Walter Veith, 2027 und die Wiederkunft

Kann die „kosmische Woche“ Erweckung bringen?

Am 23. April 2020 wurde auf YouTube das Video Is This The End? aus der Serie What’s Up Prof? mit Walter Veith eingestellt, das aufgrund von Berechnungen den Schluss nahelegt, Jesus werde spätestens im Jahr 2027 wiederkommen. Mit fast 240 000 Aufrufen und rund 4 400 Likes bei nur 250 Dislikes innerhalb von sieben Wochen hat dieser Vortrag nicht nur erhebliche Verbreitung, sondern auch große Zustimmung gefunden, was sich auch in den fast ausschließlich positiven Kommentaren widerspiegelt.

In diesem Artikel möchte ich begründen, weshalb jegliche Versuche, Gottes Volk oder die Welt durch Zeitvorhersagen – sei es ein Datum oder eine Zeitspanne – aufzurütteln, nicht nur ungeeignet sind, sondern sogar das Gegenteil bewirken.

Einleitung

Ich habe große Wertschätzung und Achtung für den weltweiten und unter Gottes Segen außerordentlich fruchtbaren Dienst von Walter Veith. Als langjähriger Mitarbeiter von amazing discoveries Deutschland fühle ich mich ihm eng und freundschaftlich verbunden. Wie er sehe ich die große Dringlichkeit für Gottes Gemeinde, die Zeiten zu erkennen und hellwach zu werden. Nachdem in der Coronakrise Anfang 2020 grundlegende bürgerliche Freiheiten weltweit fast über Nacht verschwunden sind, ist für die Zukunft alles denkbar, und das in kürzester Zeit. Daher bin ich dankbar für jeden Verkündiger, der sich der unpopulären Herausforderung stellt, als ein Wächter auf Zions Zinnen in die Posaune zu stoßen und vor der drohenden Gefahr zu warnen. Nichts wäre wichtiger und schöner, als dass Gottes Volk endlich zu der letzten großen Erweckung findet, die in den lauten Ruf mündet. Meine Hoffnung ist groß, dass wir dies auch bald erleben dürfen.

So sehr ich das Ziel des Vortrags teile, kann ich den eingeschlagenen Weg dennoch nicht mitgehen. Das Problem ist nicht die Annahme einer „kosmischen Woche“ (6 000 Jahre Weltgeschichte gefolgt von 1 000 Jahren „Ruhe“ auf der Erde), sondern die zeitliche Verankerung dieser Woche und damit auch der Wiederkunft.

Drei Säulen

Die Kalkulation im Vortrag Is This The End? baut im Wesentlichen auf drei Aussagen im Geist der Weissagung auf:

a) 6 000 Jahre Satans Krieg gegen Gott seit dem Sündenfall

Der große Plan der Erlösung wird die Welt vollständig wieder unter Gottes Gunst bringen. Alles, was durch die Sünde verloren ging, ist dann wiederhergestellt. Nicht nur der Mensch, sondern auch die Erde ist erlöst und die ewige Heimat der Gehorsamen. 6 000 Jahre hat Satan darum gerungen, im Besitz der Erde zu bleiben. Doch nun ist Gottes ursprüngliche Absicht mit der Schöpfung erfüllt. (The Adventist Home, 539f; vgl. Ein glückliches Heim, 373)

 

b) 4 000 Jahre zwischen Sündenfall und Jesu Taufe / Versuchung im Jahr 27 n. Chr., was die 6 000 Jahre Krieg im Jahr 2027 enden lassen würde

Am Jordanufer erklärte die Stimme vom Himmel, begleitet von einer Offenbarung der überragenden Herrlichkeit, Christus zum Sohn des Ewigen. Satan sollte persönlich auf das Haupt des Reiches stoßen, das er zu Fall bringen wollte. Er wusste, dass nur ein Sieg ihn retten konnte. So viel auf dem Spiel stand, so stark waren auch seine Versuchungen. Seit 4 000 Jahren – seit Adam angekündigt worden war, der Same der Frau werde der Schlange den Kopf zertreten – hatte er die Art seines Angriffs geplant. (Confrontation, 78)

 

c) Ein unbekannter Zeitraum militärischer Mobilmachung nach den 1 000 Jahren Verwüstung, der laut Vortrag Teil von Satans 6 000-jährigem Krieg gegen Gott ist und darum die Zeit bis zur Wiederkunft entsprechend verkürzt

Satan kann sie [die auferweckten Gottlosen] täuschen, und jeder macht sich sofort an die Vorbereitung zur Schlacht. In der riesigen Armee befinden sich viele geschickte Männer, und sie konstruieren alle möglichen Kriegsgeräte. Dann setzt sich die Menge in Bewegung: an der Spitze Satan, dicht gefolgt von Königen und Kriegern und dann die Massen nach ihren Abteilungen. Jede Abteilung hat einen Anführer, und geordnet rücken sie über die zerklüftete Erdoberfläche auf die Heilige Stadt vor. (Early Writings, 293; vgl. EG 286)

 

Daraus ergibt sich als Endpunkt für die Wiederkunft das Jahr 2027, wobei der Zeitraum unter c) das Kommen Jesu um eine unbekannte Zeit vorzieht. Die Berechnung ergibt also keinen Zeitpunkt (Tag, Monat oder Jahr) für die Wiederkunft, sondern einen Zeitraum, der spätestens 2027 endet.

Hat Schwester White exakte Zahlen gebraucht?

Es ist ein Grundgesetz der Kommunikation, dass Aussagen „ihren Umständen entsprechend“ eingeordnet werden müssen, oder anders gesagt, in ihrem Kontext. Das praktizieren wir intuitiv ständig. Zum Beispiel erkennen wir auf Anhieb, dass folgende Bibelverse einmal wörtlich und einmal bildlich zu verstehen sind, da es sich einmal um einen historischen Bericht handelt und einmal um Poesie:

  • „Und sie klatschten in die Hände und riefen: Es lebe der König!“ (2Kön 11,12)
  • „Alle Bäume des Feldes werden in die Hände klatschen.“ (Jes 55,12)

Ebenso verstehen wir die Zahl 100 in den folgenden Sätzen jeweils unterschiedlich, weil wir automatisch den Kontext erfassen:

  • „Du schuldest mir noch 100 Euro.“ (= genau 100)
  • „Nach 100 Metern fahren Sie rechts.“ (= etwa 100)
  • „Ich hab das schon 100 Mal erlebt.“ (= sehr oft)

In welchem Sinn hat Ellen White von 6 000 oder 4 000 Jahren gesprochen? Geht man alle Stellen durch, merkt man schnell, dass sie nicht exakt gemeint sein können, aus folgenden Gründen:

  1. Attribute wie „genau“ oder „präzise“ fehlen durchgehend.
  2. Es gibt keine Hinweise, dass wenigstens einige dieser Zahlen als exakte Angabe aufzufassen wären.
  3. Wären die Angaben exakt gemeint, würden zahllose Widersprüche entstehen.

Wir müssen daher alle Angaben, die eine zeitliche Einordnung der Wiederkunft erlauben würden, als gerundet verstehen. Das soll in den nächsten Punkten veranschaulicht werden.

 

a) „6 000 Jahre“ Satans Krieg gegen Gott

Einige Beispiele, wo die „6 000 Jahre“ nicht erst 2027 enden, sondern bereits im 19. Jahrhundert:

1872 sagt sie, der Mensch existiere trotz Sünde und Krankheit bereits 6 000 Jahre:

Gott hat den Menschen mit so viel Lebenskraft ausgestattet, dass die Menschheit trotz des Anstiegs von Krankheiten aufgrund falscher Gewohnheiten seit 6 000 Jahren überlebt hat. (The Health Reformer, 1.11.1872, Abs. 2)

9 Jahre später sind es immer noch 6 000 Jahre:

Als der Mensch aus der Hand Seines Schöpfers hervorging, war alles an ihm vollkommen geordnet und wunderschön gestaltet. Dass er seit 6 000 Jahren der unaufhörlich wachsenden Belastung durch Krankheit und Misshandlung standgehalten hat, zeigt deutlich, wie viel Lebenskraft er zu Beginn erhalten hatte. (Review and Herald, 13.12.1881, Abs. 3)

1898 schreibt sie über „6 000 Jahre Glaube“ seit dem Sündenfall:

Seit 6 000 Jahren baut der Glaube auf Christus. Seit 6 000 Jahren wüten satanische Fluten und Stürme gegen den Felsen unseres Heils, doch er steht fest. (Desire of Ages, 413)

 

b) „4 000 Jahre“ zwischen Sündenfall und Jesu Versuchung

Der Vortrag enthält hierzu drei Zitate aus Confrontation. Zwei sprechen von 4 000 Jahren zwischen Sündenfall und Jesu Taufe bzw. Versuchung:

Am Jordanufer erklärte die Stimme vom Himmel, begleitet von einer Offenbarung der überragenden Herrlichkeit, Christus zum Sohn des Ewigen. Satan sollte persönlich auf das Haupt des Reiches stoßen, das er zu Fall bringen wollte. Er wusste, dass nur ein Sieg ihn retten konnte. So viel auf dem Spiel stand, so stark waren auch seine Versuchungen. Seit 4 000 Jahren – seit Adam angekündigt worden war, der Same der Frau werde der Schlange den Kopf zertreten – hatte er die Art seines Angriffs geplant. (Confrontation, 78)

In der Wüste der Versuchung stand Christus an Adams Stelle, um die Prüfung zu bestehen, in der er versagt hatte. Hier siegte Christus um des Sünders willen 4 000 Jahre, nachdem Adam dem Licht seines Zuhauses den Rücken gekehrt hatte. (Confrontation, 32)

