65. Statt sich vom eigenen Unvermögen entmutigen zu lassen, sollten Adventisten vielmehr auf ihren Vater Abraham schauen, der seinem und Saras hohem Alter zum Trotz „Gott die Ehre gab“, indem er „der vollen Gewissheit (war), dass er, was er verheißen habe, auch zu tun vermöge“ (Röm 4,20.21).

Sein eigenes Unvermögen zu erleben, ist eine Erfahrung, die jeder Mensch durchmacht und für die wir Gott eigentlich dankbar sein können. Sie ist ein unverzichtbarer Schritt, um das Herz für das Evangelium zu öffnen – Vergebung und Neuschöpfung durch den Glauben an Jesus Christus als persönlichen Erlöser. Wäre Gottes Gesetz nicht ein so ungeschönter Spiegel, würden wir unseren wahren Zustand niemals erkennen und mehr oder weniger immer auf unsere eigenen „Stärken“ und Taten vertrauen. Wir brauchen das „Römer-7-Erlebnis“, damit unsere Selbstgerechtigkeit bedingungslos kapituliert – damit wir nichts mehr von uns erwarten, dafür aber alles von Jesus.

Nicht weniger wesentlich ist aber, dass wir aus unserer „elenden“ Situation (Röm 7,24) die richtigen Konsequenzen ziehen, d. h., das tun, wozu der Herr uns an dieser Stelle einlädt: uns völlig Ihm zu übergeben, damit Er in uns ein neues Leben im Einklang mit Gott beginnen kann. Ein wichtiges Bild für diesen radikalen Wechsel ist Tod und Auferstehung, symbolisiert in der Taufe. Der Römerbrief beschreibt an vielen Stellen, worin „das neue Leben“, zu dem wir dann auferstehen, besteht:

Röm 6,4 So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln

6 da wir dies erkennen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen.

Röm 6,17 Gott aber sei Dank, dass ihr Sklaven der Sünde wart, aber von Herzen gehorsam geworden seid dem Bild der Lehre, dem ihr übergeben worden seid!

18 Frei gemacht aber von der Sünde, seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden …

22 Jetzt aber, von der Sünde frei gemacht und Gottes Sklaven geworden, habt ihr eure Frucht zur Heiligkeit, als das Ende aber ewiges Leben.

Röm 7,11 Die Sünde ergriff durch das Gebot die Gelegenheit, täuschte mich und tötete mich durch dasselbe …

4 So seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht bringen

6 Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, worin wir festgehalten wurden, sodass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens …

8,4 damit die Rechtsforderung des Gesetzes erfüllt wird in uns, die wir nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln

Das neue Leben heißt demnach: durch den Geist Gottes nicht mehr der Sünde dienen, sondern Gott und der Gerechtigkeit; von Herzen gehorchen; das Gesetz erfüllen und so für Gott Frucht tragen, nämlich Heiligkeit, was am Ende zu ewigem Leben führt. Das Geheimnis dieses neuen Lebens ist die Gegenwart des Geistes in uns, doch der Geist kann nur dann das Neue hervorbringen, wenn das Alte gestorben ist. Diese zwei Dinge sind untrennbar miteinander verbunden. Wer im Glauben mit Christus stirbt, steht auch mit Ihm zu einem neuen Leben auf. Wer nicht stirbt, erlebt auch keine Auferstehung.

Anders gesagt: Wir können nur dann in den Genuss der Vergebung gelangen, wenn wir zu einer grundlegenden Abkehr von unserem alten Leben und zu einer völligen Übergabe an den Heiligen Geist bereit sind. Das ist nichts anderes als biblische Buße. Wenn wir in dieser inneren Verfassung und im Vertrauen auf die Verdienste unseres Erlösers zu Gott kommen, empfangen wir Vergebung und die Gerechtigkeit, die der Heilige Geist hervorbringt, indem Er uns zu einem neuen Leben auferweckt.

