16. Mangelnde Gotteserkenntnis führt am Ende in den Tod: „Mein Volk kommt um aus Mangel an Erkenntnis.“ (Hos 4,6) Die Laodizea-Botschaft ist daher eine Frage von Leben oder Tod.

EG 263 Ich sah, dass das Zeugnis des wahren Zeugen nicht halb beachtet worden ist. Das feierliche Zeugnis, von welchem das Schicksal der Gemeinde abhängt, ist nur oberflächlich geschätzt, wenn nicht gänzlich missachtet worden. Dies Zeugnis muss tiefe Reue wirken; alle, die es in Wahrheit annehmen, werden demselben gehorchen und gereinigt werden.

1Sch 58f. Der Engel sagte: „Gott wird sein Wirken immer mehr darauf einstellen, den einzelnen seines Volkes zu prüfen und zu erproben.“ Manche sind bereit, die eine Prüfung hinzunehmen; führt Gott sie aber in eine andere Situation, so schrecken sie zurück, weil sie meinen, irgendeine ihrer liebsten Gewohnheitssünden werde davon betroffen … Wer jedoch alle Prüfungen besteht und überwindet, ganz gleich für welchen Preis, hat den Rat des treuen Zeugen beachtet, wird den Spätregen empfangen und somit würdig sein für die Aufnahme ins Reich Gottes …

Beachten wir den letzten Satz: Die Botschaft an Laodizea dient der Vorbereitung auf den Spätregen. Der Spätregen wiederum leitet die letzte weltweite Evangeliumsverkündigung, den „lauten Ruf“ ein, kurz bevor Christus kommt. Anders gesagt: Der Grund für die lange Verzögerung der Wiederkunft seit 1844 ist, dass Gottes Gemeinde noch immer nicht die Laodizea-Botschaft angenommen und umgesetzt hat! Denn ist das einmal geschehen, werden die noch ausstehenden Ereignisse bis zum Kommen Jesu sehr schnell ablaufen. Der Himmel wartet auf uns.

15. Eine Gemeinde, die sich selbst nicht kennt, beweist, dass sie Gott nicht kennt.

Laodizeas Blindheit betrifft nicht nur das Selbstbild, sondern auch die Erkenntnis des Charakters Gottes. Selbstzufriedenheit spricht Bände davon, wie wenig jemand von der Reinheit, Güte, Heiligkeit, Liebe und Majestät Gottes erkannt hat. Wo immer in der Heiligen Schrift Menschen Gott begegneten, fielen sie im Bewusstsein ihrer Sündigkeit und totalen Unwürdigkeit in den Staub. Sie demütigten sich. Sie verabscheuten ihre „eigene Gerechtigkeit“, weil sie sich in Seiner Gegenwart im wahren Licht sahen. Diese Erfahrung fehlt uns bitter und zeigt sich nicht zuletzt in einer immer größeren Verflachung der Gottesdienste und mangelnden Ehrfurcht im Haus Gottes.

Auch hartnäckiger, immer wiederkehrender Ungehorsam ist ein Zeichen dafür, dass wir unser geistliches Vorrecht nicht ausschöpfen, Gott ganz persönlich kennenzulernen, denn:

DA 668 Wenn wir Gott so kennen, wie es unser Vorrecht ist, werden wir ein Leben beständigen Gehorsams führen. Weil wir Christi Charakter so wertschätzen und Gemeinschaft mit Gott haben, werden wir die Sünde hassen. (vgl. LJ 666)

Durch die Erkenntnis Seiner Güte, Reinheit und Liebenswürdigkeit zieht Gott uns zu sich, und indem wir seine Liebe erwidern, beginnen wir die Sünde zu hassen und überwinden den Drang, der Versuchung nachzugeben. Wir mögen viel darüber reden, wie wichtig und zentral die Liebesbeziehung zu Jesus ist, doch die Wahrheit unseres Redens, Glaubens und Liebens zeigt sich darin, ob wir Seinen Willen tun und die Sünde lassen.

1Joh 2,4 Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht.

14. Eine unwissentlich oberflächliche Gemeinde ist eine unwissentlich laue Gemeinde.

1SM 316 Unwissenheit und Selbstzufriedenheit gehen Hand in Hand.