Das dritte Zitat spricht von 4 000 Jahren Krieg Satans gegen Gottes Regierung, doch scheint es Satans Krieg im Himmel einzuschließen und damit für gerundete Zahlen zu sprechen:

Der Erlöser der Welt ließ sich auf keinen Streit mit Satan ein, der aus dem Himmel gestoßen worden war, weil er eines Platzes dort nicht länger würdig gewesen war. Jemand, der Gottes Engel gegen ihren obersten Regenten und dessen Sohn, ihren geliebten Befehlshaber, beeinflussen und ihr Mitgefühl gewinnen konnte, war zu jeder Täuschung fähig. 4 000 Jahre lang hatte er gegen Gottes Regierung Krieg geführt und dabei nichts von seiner Fähigkeit und Macht als Versucher und Betrüger verloren. (Confrontation, 45)

Viel wichtiger ist jedoch, dass es im selben Buch weitere Zeitangaben gibt, die deutlich machen, dass Ellen White keine exakten Zeiträume im Sinn hatte. Nur zwei Absätze vor dem angeführten Zitat von Seite 32 enden die 4 000 Jahre nicht bei Jesu Taufe / Versuchung, sondern bei Seiner Menschwerdung – rund 30 Jahre früher:

Der Sohn Gottes erniedrigte sich und wurde Mensch, nachdem die Menschheit sich 4 000 Jahre lang von Eden und ihrem ursprünglich reinen und aufrechten Zustand entfernt hatte. (Confrontation, 31)

Eine dritte Variante findet sich in einem Artikel der Signs of the Times. Dort setzt Schwester White das Ende der 4 000 Jahre auf das letzte Abendmahl:

Er, der Reine und Makellose, stand kurz davor, sich als Sündopfer für die Welt darzubringen, und als Er mit Seinen Jüngern das Passa aß, setzte Er den Opfern ein Ende, die man seit 4 000 Jahren dargebracht hatte. (Signs of the Times, 16.5.1900, Abs. 6)

Der Geist der Weissagung spannt die „4 000 Jahre“ seit dem Fall des Menschen also sowohl bis zu Jesu Menschwerdung (ca. 4 vC) als auch bis zur Versuchung (27 nC) als auch bis zum letzten Abendmahl (31 nC) – eine Differenz von rund 34 Jahren und ein Beleg für gerundete Zahlen.

Dieselben „4 000 Jahre“-Zeitspannen mit ihren drei unterschiedlichen Endpunkten finden sich auch im Leben Jesu:

Hätte der Sohn Gottes Menschengestalt angenommen, als Adam noch unschuldig im Paradiese lebte, dann schon wäre solche Tat eine geradezu unbegreifliche Herablassung gewesen; nun aber kam Jesus auf die Erde, nachdem das Menschengeschlecht bereits durch vier Jahrtausende im Dienst der Sünde geschwächt worden war. (Das Leben Jesu, 33)

Doch hatte die Sünde noch keine Wirkung auf Adam gehabt, als er von dem Versucher angegriffen wurde; er stand in der Kraft vollkommener Männlichkeit, im Besitz völliger körperlicher und geistiger Gesundheit. Dazu war er noch von der Herrlichkeit des Gartens Eden umgeben und genoss den täglichen Umgang mit himmlischen Wesen. Unter ganz anderen Verhältnissen betrat Jesus die Wüste, um sich mit Satan zu messen. Schon 4 000 Jahre lang hatte das Menschengeschlecht an Körperkraft, Seelenstärke und sittlicher Tugend abgenommen; dennoch nahm der Heiland alle Schwachheiten der entarteten Menschheit auf sich. Nur so vermochte Er die Menschen aus der tiefsten Erniedrigung zu erretten. (Das Leben Jesu, 100)

Er, das makellose Lamm Gottes, war im Begriff, sich als Sündopfer darzugeben, und Er wollte dadurch die Reihe der Sinnbilder und gottesdienstlichen Handlungen, die 4 000 Jahre lang auf seinen Tod hingewiesen hatten, beschließen. Während Er mit seinen Jüngern das Passahmahl nahm, setzte Er an dessen Stelle den Dienst ein, der an Sein großes Opfer erinnern sollte. (Das Leben Jesu, 651)

Es ist offenkundig, dass Ellen White an all diesen Stellen gerundete Zeitangaben gebraucht.

 

c) Satans Wirkungszeit nach dem Millennium muss von den 6 000 Jahren abgezogen werden

Einmal mehr müssten wir, um diesen Gedanken zu untermauern, von mathematischer Genauigkeit in Ellen Whites Beschreibung ausgehen – sie müsste nicht nur von exakt 6 000 Jahren sprechen, sondern in diesen Zeitraum auch die „kurze Zeit“ nach dem Millennium einschließen, weil – streng genommen – Satan dort seinen „Krieg gegen Gott“ noch einmal aufnehmen wird, um das Neue Jerusalem zu erobern:

Off 20,3 Und er warf ihn [Satan] in den Abgrund und schloss ihn ein und versiegelte über ihm, damit er die Völker nicht mehr verführen kann, bis die 1 000 Jahre vollendet sind. Und nach diesen muss er für kurze Zeit losgelassen werden.

Erneut zeigen Parallelstellen, dass Schwester White bei der Niederschrift dieser Zahlen anderes im Sinn hatte. Im Großen Kampf beziffert sie bereits Satans Wirkungszeit auf der Erde bis zum Millennium (also ohne den Angriff auf das Neue Jerusalem) mit 6 000 Jahren:

6000 Jahre lang hat Satans Rebellion „die Erde erschüttert und zerrissen“ (Ps 60,4). Er war es, „der den Erdkreis zur Wüste machte und seine Städte zerstörte und seine Gefangenen nicht nach Hause entließ“ (Jes 14,17). 6000 Jahre lang hat er Gottes Volk in seine Gefängnisse geführt, und er hätte es auf ewig gefangen gehalten. Doch Christus hat die Fesseln gesprengt und die Gefangenen befreit. (Vom Schatten zum Licht, 604)

Es gibt noch ein anderes Problem damit, Satans Attacke nach dem Millennium in die 6 000 Jahre einzuschließen: Es widerspricht der Typologie der „kosmischen Woche“, die der Ausgangspunkt des Vortrags ist. Die kosmische Woche geht davon aus, dass 6 Schöpfungstage 6 Jahrtausenden Weltgeschichte entsprechen und der 7. Tag (Sabbatruhe) dem 7. Jahrtausend, in dem die verwüstete Erde „ruht“.

Die zeitliche Verschiebung des Millenniums vom 7. ins 6. Jahrtausend hinein hat zur Folge, dass das 6. Jahrtausend noch nicht ganz vergangen ist, aber schon die 1000-jährige „Sabbatruhe“ beginnt, nach deren Abschluss noch einmal ein kurzer Abschnitt folgt (der Angriff auf Jerusalem), der vom 6. Jahrtausend abgetrennt wurde.

Wäre die Anwendung legitim, entstünde ein seltsames Missverhältnis zwischen Typus (Schöpfungswoche) und Antitypus (kosmischer Woche): Die kosmische Woche würde eine Schöpfungswoche widerspiegeln, deren 24-stündige Ruhezeit sich einige Minuten etwas nach vorne verschiebt, sodass die letzten Minuten des Freitags zu heiliger Zeit würden, die letzten Minuten des Sabbats hingegen zu gewöhnlicher Zeit. Siebenten-Tags-Adventisten mit ihrem Verständnis vom Sabbat als endzeitlicher Trennlinie zwischen Gut und Böse müssen nicht lange nachdenken, um zu merken, dass hier etwas nicht stimmen kann.

 

Neben der Interpretation von Schwester Whites Zahlenangaben hat die 2027-Berechnung noch andere Problempunkte.

 

d) Ist es time-setting (Zeitfestlegung) zu sagen, wann Jesus „spätestens“ wiederkommt?

Adventisten vertreten seit der großen Enttäuschung und in Übereinstimmung mit Offenbarung 10,6 („Es wird keine Frist mehr sein“), dass es nach 1844 keine prophetischen Zeitspannen oder Zeitfestlegungen (time-setting) mehr gibt und niemand vorhersagen kann, wann Christus wiederkommen wird. Auch Bruder Veith betont mehrfach, dass es sich bei seinen Ausführungen nicht um eine Zeitfestlegung handle. Die Frage ist aber: Zählt die Festlegung eines Zeitrahmens tatsächlich nicht als time-setting?

Ellen White nahm einmal Stellung zu einem ähnlichen Unterfangen. Ein Bruder Daniels hatte geäußert, Jesus werde „innerhalb von fünf Jahren“ wiederkommen. Ihre Reaktion zeigt, dass sie seine Aussage durchaus als Zeitfestlegung ansah:

Ich höre, dass Bruder [E. P.] Daniels sich mit der Äußerung, der Herr werde innerhalb von fünf Jahren kommen, gewisserweise zeitlich festgelegt hat. Ich hoffe nicht, dass sich nun der Eindruck verbreitet, wir seien Datierer [time-setters]. Solche Bemerkungen sollten nicht fallen. Sie bewirken nichts Gutes. Versucht nicht, auf diesem Weg Erweckung zu erreichen, sondern seid vorsichtig in eurer Wortwahl, und gebt nicht Fanatikern Anlass, Aufregung zu verursachen und den Geist des Herrn zu betrüben. (Brief 34, 1887; vgl. Christus kommt bald, 26)

 

e) Wäre es ein Problem, wenn wir wüssten, dass Jesus „spätestens 2027“ wiederkäme?

