Leben verleihen.

57. Allein der Glaube an das nackte Wort Gottes, selbst gegen alle Erfahrung, verschafft dem Menschen Eingang ins Himmelreich. Das war der Glaube von Abraham, Jesus und Luther, und dies wird auch der Glaube „der Übrigen“ sein, „welche die Gebote Gottes halten“ (Off 12,17).

Es ist schon rätselhaft, dass wir so unbeirrt lieber unsere eigene Erfahrung rechtfertigen, statt Gottes Rechtfertigung zu erfahren. Das ist „empirische Theologie“ in direktem Gegensatz zum Glaubensvorbild Abrahams und die Essenz des „Menschen der Sünde“ (2Thess 2,3), der, statt sich selbst zu ändern, lieber Gottes Maßstab für Gerechtigkeit (= das Gesetz) ändert. In gewisser Hinsicht ist das Papsttum weit weg in Rom, was es leicht macht, Vorträge über Daniel 7 und 8 zu halten und etwa die katholische Veränderung der Zehn Gebote aufzudecken. Bei genauerer Betrachtung aber steckt in jedem von uns die gleiche Mentalität der Eigengesetzlichkeit, weil sie Teil unserer gefallenen Natur ist, die Gott und Seinen Ordnungen feindlich gegenübersteht. Die Frage ist daher: Rechtfertigen wir wirklich Gott und Sein Gesetz, oder rechtfertigen wir womöglich uns und unsere Gesetzlosigkeit?

In einem Lektionsgespräch stellte eine liebe Teilnehmerin mit Nachdruck fest, wir würden unser Leben lang Sünder bleiben. Als ich nachfragte, ob sie diese Überzeugung aus ihrer Erfahrung gewonnen habe oder aus dem Wort Gottes, wich sie aus. Das überraschte mich nicht, denn die Bibel lehrt gerade das Gegenteil: Befreiung aus der Macht der Sünde und Beherrschung aller zerstörerischen Neigungen durch ein Leben im Heiligen Geist.

Es ist zwar keine angenehme Schlussfolgerung, aber tatsächlich ist eine Theologie, die die eigene Erfahrung zum Maßstab für das Bibelverständnis macht, prinzipiell nicht besser als die sinnesbetonten Erlebnisse eines Charismatikers oder des Besuchers einer katholischen Messe. Sie alle setzen ihr eigenes Erleben höher an als das klare Wort Gottes. Beachten wir dagegen die Qualität des Glaubens Abrahams – gegen alle Erfahrung und menschliche Vernunft:

Röm 4,17 (Schlachter) … vor Gott, dem er [Abraham] glaubte, der die Toten lebendig macht und dem ruft, was nicht ist, als wäre es da.

18 Er hat da, wo nichts zu hoffen war, auf Hoffnung hin geglaubt, dass er ein Vater vieler Völker werde, gemäß der Zusage: “So soll dein Same sein!”

19 Und er wurde nicht schwach im Glauben und zog nicht seinen Leib in Betracht, der schon erstorben war, weil er fast hundertjährig war; auch nicht den erstorbenen Mutterleib der Sara.

20 Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark durch den Glauben, indem er Gott die Ehre gab

21 und völlig überzeugt war, dass Er das, was Er verheißen hat, auch zu tun vermag.

22 Darum wurde es ihm auch als Gerechtigkeit angerechnet.

Dieser Abschnitt ist so tief und deutlich, dass er allein schon das ewige Evangelium verständlich macht. Abrahams Glaube bestand darin, Gott alles zuzutrauen, was Er versprochen hatte, vollkommen unabhängig von äußeren Umständen und inneren Unmöglichkeiten. Es war bedingungsloses Vertrauen. Diese Art Glaube war die Grundlage seiner „angerechneten Gerechtigkeit“ (V. 22). Und die Bibel beschreibt Abrahams Glauben deshalb so ausführlich, weil er zeigt, von welcher Qualität unser Glaube sein muss, wenn uns die gleiche Gerechtigkeit angerechnet werden soll:

Röm 4,23 Es steht aber nicht allein um seinetwillen geschrieben, dass es ihm angerechnet worden ist,

24 sondern auch um unsertwillen, denen es angerechnet werden soll, wenn wir an den glauben, der unseren Herrn Jesus aus den Toten auferweckt hat …

Dieser Glaube anerkennt, dass Gott nichts unmöglich ist, weil Er sogar in der Lage ist, Tote aufzuerwecken und aus dem Nichts zu schaffen (V. 17.24). Das Thema der Totenauferweckung ist auch in anderen Bibelabschnitten zentral, weil sie Gottes unbegrenzte Macht demonstriert, alles in uns hervorzubringen, was Ihm gefällt, völlig unabhängig von der „Qualität des Ausgangsmaterials“ (unserem sündigen Wesen)!