Laodizea müsste nicht unwissend sein. Gott hat alles dafür getan, dass wir uns nicht täuschen. Der Geist der Weissagung ist augenöffnend und überdeutlich in dieser Hinsicht. Doch viele haben es versäumt, ihn persönlich zu studieren, und sich stattdessen auf die Beteuerungen anderer verlassen.

COL 315 Gott verlangt von seinen Kindern Vollkommenheit. Sein Gesetz ist eine Durchschrift seines eigenen Charakters und der Maßstab für jeden Charakter. Dieser unendliche Maßstab ist allen vor Augen gestellt, damit keiner sich darüber täuscht, was für Menschen Gottes Königreich bilden werden.

COL 330 Sittliche Vollkommenheit wird von jedem erwartet. Niemals sollten wir den Maßstab für Gerechtigkeit erniedrigen, um vererbte oder selbst gepflegte Neigungen zu falschem Handeln zu tolerieren. Wir müssen begreifen, dass Unvollkommenheit des Charakters Sünde ist.

13. Ein oberflächliches Verständnis der Krankheit führt zu einer oberflächlichen Behandlung ohne rettende Wirkung.

Das Problem einer falschen Theologie, die ein oberflächliches Evangelium verkündigt, ist ein sehr altes. Jeremia schreibt über das Volk Gottes seiner Zeit:

Jer 8,8 Wie könnt ihr sagen: Wir sind weise, und das Gesetz des HERRN ist bei uns? In der Tat! Siehe, zur Lüge hat es der Lügengriffel der Schriftgelehrten gemacht …

11 Und den Bruch der Tochter meines Volkes heilen sie oberflächlich, indem sie sagen: Friede, Friede! – und da ist doch kein Friede.

Heute glauben und verkünden viele, Erlösung sei die Zurechnung des Heils im Sinne von Vergebung. Gehorsam und Heiligung seien zwar eine notwendige Folge, doch wie weit sie gingen, sei letztlich nicht entscheidend. Das aber würde nichts anderes bedeuten, als entweder Sünder in den Himmel zu nehmen, was unmöglich ist, oder den „fehlenden Teil der Heiligung“ schlagartig bei der Wiederkunft bzw. Verwandlung der Gläubigen zu ergänzen, was ebenso unmöglich ist.

ML 248 So etwas wie „spontane Heiligung“ gibt es nicht.

Wir müssen verstehen, dass die Vorstellung einer „unvollständigen Heiligung“, die in so vielen Köpfen existiert, ein Ding der Unmöglichkeit ist. Würde der Herr uns nicht vollständig heiligen, wären wir nicht „fast heilig“, sondern unheilig. Würde Er uns nicht vollkommene Gerechtigkeit geben, wären wir nicht „weitgehend gerecht“, sondern ungerecht. Würde eine Sünde in unserem Herzen verbleiben, die das Blut Jesu nicht abgewaschen hätte, wären wir nicht Überwinder, sondern Sünder. Wir wären genau dort, wo Adam und Eva waren, als sie das Paradies wegen einer kleinen Sünde verlassen mussten. Und ebendiese eine kleine Sünde, hätten wir sie nicht abgelegt, würde uns so wahr den Weg ins Paradies versperren, so wahr die ersten Menschen deshalb vertrieben worden sind.

Doch dies muss nicht sein und wird auch nicht sein, wenn wir uns Christus ganz anvertrauen und Seinen Geist frei in uns wirken lassen. Der Herr hat uns so viele großartige und kostbare Verheißungen geschenkt – Zusagen wie diese:

1Joh 1,9 Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.

2Kor 9,8 Gott aber ist mächtig, euch jede Gnade im Überfluss zu spenden, sodass ihr in allem allezeit alle Genüge habt und überreich seid zu jedem guten Werk.

Phil 1,6 Der, welcher in euch ein gutes Werk angefangen hat, wird es auch vollenden bis auf den Tag Jesu Christi.