Christus sagt seinen Jüngern, dass die Zeit seines Erscheinens ein Geheimnis ist. Es wird Leute geben, die behaupten, die Zeit dieses gewaltigen Ereignisses zu kennen. Mit großer Hingabe erstellen sie einen Zeitplan der Zukunft, die der Herr mit einer dichten Wolke umgeben hat, damit der Tag, der Monat und selbst das Jahr unbekannt bleiben. (Signs of the Times, 6.10.1898, Abs. 7)

Dieses kaum bekannte, aber wichtige Zitat aus dem Geist der Weissagung offenbart, dass nicht nur die Datierung von „Tag und Stunde“ der Wiederkunft nicht gottgewollt ist, sondern auch die des Monats oder des Jahres. Aber würde dies nicht gleichzeitig bedeuten, dass Datierungszeiträume von mehr als einem Jahr – in diesem Fall rund 7 Jahre bis Ende 2027 – legitim sind?

Spielen wir das einmal gedanklich durch (der Einfachheit halber rechnen wir mit vollen Kalenderjahren). Nehmen wir an, 2027 sei das letztmögliche Jahr der Wiederkunft, und Gott habe es so geführt, dass dies der Adventgemeinde nun bekannt wird. Gleichzeitig haben wir gelesen, dass wir das genaue Jahr der Wiederkunft nicht kennen sollen. Dann wird Er nicht zulassen, dass das Jahr 2027 anbricht, weil wir sonst spätestens am 1. Januar 2027 das Jahr der Wiederkunft wüssten. Also ist das letztmögliche Jahr der Wiederkunft tatsächlich 2026.

Da wir aber das Jahr der Wiederkunft nicht kennen sollen, wird es nicht dazu kommen, dass das Jahr 2026 anbricht, da wir sonst spätestens am 1. Januar 2026 das Jahr der Wiederkunft wüssten. Also ist das letztmögliche Jahr der Wiederkunft tatsächlich 2025.

Da wir aber das Jahr der Wiederkunft nicht kennen sollen, wird es nicht dazu kommen, dass das Jahr 2025 anbricht, da wir sonst … und so weiter.

Ob man dieses kleine Rechenspiel nachvollziehen kann oder nicht: Nach allem, was wir bisher gesehen haben, hat Gott uns bewusst überhaupt keinen fixen zeitlichen Anhaltspunkt gegeben, was die Wiederkunft betrifft. Sie soll einfach „in der Luft hängen“. Es sind lediglich relative Anhaltspunkte, „Zeichen der Zeit“, die uns die zeitliche Nähe Seines Kommens vermitteln. Und dafür gibt es, wie wir im nächsten Punkt sehen werden, gute Gründe.

 

f) Warum wir den Zeitpunkt der Wiederkunft nicht kennen sollen

Die  Zeiten  und  Zeitpunkte liegen in Gottes Vollmacht. Und weshalb hat Gott sie uns nicht mitgeteilt? Weil wir sie missbrauchen würden. Würden wir sie kennen, würden unter uns Zustände aufkommen, die Gottes Werk – ein Volk zuzurüsten, das am kommenden, großen Tag bestehen kann – stark verzögern würden. Wir sollen nicht in gespannter Erwartung irgendwelcher Zeitpunkte leben. Wir sollen uns nicht in Spekulationen über Zeiten und Zeitpunkte verlieren, die Gott nicht offenbart hat. Jesus hat seine Jünger angewiesen zu wachen, aber nicht auf einen festen Zeitpunkt hin. Die Haltung seiner Nachfolger soll sein, aufmerksam die Befehle ihres Feldherrn zu erwarten – zu wachen, warten, beten und arbeiten, während die Zeit des Kommens ihres Herrn näher rückt. Jedoch wird niemand vorhersagen können, wann genau diese Zeit sein wird, denn „um jenen Tag aber und die Stunde weiß niemand“ [Mk 13,32]. Wir können weder sagen, dass er in 1, 2 oder 5 Jahren kommt, noch dürfen wir sein Kommen mit der Behauptung abtun, die nächsten 10 oder 20 Jahre sei nichts zu erwarten. (Selected Messages, 1:189)

Dieses Zitat macht vor allem eines deutlich: Gott möchte, dass wir in einer Haltung ständiger Bereitschaft leben – dass wir wachen, beten und arbeiten, ohne über genaue Zeitpunkte nachzudenken. Bibel und Adventgeschichte zeigen, was passiert, wenn Menschen zu wissen meinen, wann Jesus kommt oder nicht kommt: Bei einem nahen Termin handeln sie aus Furcht, wie es viele Adventisten vor 1844 taten, weswegen sie sich nach der Enttäuschung von der Bewegung lossagten; bei einem fernen Termin werden sie nachlässig und untreu wie der Knecht, der dachte: „Mein Herr kommt noch lange nicht.“ (Mt 24,48 LUT)

Im Rückblick auf die Verwirrung unter den Adventgläubigen nach der Enttäuschung von 1844 stellt Ellen White fest:

Ich bin wiederholt gedrängt worden, verschiedene Zeitspannen über das Kommen des Herrn zu akzeptieren, aber mein Zeugnis war stets: Der Herr wird zu diesem Zeitpunkt nicht kommen; ihr bestätigt die Welt in ihrem Unglauben und schwächt sogar den Glauben von Adventisten … (Brief 38, 1888)

Je öfter eine bestimmte Zeit für die Wiederkunft festgesetzt und je weiter diese Botschaft verbreitet wird, desto mehr dient dies Satans Zielen. Wenn die erwartete Zeit verstreicht, häuft er Spott und Hohn auf die Verfechter dieser Auffassung und bringt so die große Adventbewegung von 1843 und 1844 in Misskredit. Wer in diesem Irrtum verharrt, wird letztlich ein Datum festsetzen, das weit über die Wiederkunft hinausreicht. Er läuft Gefahr, sich in falscher Sicherheit zu wiegen, und wird erst aufwachen, wenn es zu spät ist. (Vom Schatten zum Licht, 414)

Die gleichen Gefahren schlummern in der Festlegung „Spätestens bis XY kommt Jesus wieder“. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre von 2027 als letztmöglichem Datum für die Wiederkunft überzeugt, dann würde in mir ungefähr folgendes Selbstgespräch ablaufen:

„Wie lange der Teufel wohl für seine Mobilmachung nach den 1000 Jahren braucht? Ein Jahr wäre eigentlich schon reichlich Zeit – vielleicht sind es ja nur wenige Monate oder gar Wochen. Zwei Jahre wären schon sehr unwahrscheinlich, drei praktisch ausgeschlossen. Sind wir ganz großzügig und rechnen mit vier Jahren. Das würde heißen, ich hätte auf jeden Fall noch drei Jahre Zeit für meine persönliche Vorbereitung, sehr wahrscheinlich aber einiges mehr.“

Oder wie würde es mir gehen, wenn wir mittlerweile im Jahr 2025 angekommen sind und ich das Gefühl bekomme, meine Zeit läuft aus? Würde nicht Angst mich beschleichen und meine Entscheidungen beeinflussen?

Ebensolche Gedanken und Gefühle möchte Gott gerade vermeiden. Deswegen heißt es in dem obigen Zitat, wir sollen weder eine kurze Zeit bis zur Wiederkunft ansetzen noch einen Zeitraum definieren, in dem Jesus mit Sicherheit noch nicht kommt.

Seit den Erfahrungen der Coronakrise glaube ich mehr denn je, dass das Ende ungeheuer schnell kommen kann, wenn Gott es zulässt. So wie die Umstände gerade stehen, wäre in kürzester Zeit die Schaffung einer Weltregierung, die Einsetzung des Papstes zum moralischen Führer der Welt und ein weltweites Sonntagsgesetz zur Rettung der Menschheit denkbar. Ich selbst befinde mich wie im „Alarmzustand“ – und bin Gott sehr dankbar dafür! Versucht Gott nicht, Sein Volk durch die gegenwärtige Krise aufzurütteln? Die Vorstellung, Jesus würde womöglich „erst“ in 7 Jahren kommen, wäre für mich sogar eine Abschwächung dieser Erfahrung.

Wer meint, Menschen ließen sich nur durch die Ankündigung bestimmter Zeiten beeindrucken, hat nicht den richtigen Ansatz. Mag sein, dass es die Leute trifft und ihre Furcht weckt, doch sie handeln nicht aus Prinzip. Sie werden innerlich aufgewühlt, aber ist die Zeit erst verstrichen, wie es häufig der Fall war, ist auch ihr Motiv verschwunden. Sie fallen zurück in Kälte, Dunkelheit und Sünde, und es ist fast unmöglich, ihr Gewissen auch ohne besonderen Nervenkitzel zu wecken. (Testimonies 4:308)

 

g) Die Dreiengelbotschaft soll frei sein von Zeitelementen

Die Kraft unserer Verkündigung liegt in der Wahrheit selbst und braucht keine Zeitelemente – ja, Gott hat sogar ausdrücklich verboten, solche Elemente zu integrieren. In Erfahrungen und Gesichte ist zu lesen:

Zeit ist seit 1844 kein Prüfstein mehr gewesen und wird es auch nie wieder sein. Der Herr hat mir gezeigt: Die Botschaft des dritten Engels muss vorangehen und den zerstreuten Kindern Gottes verkündet werden, doch darf sie nicht an Zeit festgemacht werden. Ich sah, dass manche durch das Predigen von Datierungen in falsche Aufregung gerieten. Die dritte Engelsbotschaft hat mehr Kraft als irgendwelche Zeitvorhersagen. Ich sah, dass diese Botschaft auf ihrem eigenen Fundament stehen kann und keine Zeitelemente zu ihrer Stärkung braucht … (Early Writings, 75; vgl. Erfahrungen und Gesichte, 66)

 

Fazit

Adventisten steckt es seit 1844 im Blut, dass es „verboten“ ist, Zeitpunkte festzulegen. Sie wissen sich in dieser Haltung durch unzählige Fälle bestätigt, in denen Einzelne bis in die jüngste Vergangenheit Zeitvorhersagen gewagt haben und ohne Ausnahme gescheitert sind.

