79. Die Bibel spricht nicht von „Heilsgewissheit“, sondern von Hoffnung, „denn auf Hoffnung hin sind wir errettet worden.“ (Röm 8,24)

Es ist an sich nicht falsch, zur Beschreibung unseres Glaubens auch Begriffe zu verwenden, die in der Bibel nicht vorkommen. Es vergrößert aber die Gefahr, dass subjektive, willkürliche Elemente mit in die Definition einfließen. Und bei „Heilsgewissheit“ ist das ohne Zweifel geschehen.

Betrachten wir den biblischen Befund. In der Lutherübersetzung (1984) finden sich im Neuen Testament nur zwei Texte mit dem Wort „Gewissheit“:

  • Kolosser 2,2: „Gewissheit und Verständnis“ (andere übersetzen „Gewissheit im Verständnis“).
  • 1. Thessalonicher 1,5: „Predigt des Evangeliums … in großer Gewissheit“.

In der Elberfelder finden sich einige weitere Texte:

  • Römer 4,21: Abrahams „Gewissheit“, das Gott seine Verheißungen erfüllen würde.
  • Hebräer 6,11: Wir sollen um die „volle Gewissheit der Hoffnung“ eifern.
  • Hebräer 10,22: Wir dürfen in „voller Gewissheit des Glaubens“ ins himmlische Heiligtum eintreten.

Keine dieser Stellen hat mit „Gewissheit des Heils“ im üblichen Sinne zu tun. Am ehesten würde wohl noch „Gewissheit der Hoffnung“ passen, doch spricht gerade dieser Text nicht von etwas, das bereits vollendete Tatsache wäre, sondern um das wir „eifern“ sollen. Was uns zum Begriff der Hoffnung führt. Paulus schreibt an die Römer:

Röm 8,24 Denn auf Hoffnung hin sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung. Denn wer hofft, was er sieht?

25 Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren.

Es würde zu weit führen, den Zusammenhang von Römer 8 im Einzelnen darzustellen, aber im Grunde macht Paulus in diesem Kapitel an verschiedenen Stellen klar, dass unsere Erlösung erst vollendet sein wird, wenn wir die Unsterblichkeit empfangen. Er nennt das „die Sohnschaft: die Erlösung unseres Leibes“ (V. 23). Die Anzahlung, die unsere Berechtigung zu ewigem Leben anzeigt, ist „die Erstlingsgabe des Geistes“ (23), und derselbe Geist macht am Ende die Toten lebendig und schenkt ewiges Leben (11). Der Geist ist es auch, der uns „von dem Gesetz der Sünde freigemacht hat“ (2), eine neue „Gesinnung“ schenkt (6), sodass wir „nach dem Geist wandeln“ und das Gesetz erfüllen (4). Wenn wir „ausharren“ bis zur Erfüllung von Gottes Verheißung (25) und dabei auch bereit sind, für Christus zu leiden (17), werden wir die ewige Herrlichkeit erlangen (17). Anschließend führt Paulus auf sehr ermutigende Weise aus, dass auf diesem Weg in die Ewigkeit uns alle Dinge zum Guten dienen müssen und Gott für alle unsere Bedürfnisse und notwendigen Schritte liebevoll und überreichlich vorgesorgt hat (siehe auch den Abschnitt über Röm 8,29ff. in These 68).

„Hoffnung“, wie die Bibel diesen Begriff gebraucht, beschreibt gut unsere Situation als „Pilger“ zur himmlischen Heimat, die wir zwar die Verheißung des ewigen Lebens (= des Heils) haben, aber noch nicht die Erfüllung. Wir müssen anerkennen: Solange wir auf dieser Erde leben, unsere alte Natur noch besitzen und Satan aktiv ist, besteht die Möglichkeit, zu fallen und sogar abzufallen. Sicherheit finden wir nicht in uns, sondern allein im konsequenten Abwenden vom eigenen Ich und im Ausstrecken zu Christus hin, der all das für uns und in uns ist und sein wird, was zu unserem persönlichen Heil notwendig ist. Können wir dabei die „Gewissheit“ haben, am Ziel anzukommen? Ja, wenn wir das Wesen dieser Gewissheit richtig, d. h. biblisch definieren.

Wir haben ein ganz anschauliches biblisches Beispiel dafür, welche Art Gewissheit wir als Pilger zum Himmel haben dürfen, und das ist Israels Wüstenwanderung. Ihre Reise hatte die in These 76 erwähnten drei Stationen: Anfang – Prozess – Ende (Ziel). Der Anfang war ihre Befreiung aus Ägypten – das ist ein Bild für unsere Bekehrung. Dann folgte ein längerer, wortwörtlich „schrittweiser“ Prozess, nämlich ihre Wanderung durch die Wüste – ein Bild für unser Leben in der Nachfolge und unsere Heiligung. Das Ziel war schließlich das Land Kanaan, die neue Heimat – ein Bild für den Himmel und die Neue Erde.