Kol 2,11 In ihm seid ihr auch beschnitten worden mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschehen ist, sondern im Ausziehen des fleischlichen Leibes, in der Beschneidung des Christus,

12 mit ihm begraben in der Taufe, in ihm auch mit auferweckt durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den Toten auferweckt hat.

13 Und euch, die ihr tot wart in den Vergehungen und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, hat er mit lebendig gemacht mit ihm, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat.

Eph 1,18 Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr wisst, was die Hoffnung seiner Berufung, was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen

19 und was die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, ist, nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke.

20 Die hat er in Christus wirksam werden lassen, indem er ihn aus den Toten auferweckt und zu seiner Rechten in der Himmelswelt gesetzt hat …

Der Wunsch von Paulus nach „Erleuchtung“ für die Epheser in Vers 18 und 19 ist ungemein wichtig für uns heute – eine Gemeinde, die Jesus „blind“ nennt: Gott muss unsere inneren Augen erleuchten, damit wir erkennen, zu was für einer überreichen Hoffnung wir eigentlich berufen sind (zu einem vollkommenen, christusähnlichen Charakter = das weiße Kleid) und wie „überragend groß die Kraft“ ist, die in uns zum Wirken kommt, wenn wir glauben (= von Jesus Gold kaufen – den festen Glauben an Gottes unbegrenzte Möglichkeiten zu unserem Heil). Dies ist „der Glaube Jesu“, und er führt zum vollständigen „Halten der Gebote Gottes“ (Off 14,12). Erst wenn wir zu diesem Glauben finden, indem wir ihn von Christus empfangen, können wir die uns zugewiesene Rolle als Endzeitgemeinde einnehmen und das „ewige Evangelium“ um die ganze Welt tragen.

Ellen White schrieb 1893 sehnsüchtig klagend:

1888M 1099 O, warum erhebt sich Christi Gemeinde nicht und legt ihre wunderschönen Gewänder an? Warum leuchtet sie nicht? Der wesentliche Grund für so ein schwaches Christentum ist, dass diejenigen, die angeblich die Wahrheit glauben, Christus so wenig kennen und eine so geringe Vorstellung davon haben, was Er für sie sein möchte und was sie durch Ihn sein können. Wir haben die feierlichsten, bedeutsamsten Wahrheiten, die je Sterblichen anvertraut worden sind. Wären unsere Worte, unsere Gedanken, unsere Taten reiner und erhabener, mehr in Übereinstimmung mit dem heiligen Glauben, den wir bekennen, dann würden wir unsere Verantwortung in einem ganz anderen Licht sehen. Wie feierlich, wie heilig würde sie erscheinen! Wir hätten ein tieferes Bewusstsein unserer Pflichten und würden es zu unserem beständigen Ziel machen, die Heiligkeit in der Furcht Gottes zu vollenden.

25. Dem bekehrten, in lebendiger Gemeinschaft mit Christus lebenden Gläubigen „ist alles möglich“ (Mk 9,23).

Mk 9,23 Jesus aber sprach zu ihm: Wenn du das kannst? Dem Glaubenden ist alles möglich.