Würde Gott wollen, dass in der allerletzten Zeit Sein Volk erkennt, dass es ein Maximaldatum für die Wiederkunft gibt, wäre dann nicht anzunehmen, dass Er dieses neue Licht auf ein äußerst solides Fundament in Bibel und Geist der Weissagung stellt, um die zu erwartenden großen Widerstände zu überwinden? Diesem Anspruch kann der Vortrag Is This The End? nicht gerecht werden.

Wer von der langen Wartezeit bis zur Wiederkunft und dem lauen Zustand der Gemeinde bedrückt ist, mag verständlicherweise zu dem Schluss kommen, eine Zeitbotschaft sei genau das, was die schlafenden Jungfrauen jetzt aufwecken würde. Jeder Adventist mit Heimweh nach der himmlischen Heimat kann dem nachfühlen. Doch die Warnungen des Geistes der Weissagung sind deutlich:

Wer meint, Menschen ließen sich nur durch die Ankündigung bestimmter Zeiten beeindrucken, hat nicht den richtigen Ansatz. (Testimonies, 4:308)

Versucht nicht, auf diesem Weg Erweckung zu erreichen. (Brief 34, 1887)

Die Botschaft des dritten Engels … darf nicht an Zeit festgemacht werden. (Early Writings, 75)

Mit zahllosen anderen Brüdern und Schwestern weltweit teile ich Walter Veiths Überzeugung und wunderbare Hoffnung, dass unser Herr sehr bald kommen wird, dass die langersehnte Erweckung in Kürze stattfinden und die weltweite Evangeliumsverkündigung einen triumphalen Abschluss erleben wird. Was für eine herrliche Zukunft auf uns wartet!

Doch steht uns auch noch der letzte große Kampf mit dem Seelenfeind bevor. Dieser mächtige Feind hat nicht nur seit über 170 Jahren die abschließende Ausgießung des Geistes verhindert. Uns ist auch vorhergesagt, dass er falsche Erweckungen aufbringen wird, bevor die echte kommt. Daher brauchen wir Wachsamkeit, kindliches Vertrauen in Christus und mitunter auch die liebevolle gegenseitige Korrektur.

Off 22,20 Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald! Amen. – Ja, komm, Herr Jesus!

95. Wollen wir andere davon überzeugen, dass ein kleines Detail im Gesetz wie „Sabbat oder Sonntag“ Gottes gerechten Zorn heraufbeschwört (Off 14,9-11), müssen wir selbst gelernt haben, Gottes Gebote im Detail zu halten, weil wir sonst unter dasselbe Urteil fallen.

„Sabbat oder Sonntag“ ist für die Menschheit die endzeitliche Wiederholung der ersten Prüfung „Baum des Lebens oder Baum der Erkenntnis“. So wie Sabbat und Sonntag Nachbartage sind, standen auch der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis beide in der Mitte des Gartens. Die örtliche Entfernung zwischen beiden war nicht groß, ihre Wirkung jedoch lag so weit auseinander wie der Westen vom Osten und der Tag von der Nacht.

Es ist kein Zufall, dass die letzte Prüfung der Menschheit ein äußerlich unbedeutendes, logisch auch nicht nachvollziehbares Detail wie „Sabbat oder Sonntag“ sein wird. Es gibt keinen sinnlich wahrnehmbaren oder rational erkennbaren Grund, warum der eine Tag heilig sein sollte und der andere nicht. Der Unterschied entzieht sich dem menschlichen Urteil – er besteht allein im Wort Gottes und kann nur im Glauben akzeptiert oder im Unglauben abgelehnt werden. Doch so minimal der Unterschied in unseren Augen sein mag, entscheidet er doch über ewiges Leben oder ewigen Tod.

Und das ist die „Moral der Geschichte“ von 6 000 Jahren menschlichen Leidens unter den Folgen einer Banalität, deren einziges Problem darin bestand, dass Gott sie verboten hatte. 6 000 Jahre unerbittliche Lebensschule. Haben wir die Lektion gelernt? Verstehen wir, dass ein minimaler Unterschied über Leben und Tod entscheiden kann, und zwar absolut zu Recht? Haben wir erkannt, dass es ein Beweis sowohl Seiner Gerechtigkeit als auch Seiner grenzenlosen Liebe ist, dass Gott nichts weniger als sittliche Vollkommenheit in den Himmel einlässt und nur ihr wieder Zugang zum Lebensbaum gewährt?

Meine Hoffnung und mein Gebet sind, dass die Zeit kommt und schon da ist, dass wir die Lektion verstehen und in festem Glauben und Vertrauen die Verheißung ergreifen, dass, wenn unser himmlischer Vater heilig, vollkommen und rein ist, es ein geistliches Naturgesetz ist, dass Seine Kinder dieselben Eigenschaften von Ihm erben.

1Pe 1,16 Seid heilig, denn ich bin heilig.

Mt 5,48 Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.

1Joh 3,3 Jeder, der diese Hoffnung auf ihn hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist.

MYP 144 Selbst die längste Reise besteht aus einzelnen Schritten. Ein Schritt nach dem anderen bringt uns an das Ende der Straße. Auch die längste Kette ist aus einzelnen Gliedern zusammengesetzt. Ein einziges mangelhaftes Glied macht die ganze Kette wertlos. So ist es auch mit dem Charakter. Ein wohlausgewogener Charakter entsteht durch einzelne, gut ausgeführte Taten. Ein einziger Fehler, dem man nachgibt, statt ihn zu überwinden, macht den Menschen unvollkommen und verschließt ihm die Tore der Heiligen Stadt. Wer den Himmel betritt, muss einen Charakter ohne Flecken oder Runzel oder dergleichen besitzen. Nichts Unreines kann je dort hineinkommen. In der gesamten Schar der Erlösten wird nicht ein Mangel zu sehen sein. (vgl. RJ 90)

YI, 18.8.1886 Es wird keine halbgewaschenen Gewänder geben – alle werden rein und fleckenlos sein.

1Thess 5,23 Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus!

24 Treu ist, der euch beruft; er wird es auch tun.


Der HERR segne dich und einen jeden von uns auf unserer herausfordernden und gleichzeitig wunderbaren und hoffnungsfrohen Pilgerreise in die Ewigkeit!

94. Wollen wir „Babylons Fall“ verkünden und andere aus diesem System der Rebellion und Götzenanbetung herausrufen (Off 14,8; 18,4), muss zuerst unsere eigene Rebellion gegen Gott beendet werden, die sich in Unglauben und Ungehorsam gegenüber seinem Erlösungsweg zeigt.

Unser Unglaube zeigt sich darin, dass wir vollkommenen Gehorsam und einen vollkommenen Charakter diesseits der Ewigkeit für unmöglich halten. Gefühle der Rebellion und Auflehnung sind die Folge, weil wir Vollkommenheit als Forderung für ungerecht und lieblos halten.

Das Problem dahinter ist dasselbe wie bei unseren Ureltern: ein Missverständnis von Gottes Wesen. Satan „überzeugte“ sie von Charakterzügen Gottes, die Er in Wahrheit nicht besaß. Adam und Eva rebellierten mit ihrer Tat gegen einen Gott, den es gar nicht gab. Auch wir würden nicht rebellieren, würden wir Gottes Liebe und Gerechtigkeit in allem Seinem Handeln klar erkennen. Satans Versuchungen haben in dem Maße Erfolg, wie er den wahren Gott vor uns verzerren und verbergen kann.

Das schlichte, aber sehr mächtige Gegenmittel gegen Unglauben und Rebellion ist darum die Wahrheit über Gott, offenbart in der Schrift. Jeder Grund zur Auflehnung schwindet, wenn wir erkennen und im Glauben annehmen,

a) dass Gottes Gerechtigkeit weder kleine noch große Übertretungen Seines Gesetzes hinnehmen kann, ohne das ewige Glück des Menschen, des Himmels sowie des gesamten Universums zu gefährden, und dass Er deshalb nur heilige Wesen in den Himmel aufnehmen kann, die innen und außen mit Seinen Geboten übereinstimmen, also sittliche Vollkommenheit besitzen;

b) dass Gottes Liebe und Seine vollständige Kenntnis (und in Christus Selbsterleben!) all unserer Schwachheiten die größte überhaupt vorstellbare Zusicherung und Garantie dafür sind, dass Sein Plan der Erlösung all diese weitreichenden Forderungen umfasst und verwirklicht und ein Scheitern selbst des schwächsten Gläubigen ausgeschlossen ist, solange er sich an seinen Erlöser hält.

Kurz gefasst: Gottes Gerechtigkeit macht Vollkommenheit nötig, Gottes Liebe macht Vollkommenheit möglich. Darin besteht das „ewige Evangelium“, das wir eigentlich weltweit verkündigen sollen, aber selbst aus den Augen verloren haben. Erfassen wir es aber als Wahrheit und Tatsache, wird sich jede Rebellion in überströmende Freude und tiefe Liebe verwandeln. Warum sollten wir diesen Gott nicht von ganzem Herzen bewundern und verehren? Seine Gerechtigkeit ist ein unerschütterlicher, zuverlässiger, nie trügender Fels, und Seine Liebe ist ein mächtiger, mitfühlender, alle nur denkbaren Wege der Barmherzigkeit ausschöpfender Retter.

93. Wollen wir andere dazu auffordern, „Gott zu fürchten“, „ihm die Ehre zu geben“ und ihn als Schöpfer „anzubeten“ (Off 14,7), muss sich unsere eigene Gottesfurcht in Gehorsam zeigen, müssen wir ihn in allen Lebensbereichen ehren und unseren Glauben an eine vollkommene Schöpfung der Welt in sechs Tagen darin beweisen, dass wir keinen Zweifel an einer vollkommenen Neuschöpfung des Menschen in seiner Lebenszeit haben.