Jetzt die Gretchenfrage: Hatten die Israeliten „Heilsgewissheit“? Nach heutigem Verständnis müsste man mit Ja antworten, denn die „Heilsgewissheit“ beginnt angeblich mit der Bekehrung. Von dem Tag also, als das Volk Ägypten verlassen hatte, besaß es „Heilsgewissheit“. Nun berichtet die Bibel aber die höchst verstörende Tatsache, dass von den 600 000 Mann, die Ägypten verlassen hatten (2Mo 12,37), ein schier unglaublich winziger Anteil von gerade einmal zwei Männern – Josua und Kaleb – das Ziel der Reise, Kanaan, wirklich erreichte! Paulus drückt es sehr, sehr milde aus, wenn er sagt:

1Kor 10,5 An den meisten von ihnen aber hatte Gott kein Wohlgefallen, denn sie sind in der Wüste hingestreckt worden.

Anschließend betont er noch, dass diese Dinge für uns aufgeschrieben worden sind, damit wir nicht ihre Fehler wiederholen und dasselbe Schicksal erleiden:

1Kor 10,11 Alles dies aber widerfuhr jenen als Vorbild und ist geschrieben worden zur Ermahnung für uns, über die das Ende der Zeitalter gekommen ist.

Das griechische Wort für „Vorbild“ ist typos, von dem das deutsche Wort „Typologie“ stammt. Es bedeutet, dass eine prinzipielle Vergleichbarkeit zwischen Israels Situation und unserer heutigen besteht. Das macht diese Geschichte für uns sehr bedeutsam, und deswegen ist sie in der Schrift auch so ausführlich berichtet – für uns, das geistliche Israel am „Ende der Zeitalter“. Paulus’ Fazit und Appell im nächsten Vers lautet:

1Kor 10,12 Daher, wer zu stehen meint, sehe zu, dass er nicht falle.

Und wenn ich mich nicht völlig täusche, dann hat „Ich meine zu stehen“ durchaus etwas mit dem heute verbreiteten „Ich habe Heilgewissheit“ zu tun. Wir können noch fallen, und wir haben etwas zu tun, um das zu verhindern, nämlich „zusehen, dass wir nicht fallen“. Und damit wird meine „Heilsgewissheit“ zu etwas, das auch von mir persönlich abhängt und somit niemals absolute Gewissheit sein kann (und auch niemals so gedacht war).

Trotzdem ist unsere Aufgabe als Wanderer durch die Wüste keinesfalls, uns auf uns selbst zu konzentrieren und in uns selbst Stärke zusammenzuklauben, sondern gerade das Gegenteil: von uns selbst weg auf den göttlichen Führer zu sehen, der in der Wolken- und Feuersäule vor uns herzieht! Der persönliche Faktor ist da, doch besteht er paradoxerweise darin, dass ich „abnehme“ und Er „wächst“ (Joh 3,30), dass ich „sterbe“ und Er in mir „lebt“ (Gal 2,19f.), dass ich „schwach“ bin und Er in mir „stark“ (2Kor 12,10)! Aus diesem Grund lenkt Paulus gleich im nächsten Vers unsere Aufmerksamkeit auf Gott und Seine Treue während unserer Pilgerreise:

1Kor 10,13 Keine Versuchung hat euch ergriffen als nur eine menschliche; Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen wird, sodass ihr sie ertragen könnt.

Gott weiß, dass wir gefallene Menschen sind; daher sind es allein „menschliche“ Versuchungen oder Prüfungen, die Er auf unserer Wanderschaft ins himmlische Kanaan zulässt. Und mit jeder Prüfung versorgt Er uns auch mit der nötigen Widerstandskraft, um an Gott und am Glauben festzuhalten. Und das ist übrigens eine absolute Gewissheit!

Wer wird also einmal die himmlische Heimat erreichen? Paulus gibt eine eindeutige Antwort im Hebräerbrief, wo er ebenso Israels Wüstenwanderung als Lehrbeispiel heranzieht und das „Eingehen in die Ruhe“ Kanaans als ein Bild für unsere Erlösung gebraucht. Er sagt:

Heb 4,3 Wir gehen nämlich in die Ruhe ein als die, die geglaubt haben

Dann ergänzt er, damit kein Missverständnis entsteht, dass er von einem Glauben spricht, der „eifrig“ ist und zum „Gehorsam“ führt:

Heb 4,11 Lasst uns nun eifrig sein, in jene Ruhe einzugehen, damit nicht jemand nach demselben Beispiel des Ungehorsams falle!