1SM 310 Niemand erbt Heiligkeit als Geburtsrecht oder kann mit irgendwelchen selbsterdachten Methoden Gott treu werden. „Ohne mich“, sagt Christus, „könnt ihr nichts tun.“ (Joh 15,5) Menschliche Gerechtigkeit ist wie ein „beflecktes Kleid“. Doch mit Gott ist alles möglich. In der Stärke des Erlösers kann ein schwacher, irrender Mensch das Böse, das ihn bedrängt, mehr als überwinden. (vgl. 1FG 326)

OHC 76 Mach es dir nicht auf Satans Lehnstuhl gemütlich, indem du dir sagst, es sei nutzlos, du könnest das Sündigen nicht lassen, in dir sei keine Kraft zum Überwinden. Getrennt von Christus ist keine Kraft in dir, doch es ist dein Vorrecht, Christus durch den Glauben in deinem Herzen wohnen zu haben, und Er kann die Sünde in dir besiegen, wenn du mit seinen Bemühungen zusammenwirkst

COL 332f. Wenn der Wille des Menschen mit Gottes Willen kooperiert, wird er allmächtig. Was immer auf Gottes Befehl hin getan werden muss, kann in seiner Stärke vollbracht werden. Alle seine Bitten sind Befähigungen.

Wenn „mit Gott“, „durch den Glauben“ und mit „Christus im Herzen“ „alles möglich“ ist, ja wenn der menschliche Wille durch das Zusammenwirken mit Gott sogar „allmächtig“ wird, dann beinhaltet dies, dass Gott uns „vollkommenen Gehorsam“ ermöglicht, dessen Praktizierung einen „vollkommenen Charakter“ hervorbringen wird. Dann aber ist die uns verliehene Gerechtigkeit ebenso weitreichend und vollständig wie die uns zugesprochene. Diese vollständige, vollkommene Erlösung ist der Kern des Evangeliums, und auf diese wunderbare Gabe aufmerksam zu machen, die Absicht dieser 95 Thesen.

11. Der mangelhafte Glaube verhindert die Erfahrung vollständiger Rechtfertigung aus Glauben, von Jesus als „Nacktheit“ diagnostiziert.

Was ich weder für nötig noch für möglich halte, werde ich auch nicht in Anspruch nehmen – weil ich gar nicht daran glaube. Viele halten es für das Evangelium, „gesund gesprochen“ statt „gesund gemacht“ zu werden. Tatsächlich aber gibt es so einen Zustand gar nicht, denn alle, die Christus während seines irdischen Wirkens „gesund sprach“, wurden im selben Zuge „gesund gemacht“. Eine „Rechtfertigung“, die „gerecht spricht“, ohne „gerecht zu machen“, ist tatsächlich nicht mehr als eine eingebildete Rechtfertigung, und Menschen, die diesem Glauben anhängen, sind in Wirklichkeit „nackt“ – ohne das Kleid der Gerechtigkeit Jesu.

Das ist die trügerische Situation, aus der Christus seine Gemeinde durch die Botschaft an Laodizea befreien will. Er möchte in uns den Glauben an die unbegrenzte Macht seines göttlichen Wortes entfachen – dass es in uns genau das hervorbringen wird, was es beinhaltet: Gerechtigkeit, was nur ein anderes Wort ist für Heiligkeit, Liebe, Vollkommenheit.

Jes 55,10 Denn wie der Regen fällt und vom Himmel der Schnee und nicht dahin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt, sie befruchtet und sie sprießen lässt, dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot dem Essenden,

11 so wird mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht. Es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird bewirken, was mir gefällt, und ausführen, wozu ich es gesandt habe.

Würden wir mehr den Geist der Weissagung lesen und glauben, was Gott uns darin sagt, die Warnungen ebenso wie die unzähligen Ermutigungen und Verheißungen, so hätte die Gemeinde ihren Laodizea-Zustand längst erkannt und im Glauben an Gottes Liebe, Güte und Macht überwunden. Hier nur eine von vielen Stellen, wo Ellen White deutlich macht, worin rettender Glaube wirklich besteht:

3SM 360 Am Tag des Gerichts wird das Leben desjenigen, der seine menschliche Fehlerhaftigkeit und Unvollkommenheit behalten hat, nicht gerechtfertigt werden. Für ihn wird im Himmel kein Platz sein. Er hätte keine Freude an der Vollkommenheit der Heiligen im Licht. Wer nicht genug Glauben an Christus hat, um zu vertrauen, dass Er ihn vor dem Sündigen bewahren kann, hat nicht den Glauben, der ihm Eintritt in das Reich Gottes verschaffen wird.

