69. Ein Mittlerdienst, der immer wieder Vergebung bietet, jedoch keine vollständige Heiligung, würde die Sünde verlängern statt wegnehmen und Christus zu einem „Diener der Sünde“ (Gal 2,17) machen. „Gehorsam ist besser als Schlachtopfer“! (1Sam 15,22)

Im Galaterbrief schreibt der Apostel:

Gal 2,17 Wenn aber auch wir selbst, die wir in Christus gerechtfertigt zu werden suchen, als Sünder befunden wurden – ist dann also Christus ein Diener der Sünde? Das ist ausgeschlossen.

Der Begriff „Diener“ bezieht sich auf Jesu Dienst als Hohepriester im Heiligtum. Paulus stellt damit die unausgesprochene Frage vieler damaliger Juden an den „neuen“ Christusglauben: „Wenn ihr sagt, dass ihr vor Gott ebenso Sünder seid wie die Heiden, und euch statt auf Gesetzesgehorsam auf Christus beruft, wird dann der Glaube nicht zum Ersatz für Gehorsam? Wird nicht der Mittlerdienst Jesu zu einer Einrichtung für straffreies Sündigen?“ Paulus weist diese Möglichkeit entschieden von sich und antwortet: „Ausgeschlossen!“ (ELB) oder, wie viele andere Bibeln übersetzen: „Das sei ferne!“

Dieselbe entschiedene Ablehnung gilt auch heute. Der Erlösungsplan ist keiner Weise dazu gedacht, Gesetzesübertretung zu erleichtern, indem die Folgen vom Übertreter ferngehalten werden, sondern hat in jeder Hinsicht den Zweck, die Sünde mitsamt ihren furchtbaren Konsequenzen wirksam und auf ewig zu entfernen. Viele Textstellen der Heiligen Schrift bezeugen dies:

3Mo 16,30 Denn an diesem Tag [Versöhnungstag] wird man für euch Sühnung erwirken, um euch zu reinigen: von all euren Sünden werdet ihr rein sein vor dem HERRN.

Ps 17,3 Du hast mein Herz geprüft, mich in der Nacht durchforscht; du hast mich geläutert, und du hast nichts gefunden, worin ich mich vergangen hätte mit meinen Gedanken oder mit meinem Mund.

Jes 1,18 Kommt denn und lasst uns miteinander rechten! spricht der HERR. Wenn eure Sünden rot wie Karmesin sind, wie Schnee sollen sie weiß werden. Wenn sie rot sind wie Purpur, wie Wolle sollen sie werden.

Jer 50,20 In jenen Tagen und zu jener Zeit, spricht der HERR, wird Israels Schuld gesucht werden, und sie wird nicht da sein, – und die Sünden Judas, und sie werden nicht gefunden werden; denn ich will denen vergeben, die ich übriglasse.

Joh 1,29 Am folgenden Tag sieht Johannes Jesus auf sich zukommen und spricht: Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!

1Joh 3,5 Und ihr wisst, dass er geoffenbart worden ist, damit er die Sünden wegnehme; und Sünde ist nicht in ihm …

8 Wer die Sünde tut, ist aus dem Teufel, denn der Teufel sündigt von Anfang an. Hierzu ist der Sohn Gottes geoffenbart worden, damit er die Werke des Teufels [die Sünde] vernichte.

Off 7,14 Diese sind es, die aus der großen Bedrängnis kommen, und sie haben ihre Gewänder gewaschen und sie weiß gemacht im Blut des Lammes.

Off 14,5 Und in ihrem Mund wurde kein Falsch gefunden; sie sind untadelig.

Viele haben ungefähr folgende Vorstellung von Rettung: Der Sünder kommt zu Jesus, empfängt im Glauben vollständige Vergebung und ist nun „ein erlöstes Gotteskind“. Dann folgt, weil sie „irgendwie dazugehört“, die Heiligung – das Bemühen um ein besseres Leben, das mit wechselndem, aber insgesamt doch mäßigem Erfolg mehr schlecht als recht verläuft, weswegen man auch als Gläubiger eigentlich ständig von der Vergebung lebt, die im Heiligtum glücklicherweise grenzenlos zur Verfügung steht. Wer auf diese Weise bis zum Schluss „am Glauben festhält“, empfängt bei der Versiegelung / Verwandlung / Auferstehung schlagartig ein absolut makelloses, vollkommenes Wesen und wird ab diesem Zeitpunkt bis in alle Ewigkeit nie wieder Gottes Gebote übertreten.