Heb 13,20 Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe aus den Toten heraufgeführt hat durch das Blut eines ewigen Bundes, unseren Herrn Jesus,

21 vollende euch in allem Guten, damit ihr seinen Willen tut, indem er in uns schafft, was vor ihm wohlgefällig ist, durch Jesus Christus, dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

12. Die göttlichen Heilmittel „Augensalbe, Gold und weiße Kleider“ werden in Umfang und Tiefe falsch eingeschätzt, weil die geistlichen Leiden, die sie heilen sollen, in Umfang und Tiefe falsch eingeschätzt werden.

So etwa würde Laodizea die göttlichen Heilmittel erklären:

  • Augensalbe ist die Erkenntnis, dass ich zu meiner Erlösung nichts beitragen kann.
  • Gold ist der Glaube, dass Gott mich annimmt, obwohl ich ein Sünder bin.
  • Das weiße Kleid ist Jesu Gerechtigkeit, die mir zugerechnet wird und mich so im Gericht bestehen lässt.

Und das ist im Grundsatz, was die Bibel und der Geist der Weissagung lehren:

  • Augensalbe ist die Erkenntnis, dass ich zu meiner Erlösung nichts aus mir selbst beitragen kann, sie aber dennoch meine ganze Hingabe erfordert.
  • Gold ist der Glaube, dass Gott mich annimmt, obwohl ich ein Sünder bin, und dazu befähigt, jede Sünde zu überwinden.
  • Das weiße Kleid ist Jesu Gerechtigkeit, die mir zugerechnet und verliehen wird und mich so im Gericht bestehen lässt.

11. Der mangelhafte Glaube verhindert die Erfahrung vollständiger Rechtfertigung aus Glauben, von Jesus als „Nacktheit“ diagnostiziert.

Was ich weder für nötig noch für möglich halte, werde ich auch nicht in Anspruch nehmen – weil ich gar nicht daran glaube. Viele halten es für das Evangelium, „gesund gesprochen“ statt „gesund gemacht“ zu werden. Tatsächlich aber gibt es so einen Zustand gar nicht, denn alle, die Christus während seines irdischen Wirkens „gesund sprach“, wurden im selben Zuge „gesund gemacht“. Eine „Rechtfertigung“, die „gerecht spricht“, ohne „gerecht zu machen“, ist tatsächlich nicht mehr als eine eingebildete Rechtfertigung, und Menschen, die diesem Glauben anhängen, sind in Wirklichkeit „nackt“ – ohne das Kleid der Gerechtigkeit Jesu.

Das ist die trügerische Situation, aus der Christus seine Gemeinde durch die Botschaft an Laodizea befreien will. Er möchte in uns den Glauben an die unbegrenzte Macht seines göttlichen Wortes entfachen – dass es in uns genau das hervorbringen wird, was es beinhaltet: Gerechtigkeit, was nur ein anderes Wort ist für Heiligkeit, Liebe, Vollkommenheit.

Jes 55,10 Denn wie der Regen fällt und vom Himmel der Schnee und nicht dahin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt, sie befruchtet und sie sprießen lässt, dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot dem Essenden,

11 so wird mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht. Es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird bewirken, was mir gefällt, und ausführen, wozu ich es gesandt habe.

Würden wir mehr den Geist der Weissagung lesen und glauben, was Gott uns darin sagt, die Warnungen ebenso wie die unzähligen Ermutigungen und Verheißungen, so hätte die Gemeinde ihren Laodizea-Zustand längst erkannt und im Glauben an Gottes Liebe, Güte und Macht überwunden. Hier nur eine von vielen Stellen, wo Ellen White deutlich macht, worin rettender Glaube wirklich besteht:

3SM 360 Am Tag des Gerichts wird das Leben desjenigen, der seine menschliche Fehlerhaftigkeit und Unvollkommenheit behalten hat, nicht gerechtfertigt werden. Für ihn wird im Himmel kein Platz sein. Er hätte keine Freude an der Vollkommenheit der Heiligen im Licht. Wer nicht genug Glauben an Christus hat, um zu vertrauen, dass Er ihn vor dem Sündigen bewahren kann, hat nicht den Glauben, der ihm Eintritt in das Reich Gottes verschaffen wird.