Es gibt hier eine leicht erkennbare, aber sehr bedeutungsvolle Abfolge von zwei Schritten: 1) Tod durch das Gesetz, 2) Auferstehung durch den Geist. Das meint Paulus, wenn er sagt:

2Kor 3,6 Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.

Gal 2,19 Ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben …  20 … Christus lebt in mir.

Der Tod zeigt sich darin, dass ich „der Sünde nicht mehr diene“ (Röm 6,6); die Auferstehung zeigt sich darin, dass ich nun „der Gerechtigkeit“ diene (6,18), also Gottes Gesetz erfülle. Damit weist uns der Römerbrief auf einen wesentlichen Grund dafür hin, warum unsere Versuche, das neue Leben zu führen, so oft scheitern: Wir sind gegenüber unserem alten Leben mit seinen Sünden nicht „gestorben“, daher kann uns der Geist nicht zu dem neuen Leben „auferwecken“.

Neues Leben kommt nur aus dem Tod. Der alte Mensch (= unsere Selbstgerechtigkeit) muss tot sein, dann wird Gott ein neues Leben (= Seine Glaubensgerechtigkeit) schaffen. Das ist die große Lektion aus dem Leben Abrahams. Beachten wir, mit welchen Worten Paulus die Situation bei der Zeugung Isaaks beschreibt: Abraham hatte einen „schon erstorbenen Leib“, Sara einen „erstorbenen Mutterleib“ (Röm 4,19 SCH), bevor Isaak, der Sohn der Verheißung, entstand. Doch Abraham glaubte an einen Gott, „der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre“ (V. 17). Er gab dadurch „Gott die Ehre“, dass er „der vollen Gewissheit war, dass er, was er verheißen habe, auch zu tun vermöge“ (V. 20.21). „Darum ist es ihm auch zur Gerechtigkeit gerechnet worden.“ Es war der Glaube „eines Toten“ an den „Gott, der Tote auferweckt“, der zu Abrahams Rechtfertigung führte. Dieser Punkt ist von entscheidender Wichtigkeit, denn:

Röm 4,23 Es ist aber nicht allein seinetwegen geschrieben, dass es ihm zugerechnet worden ist,

24 sondern auch unsertwegen, denen es zugerechnet werden soll, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat.

Es gibt für alle Menschen nur einen Weg, Rechtfertigung zu erlangen, und das ist der Weg Abrahams. Aber Laodizea ist noch nicht an diesem Punkt. Es gibt eine Menge „Ismaels“ in unserer Zeit – scheinbare Abkürzungen zur Erfüllung des verheißenen Segens. Wir haben unsere Versuche der Selbstrettung noch nicht konsequent aufgegeben, ebenso wenig wie unser altes Leben mit seinen Lieblingssünden, in die wir gerne mal zurückfallen und dafür auch schnell eine „Entschuldigung“ parat haben. Wir sind noch nicht an dem Punkt des Todes, wie Abraham und Sara es waren, und oft haben wir Angst davor, unser Lebensruder vollständig in Gottes Hand zu geben – dem eigenwilligen Ich „zu sterben“. Als Folge herrschen Lauheit und ein Mangel am Heiligen Geist. Also wartet Jesus auf die Bereitschaft zur Selbsterkenntnis, wirbt um „eifrige Buße“ und bietet uns das Gold völligen Vertrauens an, damit das neue Leben im Kleid Seiner Gerechtigkeit Wirklichkeit werden kann.

Gott alles zuzutrauen einschließlich unserer sittlichen Vervollkommnung, vor allem, wenn Er dies in zahlreichen Bibelversen doch ausdrücklich versprochen hat, „gibt Ihm die Ehre“ (Röm 4,20). Abraham traute Gott alles zu, und in diesem Vertrauen lernte er wahre „Gottesfurcht“ (1Mo 22,12), als er seinen einzigen Sohn Isaak auf dem Berg Morija darbrachte. Das hat uns viel zu sagen, die wir unter der Botschaft des ersten Engels leben: „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre“ (Off 14,7).