Wäre dieses Szenario biblisch, müsste man sich fragen, warum in Gottes Drei-Schritte-Heilsplan „Vergebung – Heiligung – Verwandlung“ Schritt 1 und 3 (Vergebung und Verwandlung) auf Anhieb so tadellos funktionieren, Schritt 2 (Heiligung) dagegen sichtbar und spürbar „lahmt“. Fraglich wäre weiterhin, warum Schritt 2 obligatorisch ist („ohne Heiligung wird niemand den Herrn schauen“; Heb 12,14), wenn es doch viel effektiver wäre, den ausgesprochen erfolgreichen Schritt 3 der Verwandlung vorzuziehen und damit nicht nur dem Gläubigen lebenslange Mühen zu ersparen, sondern auch der Welt ein unbestreitbares Zeugnis der erlösenden Kraft Gottes zu geben. Ein Heilsweg in zwei Schritten, wo der Vergebung (Bekehrung) unmittelbar die Verwandlung folgt, würde unzählige Sünden gläubiger Menschen verhindern, allen Beteiligten viel Leid ersparen und den Heiligtumsdienst Jesu deutlich vereinfachen …

Zurück zur biblischen Realität. Es gibt keine Abkürzung zum Heil und zur Vollkommenheit. Der Erlösungsplan und Jesu himmlischer Heiligtumsdienst sind, so wie sie sind, optimal und unverbesserlich. Sie tragen die göttliche Handschrift des Einen, dessen Werke alle vollkommen sind. Alle drei Schritte des Erlösungsplanes sind gleichermaßen wirksam und gleichermaßen unverzichtbar. Es ist nicht Gottes Heiligung, die „lahmt“, sondern unser Glaube, sie zu ergreifen, unsere Einsicht, ihre Notwendigkeit zu erfassen, und auch unser Verständnis dafür, wie sie überhaupt zu erlangen ist.

1Sam 15,22 Gehorsam ist besser als Schlachtopfer.

Ich wünschte, wir würden diesen kurzen Satz tief verinnerlichen, denn er weist auf etwas äußerst Wesentliches hin: Das Ziel des Heiligtumsdienstes ist nicht Vergebung („Schlachtopfer“) als Dauerzustand, sondern Gehorsam als Dauerzustand. Jesu Leben und Sterben hatten den Zweck, für unseren Ungehorsam zu bezahlen und unseren Gehorsam zu ermöglichen. Jesu Mittlerdienst im Himmel dient dazu, uns willigen Gehorsam zu schenken und ihn in uns zu festigen. Wenn uns dieser Gehorsam in Fleisch und Blut übergangen ist – der Heilige Geist das Gesetz Gottes in Herz und Sinn geschrieben hat –, dann ist endgültig das „gesühnt“, „weggenommen“ und „vernichtet“, was die Schleusentore des Elends für diese Welt geöffnet hat: der menschliche Ungehorsam, die Sünde. Dann ist die ursprüngliche Vollkommenheit des Menschen – und des Universums – wiederhergestellt. Dass wir am Ende auch noch einen neuen, unsterblichen Körper erhalten (die Verwandlung), ist dann nur noch das (vegane) „Sahnehäubchen“.

68. Vollständige Vergebung durch Christus ist gleichzeitig die Verheißung vollständiger Heiligung durch Christus. Wenn wir das Erste glauben, obwohl wir es weder sehen noch fühlen können, dürfen wir im selben Maße das Zweite glauben, obwohl wir es weder sehen noch fühlen können.

Paulus beschreibt Gottes Vorsorge im Erlösungsplan im Römerbrief:

Röm 8,29 Die er vorher erkannt hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.

30 Die er aber vorherbestimmt hat, diese hat er auch berufen; und die er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; die er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht

Auch wenn diese Verse im deutschen Perfekt stehen (griechisch im Aorist), sagen sie nicht etwa aus, dass sich bereits alles erfüllt hat, was zu unserer Erlösung notwendig ist – sonst wären wir alle schon „verherrlicht“, was offensichtlich nicht der Fall ist. Paulus stellt zuerst fest, wozu Gott uns „vorherbestimmt“ hat (nämlich „dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein“; V. 29), und erklärt dann, dass Er für alle nötigen Schritte, um zu diesem Ziel zu gelangen, vorgesorgt hat: für unsere „Berufung“, für unsere „Rechtfertigung“, für unsere „Verherrlichung“. Paulus macht in diesen Versen grundsätzliche Aussagen ohne konkreten Zeitbezug. Die entsprechende Wiedergabe im Deutschen wäre die Gegenwartsform als Ausdruck einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit: „Wen Gott vorher erkennt, den bestimmt Er auch vorher; und wen Er vorherbestimmt, den beruft Er auch; und wen Er beruft, den rechtfertigt Er auch; und wen Er rechtfertigt, den verherrlicht Er auch.“ Und als größten Beweis dafür, dass Gott Sein Werk für uns zu einem wunderbaren und vollständigen Abschluss bringen wird, führt der Apostel das Opfer Jesu an:

Röm 8,32 Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?