Nicht wenige Geschwister reagieren auf so eine Aussage mit „Heulen und Zähneklappen“ und fühlen sich furchtbar entmutigt und vom Heil ausgeschlossen. Der Grund dafür ist, dass sie auf sich selbst schauen statt auf ihren Erlöser. Ihre bedrückende Seelenlast wird verschwinden, sobald sie ihre Augen fest auf Jesus und Seine grenzenlose Liebe zum gefallenen Menschen und Seine unbeschränkte Rettermacht richten.

Denn immer finden sich in solchen mahnenden Worten auch wunderbare, mächtige Verheißungen, an die wir uns klammern dürfen – in diesem Fall: Du kannst Christus vertrauen, dass Er dich vor dem Sündigen bewahren kann! Und wenn du in diesem Glauben an Christus festhältst – vielmehr dich von Ihm festhalten lässt –, so wird dir einmal „reichlich gewährt werden der Eingang“ in das Reich Gottes (2Pe 1,11). DAS sollen und dürfen wir aus Zitaten wie diesem herauslesen und für uns persönlich in Anspruch nehmen! Wir dürfen und sollen glauben, kindlich und grenzenlos vertrauen. Der diese Verheißungen ausgesprochen hat, liebt uns und hat Sein Leben dafür gelassen, uns zu heilen und für immer zu sich zu holen. Er kann nicht lügen, und Er wird vollenden, was Er in uns begonnen hat, wenn wir Ihm glauben. Leg deine Hände, mögen sie auch zittern, in die Seinen, und lass dich von Ihm halten, leiten und heilen! Er ist unser Friede.

10. Das mangelhafte Verständnis der eigenen Verlorenheit führt zu einem mangelhaften Verständnis des Rettungswerkes Jesu und einem Mangel an Glauben an dieses Werk, von Jesus als „Armut“ diagnostiziert.

Wenn ein Krebskranker mit einem Rezept für Kamillentee zufrieden ist, versteht er offensichtlich seine Situation nicht. Aus demselben Grund wird er aber auch kein Bedürfnis verspüren, seinen Arzt zu wechseln. Erschwerend kommt womöglich hinzu, dass er mit vielen anderen Kranken Umgang hat, die gleichsam ihre tägliche Tasse Tee genießen und die Symptome ihrer Erkrankung für normal halten.

Krankheit lässt sich nur richtig definieren, wenn man einen klaren Begriff von Gesundheit hat. Es ist der Kontrast zu voller Gesundheit, der den Umfang eines Leidens sichtbar macht. Die biblische Definition von Gesundheit ist Gerechtigkeit, Heiligkeit, Reinheit, Liebe, Vollkommenheit. Nur im Vergleich dazu können wir unser geistliches Leiden richtig einordnen. Hier einige weitere Sätze aus dem in These 9 zitierten Abschnitt in Erfahrungen und Gesichte:

EG 62f. Ich sah auch, dass viele nicht erkennen, was sie sein müssen, um in der Zeit der Trübsal ohne einen Hohepriester im Heiligtum vor Gottes Angesicht zu leben. Diejenigen, die das Siegel des lebendigen Gottes empfangen und in der Zeit der Trübsal gesichert sind, müssen das Bild Jesu vollkommen widerstrahlen

Ich sah, dass keiner an der Erquickung teilhaben kann, der nicht den Sieg über jegliche Sünde, über Stolz, Selbstsucht, Liebe zur Welt und über jedes unrechte Wort und jede unrechte Tat erlangt hat.

Das inspirierte Wort definiert geistliche Gesundheit hier als „das Bild Jesu vollkommen widerstrahlen“ und „Sieg über jegliche Sünde“ in Wort und Tat. Diese Gesundheit wiederherzustellen, ist das wahre, wunderbare Werk unseres göttlichen Arztes. Nur im Kontrast zu dieser Gesundheit (die Adam und Eva einst besaßen) erkennen wir, wie ernst unsere Krankheit wirklich ist – und suchen echte Hilfe bei Christus. Und Gott sei Dank – Er ist nicht nur überaus willig, sondern auch uneingeschränkt fähig, uns einmal mehr mit jener makellosen Gesundheit auszustatten, und zwar durch das „Kleid“ seines eigenen göttlichen, liebenden Wesens!