Und wie schon im ersten Korintherbrief baut er gleich unserer menschlichen Neigung vor, bei Ermahnungen auf uns selbst zu schauen, indem er auf Christus als mitfühlenden Fürsprecher und allmächtigen Erlöser hinweist:

Heb 4,15 Wir haben nicht einen Hohepriester, der nicht Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem in gleicher Weise wie wir versucht worden ist, doch ohne Sünde.

16 Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe!

Auch diese versprochene Gnade und rechtzeitige Hilfe in jeder Anfechtung dürfen wir aufgrund der Verdienste Jesu mit absoluter Gewissheit in Anspruch nehmen.

Folgen wir doch diesem wunderbaren, göttlichen Führer, egal was uns in der Wüste dieser Welt begegnet! Wenn unsere Augen auf Ihn gerichtet bleiben und wir – ob wir Freiheit von Schuld oder Freiheit von Sünde suchen – uns stets zu Ihm flüchten und auf Sein erlösendes Blut berufen, dann werden wir das gelobte Land erreichen, denn unser Herr führt immer zu Ende, was Er begonnen hat! In Ihm – in Seiner Liebe und Treue – liegt unsere ganze Gewissheit.

78. Laodizea braucht nicht menschliche Heilsgewissheit, sondern göttliche Heils-Ungewissheit – ein Aufrütteln aus dem gefährlichen Zustand einer falschen Rechtfertigungslehre, die blind für die Wahrheit macht.

Ein ganz wesentliches Problem mit dem gängigen Konzept von „Heilsgewissheit“ ist, dass es in aller Regel etwas Wichtiges außer Acht lässt: Jesus versucht im Brief an Laodizea, die Gemeinde der Endzeit davon zu überzeugen, dass sie unbewusst in einer falschen Gewissheit lebt. Das ist göttliche „Heilsungewissheit“ und natürlich völlig im Gegensatz zum heutigen Bemühen, möglichst allen „Heilsgewissheit“ zu vermitteln.

Gleichzeitig müssen wir betonen, dass Laodizeas Diagnose zwar sehr ernüchternd, ja schockierend ist, aber einen überaus konstruktiven und wohlwollenden Zweck verfolgt, nämlich eine gründliche geistliche Heilung. Die Wahrheit tut zuerst weh, ist aber trotzdem von tiefer Liebe motiviert, weil „der treue Zeuge“ weiß, dass allein der Weg über echte Selbsterkenntnis und „eifrige Buße“ zu dauerhafter Befreiung und wahrem Seelenfrieden führt.

Off 3,19 Ich überführe und züchtige alle, die ich liebe. Sei nun eifrig und tu Buße!

Paulus schreibt ähnlich an die Korinther, denen er einen recht strengen Brief mit zahlreichen Ermahnungen und Konfrontationen schickte, obwohl er wusste, dass es die Korinther treffen und traurig machen würde. Dem Apostel war aber klar, dass dies der einzig mögliche Weg zu Umkehr und umfassender Besserung für die Gemeinde war. Daher schreibt er etwas später in seinem zweiten Brief:

2Kor 7,9 Jetzt freue ich mich, nicht dass ihr betrübt worden, sondern dass ihr zur Buße betrübt worden seid …

10 Denn die Betrübnis nach Gottes Sinn bewirkt eine nie zu bereuende Buße zum Heil

11 Denn siehe, eben dies, dass ihr nach Gottes Sinn betrübt worden seid, wie viel Bemühen hat es bei euch bewirkt!

Paulus spricht von einer „Betrübnis nach Gottes Sinn“, die zwar zuerst unangenehm ist, aber wunderbare Früchte trägt: Sie führt zur Buße und eifrigem Bemühen und darüber zum Heil. Dieselbe „eifrige Buße“, sagt Jesus, brauchen wir als Gemeinde Laodizea. Kann es sein, dass wir unseren Geschwistern ungewollt ein „abgekürztes Heil“ vermitteln, ohne den mühsameren, aber notwendigen Weg über Trauer, Buße und echte Lebensreform („eifriges Bemühen“)? Nach meinen Erfahrungen, wonach ich in der Adventgemeinde auf fast allen Ebenen und Kanälen immer wieder auf unbiblisches, evangelisch-babylonisches Gedankengut zu Rechtfertigung und Erlösung stoße, muss ich die Frage leider mit Ja beantworten. Oder wann hast du zum letzten Mal eine Predigt darüber gehört, dass echter Glaube zu vollkommenem Gehorsam und vollendeter Heiligung führt?