57. Allein der Glaube an das nackte Wort Gottes, selbst gegen alle Erfahrung, verschafft dem Menschen Eingang ins Himmelreich. Das war der Glaube von Abraham, Jesus und Luther, und dies wird auch der Glaube „der Übrigen“ sein, „welche die Gebote Gottes halten“ (Off 12,17).

Es ist schon rätselhaft, dass wir so unbeirrt lieber unsere eigene Erfahrung rechtfertigen, statt Gottes Rechtfertigung zu erfahren. Das ist „empirische Theologie“ in direktem Gegensatz zum Glaubensvorbild Abrahams und die Essenz des „Menschen der Sünde“ (2Thess 2,3), der, statt sich selbst zu ändern, lieber Gottes Maßstab für Gerechtigkeit (= das Gesetz) ändert. In gewisser Hinsicht ist das Papsttum weit weg in Rom, was es leicht macht, Vorträge über Daniel 7 und 8 zu halten und etwa die katholische Veränderung der Zehn Gebote aufzudecken. Bei genauerer Betrachtung aber steckt in jedem von uns die gleiche Mentalität der Eigengesetzlichkeit, weil sie Teil unserer gefallenen Natur ist, die Gott und Seinen Ordnungen feindlich gegenübersteht. Die Frage ist daher: Rechtfertigen wir wirklich Gott und Sein Gesetz, oder rechtfertigen wir womöglich uns und unsere Gesetzlosigkeit?

In einem Lektionsgespräch stellte eine liebe Teilnehmerin mit Nachdruck fest, wir würden unser Leben lang Sünder bleiben. Als ich nachfragte, ob sie diese Überzeugung aus ihrer Erfahrung gewonnen habe oder aus dem Wort Gottes, wich sie aus. Das überraschte mich nicht, denn die Bibel lehrt gerade das Gegenteil: Befreiung aus der Macht der Sünde und Beherrschung aller zerstörerischen Neigungen durch ein Leben im Heiligen Geist.

Es ist zwar keine angenehme Schlussfolgerung, aber tatsächlich ist eine Theologie, die die eigene Erfahrung zum Maßstab für das Bibelverständnis macht, prinzipiell nicht besser als die sinnesbetonten Erlebnisse eines Charismatikers oder des Besuchers einer katholischen Messe. Sie alle setzen ihr eigenes Erleben höher an als das klare Wort Gottes. Beachten wir dagegen die Qualität des Glaubens Abrahams – gegen alle Erfahrung und menschliche Vernunft:

Röm 4,17 (Schlachter) … vor Gott, dem er [Abraham] glaubte, der die Toten lebendig macht und dem ruft, was nicht ist, als wäre es da.

18 Er hat da, wo nichts zu hoffen war, auf Hoffnung hin geglaubt, dass er ein Vater vieler Völker werde, gemäß der Zusage: “So soll dein Same sein!”

19 Und er wurde nicht schwach im Glauben und zog nicht seinen Leib in Betracht, der schon erstorben war, weil er fast hundertjährig war; auch nicht den erstorbenen Mutterleib der Sara.

20 Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark durch den Glauben, indem er Gott die Ehre gab

21 und völlig überzeugt war, dass Er das, was Er verheißen hat, auch zu tun vermag.