Die drei abschließenden Thesen sollen einen sehr zentralen Punkt deutlich machen: Als Siebenten-Tags-Adventisten können wir unsere eigentliche Mission, das „ewige Evangelium“ der dreifachen Engelsbotschaft allen Menschen auf diesem Planeten zu verkündigen, nur dann vollmächtig und endgültig erfüllen, wenn wir die gute Nachricht der vollkommenen Gerechtigkeit Christi, die im Sünder eine völlige Verwandlung und vollständigen Gehorsam bewirkt, im Glauben annehmen und im Heiligen Geist ausleben. Unser gesamtes Lehrgebäude macht nur Sinn, wenn es die Vollkommenheit Gottes, Seines Gesetzes und Seiner Erlösung ohne Abstriche anerkennt. Tun wir dies nicht, verstricken wir uns dogmatisch in innere Widersprüche, und unsere Verkündigung wird ebenso wie unser Leben einen spürbaren Mangel an geistlicher Vollmacht offenbaren. Wir können nicht Zeugen für Gottes unendliche Liebe und die unantastbare Heiligkeit aller Seiner Ordnungen sein, wenn wir nicht selber in Wort und Tat die uneingeschränkte Gerechtigkeit Seines Gesetzes hochhalten – durch makellosen Gehorsam wie einst ein Henoch, Elia und Daniel.

Denn ebendas ist die tiefste Bedeutung von „Gott fürchten, ehren, anbeten“. Es ist Respekt, Bewunderung, Begeisterung, Liebe, Nachahmung, Eifer, Ehrfurcht – sich in der Betrachtung von Gottes Persönlichkeit und Wesen zu verlieren, bis man sich selbst vergisst und nur noch Christus in einem lebt (Gal 2,20). Und wenn Christus – der Vollkommene – Sein Leben in dir und durch dich führt, dann ist dein Leben vollkommen. Lernen wir und beten wir darum, uns in Ihm zu verlieren!

Wenn wir die erste Engelsbotschaft lesen, stellt sich die Frage: Wo ist in „Gott fürchten, ehren, anbeten“ und der „Stunde des Gerichts“ das Evangelium? Die gute, tröstliche, mächtige Nachricht besteht darin, dass dieser Gott sich als der Schöpfer Himmels und der Erde vorstellt. Er hat alles Sichtbare hervorgebracht, Belebtes wie Unbelebtes, Hohes und Tiefes, Kleines wie Großes – und das sogar „aus nichts“, einfach durch Sein Wort. So mächtig ist Er! Und diese Macht bietet Er an, zu unseren Gunsten noch einmal auszuüben – indem Er noch einmal spricht, um uns neuzuschaffen. Es gibt keine größere Macht im Universum als dieses Wort. Und es gibt keine größere Liebe und kein tieferes Mitgefühl für uns Sünder und unsere ganz persönlichen Nöte, als diesen Herrn, der mit Seinem eigenen Blut sich das Recht erwarb, die schöpferische Macht Seines Wortes für uns einzusetzen.

Es ist alles bereit, es ist für alles gesorgt. Glauben wir Ihm doch und bitten kindlich um diese Neuschöpfung – gerade wir, die wir doch Sabbat für Sabbat unseren Glauben an Seine Schöpfermacht bekennen und uns daran erinnern! Wenn in diesem Punkt unser Glauben nicht tiefer geht und mehr von Gott erwartet und erbittet als der Rest der Christenheit, wozu sind wir als Gemeinde dann da? Nur um einen Sabbat in der Theorie hochzuhalten, weil wir erkannt haben, dass die Zehn Gebote noch gültig sind? Wenn wir wirklich erkannt haben, „wie wir erkennen sollen“ (1Kor 8,2), dann kann „Anbetung des Schöpfers“ nur bedeuten, dass wir Ihm alles zutrauen – umso mehr, wo Er es doch ausdrücklich versprochen hat.

Jes 51,1 Hört auf mich, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr den HERRN sucht! Blickt hin auf den Felsen, aus dem ihr gehauen, und auf den Brunnenschacht, aus dem ihr gegraben seid!

2 Blickt hin auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch geboren hat! Denn ich rief ihn als einen einzelnen, und ich segnete ihn und mehrte ihn.

3 Denn der HERR tröstet Zion, tröstet alle seine Trümmerstätten. Und er macht seine Wüste wie Eden und seine Steppe wie den Garten des HERRN. Jubel und Freude findet man darin, Lobpreis und Stimme des Gesanges.

92. Wie das alte Israel die Heilige Schrift selektiv las und nicht unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen des Messias, so lesen viele Adventisten die Bibel selektiv und unterscheiden nicht zwischen der „Rechtfertigung des Gottlosen“ (Röm 4,5) und der „Rechtfertigung des Gehorsamen“ (Röm 2,13), zwischen Heiligung durch „Aussonderung“ (3Mo 20,26) und Heiligung zur „Untadeligkeit“ (1Thess 5,23), zwischen Versiegelung als Besitzanspruch (Eph 1,13) und Versiegelung als Bestätigung, dass der Mensch seinen Charakter „im Blut des Lammes weiß gemacht“ hat (Off 7,3.14).

Ich wünschte, ich könnte die Tragweite der Gedanken in dieser These angemessen zum Ausdruck bringen. Ich liebe meine Gemeinde und bin von ganzem Herzen Siebenten-Tags-Adventist. Ich weiß, dass der Herr am Steuer des „stolzen“ Schiffes Gemeinde steht und es sicher durch alle Stürme der letzten Zeit manövriert, die schon seit Längerem immer spürbarer wehen. Doch nachdem ich Kindheit, Jugend und nun bald 35 Taufjahre in der Gemeinde erlebt habe, nehme ich so manche Entwicklung auch schmerzlich wahr. Und die vielleicht tragischste in meinen Augen ist, dass wir immer weniger ein „Volk des Buches“ sind.

Dabei geht es nicht nur um das Lesemaß – wie viel jeder Jugendliche oder Erwachsene täglich (wöchentlich? monatlich?) in der Bibel liest; welcher Anteil Glieder sich in der Woche mit dem Lektionsthema beschäftigt; wie viele Texte in der Predigt verwendet werden usw. Vor allem fällt mir auf, was man einen wachsenden „exegetischen Analphabetismus“ nennen könnte: Wir verlernen immer mehr, die Bibel auszulegen, oder besser gesagt, die Bibel für sich selbst sprechen zu lassen.

Es würde längst nicht so viel theologische Uneinigkeit und Beliebigkeit unter uns herrschen, würden wir eine der elementarsten Grundregeln beherzigen: Biblische Aussagen müssen in ihrem direkten und im Gesamtkontext verstanden werden. Der direkte Kontext ist der Gedankengang des Abschnitts, in dem eine Aussage sich befindet; der Gesamtkontext ist das Bild, das sich beim Zusammentragen aller thematisch verwandten Aussagen ergibt. „Im Kontext“ ist das Gegenteil von „selektiv“. Keine Irrlehre und kein „babylonischer Wein“ könnten unter uns Raum finden, würden wir diese Regel konsequent und unter Gebet beachten.

Ein von mir sehr geschätzter adventistischer Theologe kommentierte die Unterscheidung von zwei Arten der Rechtfertigung in dieser These wie folgt: „Rechtfertigung ist biblisch gesehen immer der Freispruch des ‚Gottlosen‘ = Sünders (Röm 4,5), nie der Freispruch eines Gerechten.“ Den oben angeführten Vers (Röm 2,13) nannte er „die Anerkennung“ des aus Glauben Gerechten. Nun meine ich, sein berechtigtes Anliegen durchaus zu erkennen. Dennoch fällt mir auf, dass in seinem Kommentar der Begriff „Rechtfertigung“ auf einen Gebrauch wie in Römer 4,5 verengt und die „Rechtfertigung“ in Römer 2,13 in „Freispruch“ und „Anerkennung“ umbenannt wird, obwohl dort derselbe Begriff steht („gerechtfertigt“). Sollten wir es nicht der Bibel überlassen, ihre Begriffe zu definieren? Und sollten wir diese Definitionen nicht in unseren eigenen Sprachgebrauch übernehmen, um Missverständnisse zu vermeiden?

Es ist offensichtlich, dass die Heilige Schrift „Rechtfertigung“ unterschiedlich gebraucht. Hier das wohl beste Beispiel:

Röm 4,2 Wenn Abraham aus Werken gerechtfertigt worden ist, so hat er etwas zum Rühmen, aber nicht vor Gott.

Jak 2,21 Ist nicht Abraham, unser Vater, aus Werken gerechtfertigt worden, da er Isaak, seinen Sohn, auf den Opferaltar legte?

Der „Widerspruch“ lässt sich nur auflösen, wenn man den Begriff „gerechtfertigt“ anhand des Kontextes differenziert und erkennt, dass der Römer-Vers von einer anderen Art (oder einem anderen Aspekt) der Rechtfertigung spricht als der Jakobus-Vers: Die „Rechtfertigung des Gottlosen“ geschieht zu Beginn des Glaubenslebens, die „Rechtfertigung des Gerechten“ am Lebensende im Untersuchungsgericht. Die erste geschieht aufgrund des Glaubens, die zweite aufgrund der vom Glauben hervorgebrachten Werke – womit beide Arten der Rechtfertigung effektiv aus dem Glauben kommen.

Tatsächlich handelt es sich um ein und dieselbe Rechtfertigung, und ihre beiden Aspekte verhalten sich zueinander wie Verheißung und Erfüllung. Das ist die eigentliche biblische Bedeutung von „Rechtfertigung“, auch wenn sie heute fast völlig verloren gegangen ist. Von Abraham heißt es, dass seine „zugerechnete Gerechtigkeit“ in dem Moment zur „Erfüllung“ kam, als er in der Opferung Isaaks einen Gehorsam bewies, der stärker war als der Tod:

Jak 2,22 Du siehst, dass der Glaube mit seinen Werken zusammenwirkte und der Glaube aus den Werken vollendet wurde.