Das bringt zum Ausdruck, dass es absolut undenkbar ist, dass Gott die allergrößte Investition in die Menschheit tätigt, indem Er Seinen einzigen, göttlichen Sohn hingibt, dann aber versäumt, das Erlösungswerk auch bis zur Vollendung zu bringen. Ein solcher Gedanke wäre abstrus und würde Gottes Wesen völlig verkennen. Das ist die Sicherheit, die wir im Aufschauen auf Gottes Liebe, Gnade und Treue haben dürfen. In dieser Erkenntnis, die im Charakter Gottes verwurzelt ist, finden wir zu Ruhe und Geborgenheit, selbst wenn Gottes Werk für und in uns heute noch nicht vollendet ist. Doch weil Gott so ist, wie Er ist, und dies so vielfältig in Seinem Wort bezeugt hat, haben wir Frieden in der Gewissheit, dass Er, was heute noch ausstehen mag, morgen, übermorgen oder an einem beliebigen zukünftigen Tag unseres Lebens (den wir nicht zu wissen brauchen, aber Gott kennt ihn) vollenden wird. Das ist biblische „Heilsgewissheit“. Sie wächst nicht aus bereits vollendeten Tatsachen, sondern aus dem Vertrauen auf Gottes Treue, die uns mit Unvollendetem leben lässt, als wäre es bereits vollendet.

Heb 2,17 Daher musste er in allem den Brüdern gleich werden, damit er barmherzig und ein treuer Hohepriester vor Gott werde, um die Sünden des Volkes zu sühnen.

1Joh 1,9 Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.

1Kor 1,7 Daher habt ihr an keiner Gnadengabe Mangel, während ihr das Offenbarwerden unseres Herrn Jesus Christus erwartet,

8 der euch auch festigen wird bis ans Ende, sodass ihr untadelig seid an dem Tag unseres Herrn Jesus Christus.

9 Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.

1Thess 5,23 Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus!

24 Treu ist, der euch beruft; er wird es auch tun.

Die „Sühnung“ und „Reinigung“ von jeder Sünde und die Wandlung zu „völliger Heiligung“ und „Untadeligkeit“ stützt sich auf Gottes Treue. Deswegen ist Seine vollständige Vergebung für uns (der Beginn des Heilwerdens) gleichzeitig die Gewissheit unserer vollständigen Heiligung (der Abschluss des Heilwerdens).

RH, 19.8.1890 Eine Begnadigung, wie Christus sie schenkt, beinhaltet nicht nur Vergebung, sondern die Erneuerung unseres Sinnes. Der Herr sagt: „Ich werde euch ein neues Herz geben.“ (Hes 36,26) Das Bild Christi soll Geist, Herz und Seele direkt aufgeprägt werden.

MB 113 Vergebung hat eine weitere Bedeutung, als viele meinen. Gottes Vergebung ist nicht bloß ein gerichtlicher Vorgang, durch den Er unsere Verurteilung aufhebt. Sie ist nicht nur das Vergeben von Sünde, sondern das Herausnehmen aus der Sünde. Sie ist das Ausströmen erlösender, das Herz verwandelnder Liebe.

Der Prozess des Heilwerdens beginnt im Glauben, wird vom Glauben getragen und im Glauben zur Vollendung gebracht. Und Glaube ist unabhängig davon, was wir fühlen oder mit den Sinnen wahrnehmen. Er ist die Entscheidung, aus Prinzip zu vertrauen, motiviert von der Erkenntnis und Erfahrung, dass Gott uns unendlich liebt und Seinen Gnadenbund mit uns niemals brechen wird. Rettender Glaube heißt, sich über alle Gefühle hinaus auf Gottes Wort zu verlassen. Er ist der Schlüssel zu geistlicher Heilung und innerer Befreiung.