22 Darum wurde es ihm auch als Gerechtigkeit angerechnet.

Dieser Abschnitt ist so tief und deutlich, dass er allein schon das ewige Evangelium verständlich macht. Abrahams Glaube bestand darin, Gott alles zuzutrauen, was Er versprochen hatte, vollkommen unabhängig von äußeren Umständen und inneren Unmöglichkeiten. Es war bedingungsloses Vertrauen. Diese Art Glaube war die Grundlage seiner „angerechneten Gerechtigkeit“ (V. 22). Und die Bibel beschreibt Abrahams Glauben deshalb so ausführlich, weil er zeigt, von welcher Qualität unser Glaube sein muss, wenn uns die gleiche Gerechtigkeit angerechnet werden soll:

Röm 4,23 Es steht aber nicht allein um seinetwillen geschrieben, dass es ihm angerechnet worden ist,

24 sondern auch um unsertwillen, denen es angerechnet werden soll, wenn wir an den glauben, der unseren Herrn Jesus aus den Toten auferweckt hat …

Dieser Glaube anerkennt, dass Gott nichts unmöglich ist, weil Er sogar in der Lage ist, Tote aufzuerwecken und aus dem Nichts zu schaffen (V. 17.24). Das Thema der Totenauferweckung ist auch in anderen Bibelabschnitten zentral, weil sie Gottes unbegrenzte Macht demonstriert, alles in uns hervorzubringen, was Ihm gefällt, völlig unabhängig von der „Qualität des Ausgangsmaterials“ (unserem sündigen Wesen)!

Kol 2,11 In ihm seid ihr auch beschnitten worden mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschehen ist, sondern im Ausziehen des fleischlichen Leibes, in der Beschneidung des Christus,

12 mit ihm begraben in der Taufe, in ihm auch mit auferweckt durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den Toten auferweckt hat.

13 Und euch, die ihr tot wart in den Vergehungen und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, hat er mit lebendig gemacht mit ihm, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat.

Eph 1,18 Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr wisst, was die Hoffnung seiner Berufung, was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen

19 und was die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, ist, nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke.

20 Die hat er in Christus wirksam werden lassen, indem er ihn aus den Toten auferweckt und zu seiner Rechten in der Himmelswelt gesetzt hat …

Der Wunsch von Paulus nach „Erleuchtung“ für die Epheser in Vers 18 und 19 ist ungemein wichtig für uns heute – eine Gemeinde, die Jesus „blind“ nennt: Gott muss unsere inneren Augen erleuchten, damit wir erkennen, zu was für einer überreichen Hoffnung wir eigentlich berufen sind (zu einem vollkommenen, christusähnlichen Charakter = das weiße Kleid) und wie „überragend groß die Kraft“ ist, die in uns zum Wirken kommt, wenn wir glauben (= von Jesus Gold kaufen – den festen Glauben an Gottes unbegrenzte Möglichkeiten zu unserem Heil). Dies ist „der Glaube Jesu“, und er führt zum vollständigen „Halten der Gebote Gottes“ (Off 14,12). Erst wenn wir zu diesem Glauben finden, indem wir ihn von Christus empfangen, können wir die uns zugewiesene Rolle als Endzeitgemeinde einnehmen und das „ewige Evangelium“ um die ganze Welt tragen.

Ellen White schrieb 1893 sehnsüchtig klagend:

1888M 1099 O, warum erhebt sich Christi Gemeinde nicht und legt ihre wunderschönen Gewänder an? Warum leuchtet sie nicht? Der wesentliche Grund für so ein schwaches Christentum ist, dass diejenigen, die angeblich die Wahrheit glauben, Christus so wenig kennen und eine so geringe Vorstellung davon haben, was Er für sie sein möchte und was sie durch Ihn sein können. Wir haben die feierlichsten, bedeutsamsten Wahrheiten, die je Sterblichen anvertraut worden sind. Wären unsere Worte, unsere Gedanken, unsere Taten reiner und erhabener, mehr in Übereinstimmung mit dem heiligen Glauben, den wir bekennen, dann würden wir unsere Verantwortung in einem ganz anderen Licht sehen. Wie feierlich, wie heilig würde sie erscheinen! Wir hätten ein tieferes Bewusstsein unserer Pflichten und würden es zu unserem beständigen Ziel machen, die Heiligkeit in der Furcht Gottes zu vollenden.