9. Die mangelnde Reue unter Adventisten ist ein Zeichen mangelnder Selbst- und Gotteserkenntnis, von Jesus als „Blindheit“ diagnostiziert.

Würde Gottes Volk heute ebenso Reue, Sündenbekenntnis und Versöhnung praktizieren wie Jesu Jünger in den zehn Tagen nach der Himmelfahrt, so würde der Herr nicht anders antworten als damals und seinen Geist in nie dagewesener Fülle auf uns ausgießen. Es gab dazu in der Adventgeschichte immer wieder vielversprechende Ansätze, etwa in den Jahren 1856/57 oder auf der Generalkonferenz von 1893. Alle diese Erweckungsbewegungen waren von tiefer Reue und Selbsterkenntnis gekennzeichnet, doch keine von ihnen war von Dauer oder erfasste die Gemeinde in ihrer Breite.

Heute wissen wir nicht mehr viel von diesen bedeutsamen Ereignissen, und das erschwert unsere Selbsterkenntnis. Da wir schon so lange von Lauheit umgeben sind, haben wir sie fast als Normalfall akzeptiert und unser Bild von Gott entsprechend verharmlost – zu einem toleranten, umgänglichen, lieben „Papa“. Deswegen wirkt eine Beschreibung wie die folgende auf viele wie ein böses Märchen aus einer fremden Welt:

EG 61-63 Ich sah ein Licht von der Herrlichkeit ausgehen, die den Vater umgab, und als es nahe zu mir kam, zitterte ich wie ein Blatt am Baum. Ich dachte, wenn es mir näher käme, müsste ich aufhören zu leben; aber das Licht ging an mir vorbei. Dann konnte ich mir einen Begriff von dem großen und schrecklichen Gott machen, mit dem wir es zu tun haben

Diejenigen, die sich nicht durch die Propheten wollen zurichten lassen, die es versäumten, ihre Seele zu reinigen, indem sie der ganzen Wahrheit gehorchen, und die ihren Zustand für besser halten, als er wirklich ist, werden zur Zeit, wenn die Plagen kommen, aufwachen und erkennen, dass es nötig war, für den Bau behauen und zugerichtet zu werden … Lasst uns daran denken, dass Gott heilig ist und dass nur heilige Wesen ewig in seiner Gegenwart wohnen können.

Beachten wir, wie Ellen White hier zwei Dinge miteinander verbindet: mangelnde Erkenntnis von Gott (Seiner Heiligkeit) und mangelnde Selbsterkenntnis (den eigenen Zustand für besser halten, als er ist). Weil Laodizea wenig Begriff von seiner Sündigkeit hat, hat es auch wenig Begriff von Gottes Heiligkeit – und umgekehrt. Auf eine Gemeinde in diesem Zustand der „Realitätsferne“ trifft auf erschreckende Weise das Wort zu:

Am 5,18 Wehe denen, die den Tag des HERRN herbeiwünschen! Wozu soll euch denn der Tag des HERRN sein? Er wird Finsternis sein und nicht Licht.

Daher ist es Gnade, dass Gott unseren Wunsch nach der Wiederkunft noch nicht erhört hat.

8. Gleichzeitig kann ein Mensch die Größe der Güte Gottes erst erahnen, wenn er die Größe seiner Schuld erahnt, die Gott ihm zu vergeben bereit ist.

Ohne ein Bewusstsein unserer Schuld können wir weder Gottes Vergebung richtig wertschätzen noch Ihm tiefe Liebe entgegenbringen. Ein beeindruckendes Beispiel echter Reue ist der Apostel Paulus. Er sagte von sich selbst:

1Kor 15,9 Ich bin der geringste der Apostel, der ich nicht würdig bin, ein Apostel genannt zu werden, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.

Aber gerade die Erfahrung, dass Gott ihn trotzdem zu sich rief und aus Liebe alles vergab, führte ihn zu einem ganz außerordentlichen Eifer für seinen Herrn, wie er im nächsten Vers sagt:

10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin; und seine Gnade mir gegenüber ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist.