DA 203 Viele sind sich ihrer Hilflosigkeit bewusst und sehnen sich nach jenem geistlichen Leben, das sie in Einklang mit Gott bringt; sie mühen sich jedoch vergeblich, es zu erringen. Voller Verzweiflung rufen sie aus: „Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“ (Röm 7,24) Solche verzweifelten und ringenden Menschen dürfen aufschauen. Der Heiland neigt sich über die mit seinem Blut Erkauften und fragt mit unaussprechlicher Güte und herzlichem Erbarmen: „Willst du gesund werden?“ Er gebietet dir, in Gesundheit und Frieden aufzustehen. Warte nicht, bis du fühlst, dass du gesund geworden bist. Traue seinem Wort, und es wird sich an dir erfüllen. Stell deinen Willen auf die Seite Christi. Entschließe dich, ihm zu dienen. Sobald du auf sein Wort hin handelst, wirst du Kraft erhalten. Was immer du falsch gemacht haben magst und welche schwere Sünde auch durch lange Duldung deinen Körper und deine Seele gefangen hält – Christus ist in der Lage und sehnt sich danach, dich zu befreien. Er wird der Seele, die „tot“ ist in „Übertretungen“ (Eph 2,1), Leben verleihen.

54. Laodizeas Grundproblem ist eine unvollständige Bekehrung, was eine unvollständige Heiligung und einen unvollständigen Sieg über Sünde zur Folge hat.

In einem Brief vom 19. April 1903 appellierte Ellen White an Dr. John H. Kellogg, den berühmten Arzt und Leiter des adventistischen Battle Creek Sanitarium:

Ich bitte dich von ganzem Herzen: Übergib dich Gott rückhaltlos, und tu es jetzt, in diesem Moment. Wenn du diese Übergabe vollziehst, wirst du ein völlig anderes Glaubensleben haben, als du seit vielen Jahren hast. Dann wirst du mit dem Apostel Paulus sagen können: „Ich achte alles für Schaden gegenüber der alles übertreffenden Erkenntnis Christi“ (Phil 3,8). „Ich habe Lust an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen“ (Röm 7,22).

Weitere Aussagen:

FE 502 Gott ist durchaus in der Lage, uns in der Welt [vor Sünde] zu bewahren, solange wir nicht von der Welt sind. Seine Liebe ist nicht unsicher und wechselhaft. Unaufhörlich wacht er über seinen Kindern mit einer Fürsorge, die unermesslich und ewig ist. Doch verlangt er unsere ungeteilte Hingabe.

3T 370f. Wie Gottes Geschenk [Jesu Menschwerdung] an den Menschen freiwillig und seine Liebe grenzenlos war, so grenzenlos ist auch sein Anspruch auf unsere Zuversicht, unseren Gehorsam, unser ganzes Herz und unsere übersprudelnde Zuneigung. Er verlangt alles, was der Mensch zu geben imstande ist. Die Hingabe unsererseits muss sich an Gottes Gabe messen; sie muss vollständig und in jeder Hinsicht lückenlos sein … Er erwartet prompten und willigen Gehorsam und wird nichts weniger akzeptieren.

1897 schrieb sie in einem Artikel „Das Leben als Christ“:

12MR 50 Das Ich muss aus unserem Innern verbannt sein, sonst kann „Christus in uns“, die Hoffnung der Herrlichkeit, nicht sichtbar werden … Die Wiedergeburt ist eine seltene Erfahrung heutzutage. Das ist der Grund für die vielen Probleme in den Kirchen [o. Gemeinden]. Viele, sehr viele, die den Namen Christi annehmen, sind ungeheiligt und unheilig. Sie sind getauft, doch sie wurden lebendig begraben. Das Ich ist nicht gestorben, darum sind sie auch nicht zu einem neuen Leben in Christus auferstanden.

Etwas später macht sie deutlich, dass es unser Ich ist (= eine unvollständige Bekehrung), das den Weg zu christlicher Vollkommenheit (= vollständige Heiligung) blockiert; doch sobald es stirbt, kann der Heilige Geist uneingeschränkt in uns wirken, um genau dies hervorzubringen. Weil ihre Beschreibung für unser Thema sehr wertvoll ist, zitiere ich etwas ausführlicher:

52 Was erwartet Gott? Vollkommenheit, nichts weniger als Vollkommenheit. Aber wenn wir vollkommen sein wollen, dürfen wir kein Vertrauen auf uns selbst setzen. Täglich müssen wir daran denken und verstehen, dass das Ich nicht vertrauenswürdig ist. Mit festem Glauben müssen wir Gottes Verheißungen ergreifen. Wir müssen um den Heiligen Geist bitten, im vollen Bewusstsein unserer Hilflosigkeit. Wenn dann der Heilige Geist wirkt, werden wir nicht uns selbst die Ehre geben. Der Heilige Geist wird das Herz unter seine gnädige Obhut nehmen und die hellen Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit ganz auf es scheinen lassen. Durch Gottes Macht werden wir dann im Glauben bewahrt …

55 Es ist Gottes Wohlgefallen und Wille, dass die Segnungen für den Menschen vollständig und vollkommen sind. Er hat Vorsorge getroffen, dass durch den Heiligen Geist jede Schwierigkeit gelöst und jeder Bedarf gedeckt wird. Seine Absicht dahinter ist, dass der Mensch einen vollkommenen christlichen Charakter entwickelt. Gott möchte, dass wir seine Liebe und seine Versprechen betrachten, die er denen so großzügig schenkt, die keine eigenen Verdienste haben. Er möchte, dass wir uns völlig, dankbar und freudig auf die Gerechtigkeit verlassen, die uns in Christus zur Verfügung steht. Wer auf dem von Gott vorgesehenen Weg zu ihm kommt, stößt bei ihm auf offene Ohren.

„Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden so verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht.“ (2Kor 3,18) Christus anzuschauen bedeutet, sein im Wort Gottes beschriebenes Leben zu studieren. Wir müssen nach der Wahrheit graben wie nach einem verborgenen Schatz. Unser Blick muss unverwandt auf Christus gerichtet sein. Wenn wir ihn als persönlichen Erlöser annehmen, erhalten wir Freimütigkeit, vor den Gnadenthron zu kommen. Durch Anschauen werden wir verwandelt – sittlich dem Einen gleich, dessen Charakter vollkommen ist. Indem wir seine zugerechnete Gerechtigkeit empfangen, werden wir durch die umwandelnde Macht des Heiligen Geistes wie er. Das Bild Christi ist uns kostbar und vereinnahmt das ganze Wesen.

Es gibt fast unendlich viele Zitate im Geist der Weissagung zu dieser Thematik und wahrscheinlich gerade zum Thema Laodizea noch viel treffendere als die aufgeführten. Eines aber durchzieht sie alle wie ein roter Faden: Gottes Vorsorge für ein siegreiches, heiliges Leben und die Entwicklung eines vollkommenen christlichen Charakters ist überschwänglich, und die Gründe dafür, dass diese Erfahrung dennoch so rar ist, sind ausnahmslos beim Menschen zu suchen. Es sind Dinge wie die Liebe zum Ich oder zur Welt, die uns von einer vollständigen Bekehrung abhalten und so das vollmächtige, wesenverwandelnde Wirken des Geistes in uns verhindern. Das ist der Grund, dass Christus tatsächlich von außen um Einlass in unser Herz wirbt:

Off 3,20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, so werde ich zu ihm hineingehen und das Mahl mit ihm essen und er mit mir.

53. Die Vollständigkeit einer Phase ist die Voraussetzung für die Vollständigkeit der nächsten.

Die biblischen Bilder für Bekehrung sind eindeutig: Man kann nicht halb sterben oder halb begraben werden oder halb geboren werden. Man kann nicht halb Licht sein und halb Finsternis. Man kann nicht gleichzeitig sammeln und zerstreuen (Mt 12,30). Dieselbe Quelle kann nicht süßes und bitteres Wasser hervorsprudeln (Jak 3,11). Im Gleichnis von der kostbaren Perle schildert Schwester White, dass eine „halbe Bekehrung“ letztendlich gar keine Bekehrung ist:

COL 118 Manche Menschen scheinen ständig auf der Suche nach der himmlischen Perle zu sein. Doch sie vollziehen keine komplette Übergabe ihrer schlechten Gewohnheiten. Ihr Ich stirbt nicht, damit Christus in ihnen leben kann. Darum finden sie die kostbare Perle auch nicht. Sie haben ihren unheiligen Ehrgeiz und ihre Liebe für weltliche Reize nicht überwunden. Sie nehmen nicht das Kreuz auf sich, um Christus auf dem Weg der Selbstverleugnung und des Opferbringens zu folgen. Als „fast Christen“, aber nicht „ganz Christen“, scheinen sie dem Himmelreich nahe und können doch nicht hinein. Fast, aber nicht ganz gerettet, heißt nicht fast, sondern ganz verloren. (vgl. CGl 116)