Nicht wenige Geschwister reagieren auf so eine Aussage mit „Heulen und Zähneklappen“ und fühlen sich furchtbar entmutigt und vom Heil ausgeschlossen. Der Grund dafür ist, dass sie auf sich selbst schauen statt auf ihren Erlöser. Ihre bedrückende Seelenlast wird verschwinden, sobald sie ihre Augen fest auf Jesus und Seine grenzenlose Liebe zum gefallenen Menschen und Seine unbeschränkte Rettermacht richten.

Denn immer finden sich in solchen mahnenden Worten auch wunderbare, mächtige Verheißungen, an die wir uns klammern dürfen – in diesem Fall: Du kannst Christus vertrauen, dass Er dich vor dem Sündigen bewahren kann! Und wenn du in diesem Glauben an Christus festhältst – vielmehr dich von Ihm festhalten lässt –, so wird dir einmal „reichlich gewährt werden der Eingang“ in das Reich Gottes (2Pe 1,11). DAS sollen und dürfen wir aus Zitaten wie diesem herauslesen und für uns persönlich in Anspruch nehmen! Wir dürfen und sollen glauben, kindlich und grenzenlos vertrauen. Der diese Verheißungen ausgesprochen hat, liebt uns und hat Sein Leben dafür gelassen, uns zu heilen und für immer zu sich zu holen. Er kann nicht lügen, und Er wird vollenden, was Er in uns begonnen hat, wenn wir Ihm glauben. Leg deine Hände, mögen sie auch zittern, in die Seinen, und lass dich von Ihm halten, leiten und heilen! Er ist unser Friede.

10. Das mangelhafte Verständnis der eigenen Verlorenheit führt zu einem mangelhaften Verständnis des Rettungswerkes Jesu und einem Mangel an Glauben an dieses Werk, von Jesus als „Armut“ diagnostiziert.

Wenn ein Krebskranker mit einem Rezept für Kamillentee zufrieden ist, versteht er offensichtlich seine Situation nicht. Aus demselben Grund wird er aber auch kein Bedürfnis verspüren, seinen Arzt zu wechseln. Erschwerend kommt womöglich hinzu, dass er mit vielen anderen Kranken Umgang hat, die gleichsam ihre tägliche Tasse Tee genießen und die Symptome ihrer Erkrankung für normal halten.

Krankheit lässt sich nur richtig definieren, wenn man einen klaren Begriff von Gesundheit hat. Es ist der Kontrast zu voller Gesundheit, der den Umfang eines Leidens sichtbar macht. Die biblische Definition von Gesundheit ist Gerechtigkeit, Heiligkeit, Reinheit, Liebe, Vollkommenheit. Nur im Vergleich dazu können wir unser geistliches Leiden richtig einordnen. Hier einige weitere Sätze aus dem in These 9 zitierten Abschnitt in Erfahrungen und Gesichte:

EG 62f. Ich sah auch, dass viele nicht erkennen, was sie sein müssen, um in der Zeit der Trübsal ohne einen Hohepriester im Heiligtum vor Gottes Angesicht zu leben. Diejenigen, die das Siegel des lebendigen Gottes empfangen und in der Zeit der Trübsal gesichert sind, müssen das Bild Jesu vollkommen widerstrahlen

Ich sah, dass keiner an der Erquickung teilhaben kann, der nicht den Sieg über jegliche Sünde, über Stolz, Selbstsucht, Liebe zur Welt und über jedes unrechte Wort und jede unrechte Tat erlangt hat.

Das inspirierte Wort definiert geistliche Gesundheit hier als „das Bild Jesu vollkommen widerstrahlen“ und „Sieg über jegliche Sünde“ in Wort und Tat. Diese Gesundheit wiederherzustellen, ist das wahre, wunderbare Werk unseres göttlichen Arztes. Nur im Kontrast zu dieser Gesundheit (die Adam und Eva einst besaßen) erkennen wir, wie ernst unsere Krankheit wirklich ist – und suchen echte Hilfe bei Christus. Und Gott sei Dank – Er ist nicht nur überaus willig, sondern auch uneingeschränkt fähig, uns einmal mehr mit jener makellosen Gesundheit auszustatten, und zwar durch das „Kleid“ seines eigenen göttlichen, liebenden Wesens!