23 Und die Schrift wurde erfüllt, welche sagt: „Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“, und er wurde „Freund Gottes“ genannt.

Mein nachdrückliches Plädoyer lautet: „Das Wort sie sollen lassen stahn!“ (Martin Luther) Nehmen wir Gottes Wort in allen seinen Bestandteilen gleichermaßen an! Eine selektive Erlösungstheologie, wo Rechtfertigung nur aus Glauben geschieht, Heiligung nur die Aussonderung für Gott ist und Versiegelung nur das Empfangen des Heiligen Geistes – alles Dinge, die augenblicklich und vollständig bei der Bekehrung geschehen – hat naturgemäß wenig Platz für einen Prozess des Wachsen, Reifens, Überwindens und noch weniger Platz für ein klar vorgegebenes Ziel wie Charaktervollkommenheit.

Unter dieser selektiven Theologie kränkelt und leidet unsere Gemeinde seit vielen Jahrzehnten, und sie ist das größte Hindernis für wahre Erweckung und Reformation, weil sie ein Heil verkündet, für das weder Erweckung noch Reformation wirklich notwendig sind, da meine Erlösung in Christus ja schon vollbracht und sicher ist. Wozu also die Aufregung? Warum der moralische Druck? Weshalb die ständigen Appelle und Weckrufe? Erfreuen wir uns lieber an dem, was wir längst besitzen …

Bleiben wir bei dieser Theologie, werden auch Lauheit und Weltlichkeit bleiben – und schlimmer werden. Kehren wir mit Gottes Hilfe zurück zur biblischen Rechtfertigungs- und Erlösungslehre, werden die Hindernisse für die ersehnte Erweckung und den Spätregen verschwinden. Der Herr wird uns gnädig vergeben und Gewaltiges bewirken. Und bald, sehr bald, wird Er kommen und uns für immer zu sich holen. Die zweite Option ist meine große Sehnsucht, und dafür kämpfe ich – in meinem persönlichen Glauben und Leben und in dieser Gemeinde, die unsere geistliche Familie ist. Und meine herzliche Bitte an dich, lieber Leser, ist, dich diesem Anliegen anzuschließen!

91. Damit befindet sich das heutige Israel auf demselben Weg wie das alte Israel, das sich einen Messias wünschte, der sie von den Römern befreite, ohne zu verstehen, dass es ihre Sünden waren, die die Fremdherrscher überhaupt erst ins Land brachten.

Hes 18,4 Die Seele, die sündigt, sie soll sterben.

5 Und wenn jemand gerecht ist und Recht und Gerechtigkeit übt …

9 in meinen Ordnungen lebt und meine Rechtsbestimmungen hält, um sie getreu zu befolgen: gerecht ist er. Leben soll er, spricht der Herr, HERR.

Der Erlösungsplan ist nicht und war nie dazu gedacht, die göttlich begründete Gesetzmäßigkeit von Ursache und Wirkung – Gehorsam bringt Leben, Ungehorsam bringt Tod – aufzuheben. Christi Tod am Kreuz hat die ewige Unauflöslichkeit dieser Gesetzmäßigkeit ultimativ und unanfechtbar bewiesen. Sein stellvertretendes Leiden hat dem Menschen eine Generalamnestie und eine mit allen geistlichen Privilegien versehene, zweite Bewährungszeit verschafft, in der wir durch das Werben und Wirken der göttlichen Liebe und Gnade zur ursprünglichen Loyalität zurückgeführt werden sollen. Aus Liebe zu Seinen irrenden Geschöpfen zügelt Gott Seine eigene Gerechtigkeit, um einen Zeitkorridor der Rettung zu ermöglichen.

PK 195f. Die Langmut Gottes war bisher sehr groß — so überaus groß, dass wir uns wundern, wenn wir die fortgesetzte Übertretung seiner heiligen Gebote bedenken. Der Allmächtige hat sich Zurückhaltung auferlegtGott räumt den Menschen eine Zeit zur Bewährung ein; es gibt aber eine ganz bestimmte Grenze, hinter der die göttliche Geduld erschöpft ist und die Gerichte Gottes die sichere Folge sind.

Golgatha hat Gottes Gerechtigkeit nicht im Geringsten geschmälert, sondern vielmehr auf ewig bestätigt. Rettung bedeutet daher, dass der Sünder Vergebung erhält und wieder zur Gerechtigkeit zurückgeführt wird. Damit ist aber nicht das so gängige Verständnis von „Gerechtigkeit“ gemeint, „große“ Sünden wie Ehebruch und Diebstahl ganz zu lassen und „kleine“ Sünden wie Stolz und Gerüchtestreuen, so gut es geht, einzudämmen, sondern vollkommene Gerechtigkeit – die einzige Gerechtigkeit, die in der Bibel und im ganzen Universum existiert, die einzige, die Gott anerkennt und die im Gericht gilt, und – dem HERRN sei Dank! – die einzige, die Jesus anzubieten hat.

Es macht mir Mühe, dies in Worte zu fassen, weil ich oft empfinde, dass wir uns ausgesprochen schwertun, diese so essenzielle und lebenswichtige Wahrheit zu erfassen und anzunehmen. Wir sind in einer ähnlichen Situation wie die Juden bei Jesu erstem Kommen, die sich einreden konnten, sie seien doch ein freies Volk, weil sie noch ihren Hohen Rat und begrenzt eine eigene Gerichtsbarkeit hatten. Sie hatten nicht das Gefühl, Befreiung zu brauchen, und behaupteten vor Jesus:

Joh 8,33 Wir sind Abrahams Nachkommen und sind nie jemandes Knechte gewesen; wie kannst du da sagen: Ihr sollt frei werden?

In ähnlicher Weise sind viele Gemeindeglieder überzeugt, sie bräuchten keine „Vollkommenheit“, da ihr adventistischer Lebensstil doch der beste Beweis dafür sei, dass es um ihr Heil gut bestellt sei: Freiheit von den „großen“ Sünden und das „aufrichtige Bemühen“, auch die anderen nicht überschießen zu lassen. Ist das nicht die „Freiheit der Kinder Gottes“? Reicht das nicht, zumal wir am Ende sowieso „aus Gnade“ erlöst und freigesprochen werden? Die Frage des heutigen Israel lautet praktisch:

Wir sind Luthers Nachkommen und immer unter der Gnade gewesen. Wie kannst du da sagen: Ihr sollt vollkommen sein?

Jesu Antwort ist dieselbe wie damals:

Joh 8,34 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der die Sünde tut, ist der Sünde Sklave.

35 Der Sklave aber bleibt nicht für immer im Haus; der Sohn bleibt für immer.

36 Wenn nun der Sohn euch frei machen wird, so werdet ihr wirklich frei sein.

Es sind nicht nur die großen Sünden, die versklaven – nein, auch die kleinen. Jede Sünde. „Wirklich frei“ zu sein, heißt darum, von jeder Sünde frei zu sein. Und das tut Jesus an uns, indem Er uns von Knechten der Sünde zu „Söhnen Gottes“ macht – neu geboren durch den Heiligen Geist. Er gestaltet Herz und Sinn so wirksam um, dass wir am Ende Gottes Bild vollkommen widerspiegeln. Vergessen wir nie: „Ihr nun sollt vollkommen sein“ (Mt 5,48) ist zwar eine Aufforderung, zuerst und zuvorderst jedoch eine Verheißung.

Im Buch Schritte zu Jesus lesen wir, wie „klein“ die „kleinen Sünden“ wirklich sind:

SzJ 37 Nur ein einziger falscher Charakterzug, ein einziges sündiges, beharrlich gepflegtes Verlangen wird schließlich die ganze Kraft des Evangeliums aufheben.

Doch dann folgen wunderbare Worte der Ermutigung:

38 Wenn du das furchtbare Ausmaß der Sünde erkennst, wenn du dich selbst so siehst, wie du wirklich bist, dann gib nicht auf und verzweifle nicht! Christus kam, um die Sünder zu retten. Wir müssen nicht Gott mit uns versöhnen, sondern – o wunderbare Liebe! – Gott „versöhnte die Welt in Christus mit sich selbst“ (2Kor 5,19). Mit inniger Liebe wirbt er um die Herzen seiner irrenden Kinder …

39 Wenn Satan kommt und dir sagen will, dass du ein großer Sünder bist, dann blicke auf zu deinem Heiland und rede von seinen Verdiensten. Schau in sein Licht, das allein wird dir helfen. Gib deine Sünde zu, doch sage dem Feind, dass „Christus in die Welt gekommen ist, um die Sünder zu retten“ (1Tim 1,15), und dass du durch seine unvergleichliche Liebe errettet werden kannst.

Mit Blick auf das christliche Leben als ein Wettlauf schreibt Ellen White:

AA 313 Nicht einer, der den Bedingungen nachkommt, wird am Ende des Wettlaufs enttäuscht werden. Nicht einer, der ernst und ausdauernd ist, wird das Ziel verfehlen. Der Lauf gehört nicht dem Schnellen noch die Schlacht dem Starken. Der schwächste Heilige kann ebenso wie der stärkste einmal die Krone unsterblicher Herrlichkeit tragen. Alle können siegen, die durch die Kraft göttlicher Gnade ihr Leben in Einklang mit dem Willen Christi bringen. (vgl. WA 313)

Dem Herrn sei Dank, dass es nicht an unserer, sondern an Seiner Kraft liegt!

90. „Der Lohn der Sünde ist der Tod.“ (Röm 6,23) Wahre Rechtfertigung geht dem Problem an die Wurzel und befreit von Sünde; falsche Rechtfertigung gibt sich damit zufrieden, vom Tod befreit zu werden.