Denken wir daran:

2Mo 20,3 Du sollst keine andern Götter haben neben mir …

5 … Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott

Stellen wir uns vor, eine Ehe bricht auseinander, weil die Frau immer wieder fremdgeht. Nach einiger Zeit tut ihr das Lotterleben leid, und sie kehrt reumütig zu ihrem Mann zurück und bittet um Wiederaufnahme. Sie schaut ihm in die Augen und versichert eindringlich: „Von jetzt an möchte ich bei dir sein! Für dich werde ich alle meine Liebhaber aufgeben – außer einem. Sieben Tage in der Woche bin ich ganz dein – nur an einem einzigen Abend möchte ich mal zwei Stunden für mein altes Leben haben. Das wäre bloß 1 % der Woche; 99 % der Zeit wäre ich ausschließlich für dich da, voll und ungeteilt!“

Welcher normal empfindende Mensch würde auf so einen Vorschlag eingehen? Niemand! Und sollte Gott es? Eine Beziehung wie die Ehe ist per Definition 100 % exklusiv. Da ist kein „Verhandlungsspielraum“! Gott hat es so in den Menschen hineingelegt, weil es ein Spiegel Seines eigenen Empfindens ist. Es gibt kein Glück in einer Dreierbeziehung, selbst wenn es nur das eine Prozent wäre, das man dem Nebenbuhler widmete. Christus ist nicht bereit, das Herz mit Satan zu teilen – nicht weil Er „habgierig“ wäre, sondern weil es schlicht unmöglich ist.

Mt 6,24 Niemand kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird einem anhängen und den anderen verachten.

Wäre Heiligung möglich, wenn die Bekehrung nicht vollständig ist? Stellen wir uns Heiligung als ein Gemälde vor, das kunstvoll auf einer weißen Leinwand entsteht. Die Leinwand ist unser Charakter, das Modell ist Christus. Der göttliche Maler ist der Heilige Geist, dem wir uns ausgeliefert und damit die Erlaubnis gegeben haben, nach Belieben dort farbige Striche aufzutragen, wo Er will. Doch im Hintergrund ist ein zweiter „Maler“, und jedes Mal, wenn der erste den 99. Pinselstrich getan hat, tritt der finstere Konkurrent hervor und setzt mit seiner eigenen Farbe und dort, wo es ihm gefällt, den Strich Nr. 100. Welcher Maler würde unter solchen Bedingungen arbeiten wollen? Und wie würde dieser „Künstlerstreit“ sich wohl auf das Gemälde auswirken? Ein einziger Strich würde verderben, was 99 Striche zuvor zierreich herausgearbeitet haben.

Es ist nicht möglich, von Sünde frei zu werden, solange wir Satan noch bewusst Einfluss in unserem Leben gewähren. Es ist nicht möglich, das Gewand des Charakters im Blut des Lammes zu waschen (Off 7,14), solange jemand daneben steht, der es immer wieder mit Dreck bewirft. Alle Türen (besonders die Hintertüren) müssen dem Bösen verschlossen werden. Das bedeutet nicht, dass wir nicht mehr fallen können oder dass alles umsonst gewesen wäre, wenn wir gefallen sind – keineswegs! Es bedeutet aber, dass, soweit Gott uns Selbsterkenntnis schenkt, wir Ihm alles ausliefern müssen. Es ist in gewisser Weise das Maximum, was wir geben können, aber zugleich das Minimum, das Gott akzeptieren kann.

Es gibt in der Tat keine exklusivere Beziehung als zwischen dem Schöpfer und Seinem Geschöpf und zwischen dem Erlöser und Seinen Erlösten. Nur unter der Bedingung der Ausschließlichkeit können wir den Weg des Heils betreten. Der Heilige Geist braucht völlige Kontrolle über uns. Dann wird Er Sein gutes Werk nicht nur beginnen, sondern auch zu einem wunderbaren Abschluss bringen!

12MR 53 Der Heilige Geist wirkt dann, wenn das Ich sich nicht einschaltet.

Jud 1,24 Dem aber, der mächtig genug ist, euch ohne Straucheln zu bewahren und euch unsträflich, mit Freuden vor das Angesicht seiner Herrlichkeit zu stellen,

25 dem allein weisen Gott, unserem Retter, gebührt Herrlichkeit und Majestät, Macht und Herrschaft jetzt und in alle Ewigkeit! Amen.