Nur der Blick nach Golgatha kann die Dimension unserer Schuld und der Begnadigung Gottes ermessen. Durch den Propheten Sacharja verheißt Gott Seinem Volk in der Endzeit tiefe Reue, weil der Heilige Geist das Opfer Christi vor ihnen groß macht:

Sach 12,10 Aber über das Haus David und über die Bewohnerschaft von Jerusalem gieße ich den Geist der Gnade und des Flehens aus, und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen, wie man über den einzigen Sohn wehklagt, und werden bitter über ihn weinen, wie man bitter über den Erstgeborenen weint.

Das Kreuz offenbart uns den wahren Charakter der Sünde. Ein in menschlichen Augen banales Vergehen wie das Essen einer verbotenen Frucht war in Wirklichkeit so schlimm, dass es nur durch den höchstmöglichen Preis gesühnt werden konnte: den Tod des Sohnes Gottes. So abscheulich ist Sünde in Gottes Augen! Nur eines ist noch größer als sein Hass gegen die Sünde: seine Liebe zum Sünder. Ist das nicht ein unbegreifliches Wunder?

Röm 5,20 Wo die Sünde überströmend geworden, ist die Gnade noch überschwänglicher geworden.

Dieser Text bedeutet: Wer die Sünde klein macht, macht auch die Gnade klein. Wer Sünde dagegen in ihrer Abgrundtiefe zeigt, macht auch die Gnade und die Liebe Gottes groß. Gottes Instrument, um die Dimensionen der Sünde sichtbar zu machen, ist das Gesetz. Würden wir das Gesetz besser als Teil des Erlösungsplanes erkennen und seine weitreichenden Forderungen ebenso deutlich predigen, wie Jesus das in der Bergpredigt tat, dann würden wir es unseren Zuhörern leichter machen, sowohl ihre Sündigkeit als auch die Tiefe der Liebe und Vergebung Gottes zu erkennen, und wir hätten mehr echte Bekehrungen.

7. Sündenerkenntnis ist die natürliche Folge wahrer Gotteserkenntnis. Es ist die Erkenntnis von Gottes Güte, die Reue im Herzen aufbrechen lässt (Röm 2,4).

In einem Nürnberger U-Bahnhof haben die Erbauer an der Wand den Spruch abgebildet: „Lernen heißt vergleichen.“ Dass wir Sünder sind (und was das heißt), lernen wir, wenn wir uns mit dem Sündlosen vergleichen – Christus. Das war einer der Gründe, warum der Sohn Gottes kommen und der Menschheit das wahre Wesen Gottes offenbaren musste. Wenn wir uns mit anderen Menschen vergleichen, mögen wir gut abschneiden. Wenn wir uns mit Jesus vergleichen, erkennen wir uns als Sünder – allerdings nur, wenn wir die Herrlichkeit Seines Charakters wirklich wahrnehmen; ansonsten werden wir wie damals die jüdischen Führer an unserer Selbstgerechtigkeit festhalten.

Paulus schreibt, dass es Gottes Güte ist, die unser Herz weich macht und zur Reue führt:

Röm 2,4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?

Wir finden das gleiche Prinzip im Alten Testament in dem bekannten Vers:

Spr 25,21 Wenn dein Hasser Hunger hat, gib ihm Brot zu essen, und wenn er Durst hat, gib ihm Wasser zu trinken!

 22 Denn glühende Kohlen häufst du auf sein Haupt, und der HERR wird es dir vergelten.

Die „glühenden Kohlen“ spielen auf den Heiligtumsdienst an. Als Jesajas Mund mit einer glühenden Kohle vom Altar berührt wurde, empfing er Reinigung und Vergebung (Jes 6,5-7). In gleicher Weise wird unverdiente Güte – Brot und Wasser von jemandem, den er schlecht behandelt hat – das „Haupt“ eines bösen Menschen reinigen, d. h. ihn zum Umdenken und zur Buße bringen (das griechische Wort metanoia für Buße bedeutet wörtlich „Umdenken“). Gott hat uns geliebt, als wir noch Feinde waren, und diese völlig unerwartete Güte trotz unserer Bosheit weckt in uns Gegenliebe.

Röm 5,8 Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder [V. 10: Feinde] waren, für uns gestorben ist.

1Joh 4,19 Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.