Wenn ein reicher Vater immer wieder die Schulden seines spielsüchtigen Sohnes begleicht, ohne das eigentliche Problem anzugehen, nämlich die Sucht, nennt man das Ko-Abhängigkeit. Das scheinbare Wohlwollen des Vaters ist in Wirklichkeit das größte Hindernis für die Heilung seines Sohnes, weil es ständig nur die Folgen der destruktiven Gewohnheit vom Sohn fernhält und damit den Erkenntnis- und Lernprozess verhindert, der die Voraussetzung für eine Entscheidung zu echter Veränderung ist. Auf diese Weise wird der Vater mitschuldig am Lebensstil seines Sohnes, der sich immer mehr vertieft und immer schwerer zu überwinden wird, je länger die Situation der Ko-Abhängigkeit anhält.

Die falsche Rechtfertigungslehre degradiert Christus in letzter Konsequenz zu einem Ko-Abhängigen, dessen Aufgabe es ist, die Folgen der Sünde von uns fernzuhalten, ohne die Sünde selbst zu beseitigen – eine Art künstliche Lebensverlängerung von Sünder und Sünde. Dieses Zerrbild von Mittlerdienst existiert schon sehr lange. Die Bibel nennt einen solchen Priester „Diener der Sünde“, und Paulus beantwortet die Frage, ob dies auf unseren Hohepriester Jesus Christus zutreffe, mit einem energischen: „Das sei ferne!“ (Gal 2,17)

89. Die seit vielen Jahren immer freizügigere Handhabung adventistischer Maßstäbe – in Bezug auf Ernährung, Kaffee, Kleidung, Musik, Fernsehen, Sabbatgestaltung, Taufbekenntnis, wilde Ehe, Gemeindezucht, Homosexualität und vieles mehr – offenbart den Sauerteig einer falschen Rechtfertigungslehre.

Ich möchte nicht abstreiten, dass der adventistische Lebensstil in der Vergangenheit mitunter von menschlichen Traditionen geprägt war, die der gleichen Quelle entsprungen waren wie die 613 Regeln der Pharisäer. Es ist zweifellos ein Fortschritt, wenn grundlose oder übermäßige Einengungen überwunden und abgelegt werden. Gottes Ordnungen haben nie den Sinn, unsere Freiheit zu beschneiden, sondern sie zu wahren. Ich bin aber ebenso überzeugt, dass die große Mehrheit adventistischer Lebensregeln – wie oben beispielhaft aufgeführt – sinnvoll, konstruktiv und biblisch begründet ist. Die „Freiheit“, die wir im schrittweisen Abschütteln dieser Regeln erlangt haben, ist tatsächlich bloß die Freiheit schrittweiser Selbstzerstörung. Was gleichzeitig deutlich macht, wie „fortschrittlich“ diese neue Art Adventismus wirklich ist.

Hinter der Freude über die neue Freizügigkeit in der Adventgemeinde steckt meines Erachtens eine latente Gesetzesfeindlichkeit, die wiederum von einem mangelhaften Verständnis des Wesens der göttlichen Gebote gespeist wird. Hier zeigt sich der Kern des großen Kampfes zwischen Licht und Finsternis, zwischen Gehorsam und Rebellion. Die Schrift bezeugt vielfältig und unmissverständlich, dass Gottes vollkommene Güte sich in einem vollkommen guten Gesetz widerspiegelt. Wie Gott in Seinem Charakter liebevoll, wahrhaftig, gerecht, gütig und heilig ist, so tragen auch alle Seine Ordnungen dieselbe Handschrift. Gottes Lebensregeln abzulehnen, hieße darum, Gottes überströmende Liebe abzulehnen. Nur ein völlig irregeführtes Kind würde sich willentlich gegen die Liebe seiner Eltern wehren. Aber genau das tun wir, wenn wir gute adventistische Maßstäbe ablehnen und dabei noch meinen, wir hätten etwas gewonnen. Das ist traurige Blindheit, und leider ist dieser Realitätsverlust ein Merkmal der letzten Gemeinde.

Was dieses Abschütteln-Wollen von Standards mit einer falschen Rechtfertigungslehre gemein hat, ist die Gesetzesfeindlichkeit. Die evangelischen Kirchen machen keinen Hehl aus ihrer Überzeugung, das Gesetz sei von Christus ans Kreuz genagelt worden, weswegen auch das Sabbatgebot keine Gültigkeit mehr habe und Sabbathalten sogar als Zeichen legalistischen Verdienstdenkens gelten müsse, wo man sich den Weg in den Himmel erarbeiten möchte und damit die durch Jesu Tod erworbene Gnade effektiv ablehne.

Der progressive Adventismus hat versucht, diese babylonische Irrlehre subtil in das adventistische Lehrgebäude zu integrieren, und das Ergebnis ist, dass wir heute überkommene Formen von Glaubensüberzeugungen aufrechterhalten, deren Inhalte längst ausgehöhlt oder gar ausgetauscht worden sind. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass wir einerseits an ein himmlisches Heiligtum glauben, in dessen Bundeslade sich die Zehn Gebote befinden, wozu das Sabbatgebot gehört, dessen bleibende Gültigkeit wir mit großem theologischen Scharfsinn zu verteidigen wissen, wir es andererseits jedoch genießen, am Sabbat möglichst uneingeschränkt das zu tun, zu reden und zu denken, wonach uns der Sinn steht. Es zeigt sich auch darin, dass einerseits die Wenigsten so weit gehen würden, unsere theologischen Alleinstellungsmerkmale (landmarks) über Bord zu werfen, wir andererseits beim Taufbekenntnis den Täuflingen aber die größte inhaltliche Freiheit lassen und (zumal wenn Gäste da sind) alles möglicherweise „sektiererisch“ wirkende Abfragen bestimmter Lehrpunkte (vor allem der „Sonderlehren“) für unnötig und überholt erachten. Es zeigt sich auch dann, wenn wir selbst offenkundige Sünder in der Gemeinde ungestört und unangetastet lassen, weil ja die „Liebe“ wichtiger und größer ist als „strikter Gehorsam“ (obwohl doch gerade die Liebe „die Erfüllung des Gesetzes“ ist).

Ich sehe daher das Dilemma, dass wir theoretisch zwar für das Gesetz kämpfen, praktisch aber oft für die Freiheit vom Gesetz. Bedenken wir: Wenn das Gesetz geht, geht der Gesetzgeber mit. Will Er Seine Gemeinde trotzdem nicht aufgeben, bleibt Ihm nur, vor der Tür zu stehen und anzuklopfen (Off 3,20).

88. Die Frucht wahrer Rechtfertigung ist wachsende Übereinstimmung mit Gottes Geboten, die Frucht falscher Rechtfertigung wachsende Freizügigkeit gegenüber Gottes Geboten.

Jes 8,20 „Zum Gesetz und zum Zeugnis!“ – wenn sie nicht so sprechen, gibt es für sie kein Morgenrot.

Ps 119,97 Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Ich sinne darüber nach den ganzen Tag.

FW 52 Wahrer Glaube verlässt sich ganz auf Christus, was die Erlösung angeht, doch führt er auch zu vollkommener Übereinstimmung mit Gottes Gesetz. (vgl. GW 50)

RH, 22.4.1902 Wer das Evangelium annimmt, … erhält Anteil an der göttlichen Natur und wächst mehr und mehr zu einem Abbild seines Heilands. Schritt für Schritt geht er in Übereinstimmung mit Gottes Willen voran, bis er Vollkommenheit erreicht.

Jesu zusammenfassende Worte bei der Bergpredigt werden in ihrem wahren Gewicht oft nicht erkannt:

Mt 7,24 Jeder nun, der diese meine Worte hört und sie tut, den werde ich mit einem klugen Mann vergleichen, der sein Haus auf den Felsen baute;

25 und der Platzregen fiel herab, und die Ströme kamen, und die Winde wehten und stürmten gegen jenes Haus; und es fiel nicht, denn es war auf den Felsen gegründet.

26 Und jeder, der diese meine Worte hört und sie nicht tut, der wird mit einem törichten Mann zu vergleichen sein, der sein Haus auf den Sand baute;

27 und der Platzregen fiel herab, und die Ströme kamen, und die Winde wehten und stießen an jenes Haus; und es fiel, und sein Fall war groß.

Der „Fall“ des törichten Mannes ist deshalb „groß“, weil er unerwartet kommt und dennoch endgültig ist. Dieses Bild beschreibt die endzeitliche Sichtung unserer Gemeinde. Der törichte Mann hat allem Anschein nach alles, was einen Christen ausmacht – das ganze Gebäude ist vorhanden, nicht anders als beim klugen Mann. Der einzige, aber entscheidende Unterschied ist das im Erdboden verborgene und für menschliche Augen unsichtbare Fundament.

Der törichte Mann ist ein Scheinchrist oder Scheinadventist, der sich auf eine Glaubenslehre und ein „Evangelium“ verlassen hat, das auch ohne „ein Leben beständigen Gehorsams“ (LJ 666) auskommt. Er hat nie verstanden, dass Gott „vollkommene Übereinstimmung mit Gottes Gesetz“ von uns erwartet und dass Christus genau dies in uns bewirkt, wenn wir uns in „wahrem Glauben ganz auf Ihn verlassen“ (FW 52). Diese sittliche Vollkommenheit wiederherzustellen, ist das lebenslange Werk unserer Heiligung. Und sie geschieht nicht in der Selbstbeobachtung, sondern im Hinschauen auf unseren wunderbaren Erlöser; nicht aus eigener Kraft, sondern aus der Tote auferweckenden Kraft des Heiligen Geistes.

Dieses ewige und einzige Evangelium – Vollkommenheit durch Christus – wird überall in der Bibel beschrieben, aber wir haben offensichtlich gelernt, es systematisch zu übersehen oder als bloße „Zurechnung“ wirkungslos zu machen. Ein paar Beispiele aus dem Neuen Testament:

Eph 4,11 Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer,

12 zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi,

13 bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zum Vollmaß des Wuchses der Fülle Christi.

Phil 1,9 Um dieses bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr überreich werde in Erkenntnis und aller Einsicht,

10 damit ihr prüft, worauf es ankommt, damit ihr lauter und unanstößig seid auf den Tag Christi,

11 erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus gewirkt wird, zur Herrlichkeit und zum Lobpreis Gottes.

Kol 4,12 Es grüßt euch Epaphras, der einer der Euren ist, ein Knecht des Christus, der allezeit in den Gebeten für euch kämpft, damit ihr fest steht, vollkommen und zur Fülle gebracht in allem, was der Wille Gottes ist.

Jak 1,2 Meine Brüder, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen geratet,

3 da ihr ja wisst, dass die Bewährung eures Glaubens standhaftes Ausharren bewirkt.

4 Das standhafte Ausharren aber soll ein vollkommenes Werk haben, damit ihr vollkommen und vollständig seid und es euch an nichts mangelt.

So oft hören wir (und so viele glauben es), vollständiger Gehorsam sei unmöglich, solange wir unsere gefallene Natur besitzen. Dabei wird auch gerne auf die berühmte Generalkonferenz von Minneapolis verwiesen, wo nach heutigem Verständnis erfolglose Versuche, das Gesetz zu halten („Gesetzlichkeit“), von der „Gnade“ der Vergebung und dem „Glauben“ an Jesu stellvertretenden Gehorsam abgelöst wurden. Nun waren Gnade und Glaube tatsächlich zentrale Themen von Jones und Waggoner, allerdings in einem ganz anderen Sinn, als sie heute definiert werden. Um einen kleinen Einblick zu geben, was auf dieser Generalkonferenz wirklich gepredigt wurde, gebe ich hier einen Ausschnitt aus einer Ansprache wieder, die Ellen White dort am 20. Oktober 1888 hielt:

1888M 122 Worüber ich sprechen möchte, ist, wie man im Glaubensleben Fortschritte machen kann. Ich höre viele Ausflüchte: „Ich kann dies und jenes nicht ausleben.“ Was meinst du mit „dies und jenes“? Willst du sagen, das auf Golgatha für die gefallene Menschheit gebrachte Opfer sei unvollkommen gewesen, und uns sei nicht ausreichend Gnade und Kraft zur Verfügung gestellt worden, um entgegen unseren natürlichen Mängeln und Neigungen zu handeln – dass uns ein unvollständiger Erlöser gegeben worden sei? Willst du Gott die Schuld geben?

„Nun“, erwiderst du, „es war Adams Sünde.“ Du sagst: „Es war nicht meine Schuld; ich bin für seine Schuld und seinen Fall nicht verantwortlich. Jetzt sind all diese natürlichen Neigungen in mir, und ich kann nichts dafür, wenn ich diese natürlichen Neigungen auslebe.“ Wer dann? Gott vielleicht? „Warum hat Gott zugelassen, dass Satan so viel Macht über die menschliche Natur bekam?“

Dies sind Anklagen gegen den Gott des Himmels, und wenn du willst, wird er dir am Ende Gelegenheit geben, deine Anklagen gegen ihn vorzubringen. Wenn du dann vor seinem Gericht stehst, wird er seine Anklagen gegen dich vorbringen. Wie kommt es, dass sein Plädoyer lautet: „Ich kenne all die Übel und Versuchungen, die euch bedrängen, und ich habe meinen Sohn Jesus Christus in eure Welt gesandt, um euch meine Macht, meine Stärke zu offenbaren; um euch zu zeigen, dass ich Gott bin und euch helfe, damit ihr aus dem Machtbereich des Feindes herausgenommen werdet und die Möglichkeit erhaltet, das sittliche Bild Gottes zurückzugewinnen.“

Beachten wir, was Ellen White hier (und generell) unter einem „vollkommenen Opfer“ und „vollständigen Erlöser“ versteht: dass wir durch Jesu Verdienste und Vermittlung sowohl völlige Vergebung als auch völlige sittliche Wiederherstellung (= Vervollkommnung) erfahren, allen natürlichen Neigungen zum Trotz. Die Vollkommenheit des Erlösungsplanes beweist sich in unserem vollständigen Gehorsam – dass alles, was Gott von uns erwartet, wir in Seiner Kraft und durch die lebendige Verbindung mit Christus auch erfüllen können.

Dass uns dies oft nicht so gelingt, wie wir es wünschen, soll uns nicht entmutigen! Dazu sind wir in Christi Schule: um von Ihm zu lernen, wie wir durch Seine Gnadengaben den Sieg erringen können. Die großartigen Verheißungen unserer Vervollkommnung sind nicht als „Druck“ gedacht, sondern als starke Zusicherung, dass wir nicht einem Phantom nachjagen, wenn wir uns in diesen Glaubenskampf begeben. Die Gewissheit, dass der Herr Sein Wort unbedingt an uns erfüllen wird, wenn wir nur im Vertrauen an Ihm festhalten, soll uns die innere Stärke verleihen, auch in schwierigen Situationen nicht den Mut zu verlieren, sondern mit Paulus zu sagen:

Phil 3,12 Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet bin; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, weil ich auch von Christus Jesus ergriffen bin.

13 Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eines aber tue ich: Ich vergesse, was dahinten, strecke mich aber aus nach dem, was vorn ist,

14 und jage auf das Ziel zu, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.

Der Geist der Weissagung bringt uns immer wieder viel Ermutigung in dieser Hinsicht:

Mar 227 Tag für Tag soll unsere geistliche Liebenswürdigkeit wachsen. Unsere Bemühungen, das göttliche Vorbild nachzuahmen, werden oft nicht gelingen. Wir werden uns oft beugen müssen und zu Jesu Füßen weinen wegen unseres Zukurzkommens und unserer Fehler. Aber wir sollen nicht den Mut verlieren, sondern noch inniger beten, fester glauben und noch entschiedener erneut versuchen, in das Bild des Herrn zu wachsen. Wenn wir unserer eigenen Kraft misstrauen, werden wir der Macht unseres Erlösers vertrauen.

1TT 441f. Gott ist heute noch genauso mächtig, von Sünde zu retten, wie zur Zeit der Patriarchen, Davids, der Propheten und Apostel. Die unzähligen Begebenheiten der heiligen Geschichte, wo Gott sein Volk von ihren eigenen Bosheiten erlöste, sollten heutige Christen inspirieren, göttliche Weisung anzunehmen und fleißig einen Charakter zu vervollkommnen, der die gründliche Untersuchung vor Gericht bestehen wird.

Die biblische Geschichte stärkt das verzagte Herz mit der Hoffnung auf Gottes Erbarmen. Wir brauchen nicht zu verzweifeln, denn wir sehen, wie andere sich durch ähnliche Entmutigungen gekämpft haben, wie sie ebenso in Versuchungen gefallen sind wie wir und trotzdem den verlorenen Boden wiedergutgemacht haben und von Gott gesegnet worden sind. Die inspirierten Worte trösten und ermuntern die irrende Seele.

Obgleich die Patriarchen und Apostel auch nur schwache Menschen waren, erhielten sie durch den Glauben doch ein gutes Zeugnis, schlugen ihre Schlachten in der Stärke des Herrn und siegten glänzend. Wir dürfen deshalb der Kraft des sühnenden Opfers vertrauen und im Namen Jesu Überwinder sein. (vgl. 1Sch 404)

87. Liebe zu Jesus bewirkt immer eine tiefe Sehnsucht, gänzlich frei von Sünde zu werden und ein Leben beständigen Gehorsams zu führen, im Einklang mit Ihm.

Ps 97,10 Die ihr den HERRN liebt, hasst das Böse!

Amos 3,3 LUT Können etwa zwei miteinander wandern, sie seien denn einig untereinander?

Joh 14,15 Liebt ihr mich, so haltet meine Gebote!

TSB 135 Wenn du zu Jesus kommst und in demütiger Reue deine Sünden bekennst, wird Er dir deine Sünden vergeben und dich von jeder Ungerechtigkeit reinigen. Erst wenn du die Sünde hasst und Reinheit, Wahrheit und Gerechtigkeit liebst, kannst du von der Sünde lassen.

BE, 1.11.1893 Wer gerettet werden will, muss seinen Blick auf Jesus halten. Indem er Christus betrachtet, lernt er, die Sünde zu hassen, die seinem Erlöser Leid und Tod gebracht hat. Im Anschauen wird sein Glaube stark, und er lernt „den einzig wahren Gott und Jesus Christus, den Er gesandt hat“, kennen. Der Sünder sieht Jesus, wie Er ist – voller Mitgefühl und zärtlicher Liebe –, und indem er die Offenbarung Seiner großen Liebe zum gefallenen Menschen im Leiden auf Golgatha betrachtet, wird sein Charakter verwandelt.

DA 668 Wenn wir Gott so kennen, wie es unser Vorrecht ist, werden wir ein Leben beständigen Gehorsams führen. Weil wir Christi Charakter so wertschätzen und Gemeinschaft mit Gott haben, werden wir die Sünde hassen. (vgl. LJ 666)

AG 294 Durch Anschauen werden wir verändert werden, und wenn wir über die Vollkommenheit des göttlichen Vorbilds nachdenken, wird der Wunsch da sein, vollständig umgewandelt zu werden, erneuert im Bild seiner Reinheit. Durch den Glauben an den Sohn Gottes wird der Charakter verwandelt, und aus dem Kind des Zorns wird ein Kind Gottes.