Beachten wir die wunderbare und zutiefst biblische Balance im folgenden Zitat zwischen völligem Vertrauen auf Christus und völligem Gehorsam:

GW 50 Der Glaube an Christus, der die Menschen rettet, sieht nicht so aus, wie ihn viele darstellen. „Glaubt nur, glaubt!“, rufen sie, „Glaubt nur an Christus und ihr werdet gerettet. Das ist alles, was ihr zu tun habt.“ Während echter Glaube bei der Erlösung völlig auf Christus vertraut, führt er auch zur vollkommenen Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes. Der Glaube zeigt sich durch Werke. Und der Apostel Johannes erklärt: „Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht.“ (1Joh 2,4)

Die Früchte zeigen die Qualität eines Baumes, und unser Leben und Verhalten Tag für Tag zeigt die Qualität der Rechtfertigung, die wir für uns beanspruchen. Wenn Gott vergibt, nimmt Er Sünde weg, und das zeigt sich in Erweckung und Reformation, in Wiedergeburt und einem neuen Leben in Liebe, Sanftmut, Güte und Gerechtigkeit. Wenn uns diese Erfahrung offensichtlich fehlt, sollten wir keine Zeit verlieren und den einzigen Weg gehen, der wirklich ans Ziel führt, nämlich uns vor Gott zu demütigen und von Ihm Sündenerkenntnis, Buße, Vergebung, Umkehr, neue Motive, neue Ziele und die Fülle Seiner Liebe und Seines Geistes schenken zu lassen. Es gibt nichts, was uns tiefer mit Freude, Dankbarkeit und Liebe erfüllen wird, als die Erfahrung zu machen, dass echte Vergebung immer die Befreiung zu einem neuen Leben in Gehorsam und vertrauensvoller Hingabe an Christus beinhaltet. Geben wir uns nicht mit weniger zufrieden! Das wäre nicht nur falsche Bescheidenheit, sondern eine Gefahr fürs Seelenheil. Suchen wir das Echte, das Original – den einen, wahren Christus und das eine, wahre, „ewige Evangelium“. Das ist nicht nur für unsere persönliche Erlösung notwendig, sondern auch für unseren Auftrag der globalen Verkündigung der Dreiengelbotschaft.

75. Wer sagt, die Lehre von der Charaktervollkommenheit würde die Heilsgewissheit rauben, predigt eine menschlich erdachte Heilsgewissheit.

Wenn die Bibel lehrt, dass das Blut Jesu (Seine Fürsprache aufgrund Seines Opfers) den Gläubigen zu sittlicher Vollkommenheit führt, wie wir im Hebräerbrief gelesen haben, dann ist jede Art „Heilsgewissheit“, die auf weniger baut, ohne biblische Grundlage und menschlich erdacht. Sie mag für den Moment ein Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit stillen, doch weil sie nicht Gottes Sinn entspringt, stellt sie eine Täuschung dar.

Der Punkt ist, dass „Vollkommenheit“ das Gleiche ist wie „Heil“. Adams und Evas freiwillige „Unvollkommenheit“ am Baum der Erkenntnis hat das „Unheil“ in unsere Welt gebracht. Christus wurde unser „Heiland“, um die Schöpfung wieder „heil“ zu machen und die ursprüngliche „Vollkommenheit“ wiederherzustellen. Wie können wir von der Gewissheit unseres „Heils“ sprechen und gleichzeitig „Unheil“ in unseren Herzen tolerieren und entschuldigen? Der Grund ist, dass sich eine trügerische Erlösungslehre in unseren Gemeinden ausgebreitet hat. Wir hoffen, dass Gott am Ende den „Zauberstab“ herausholt und mit einer magischen Berührung all die Sünden aus unserem Wesen entfernt, die uns ständig überwunden haben, statt dass wir sie überwinden. Diese Hoffnung wird sich nie erfüllen.

Wachen wir lieber jetzt auf, solange Christus noch anklopft und die unendlich kostbaren Güter Augensalbe, Gold und weiße Kleider (= Charaktervollkommenheit) anbietet. Dieses Leben ist die Zeit, in der ein Charakter für die Ewigkeit geformt wird. Es ist für Gott nicht schwer, das in uns zu wirken, aber Er braucht unser Vertrauen und unsere Zustimmung.

AH 16 Du wirst mit demselben Wesen aus dem Grab auferstehen, das du zu Hause und in der Gesellschaft offenbart hast. Jesus verändert den Charakter bei seiner Wiederkunft nicht. Das Werk der Umwandlung muss jetzt getan werden.

1Kor 1,7 Daher habt ihr an keiner Gnadengabe Mangel, während ihr das Offenbarwerden unseres Herrn Jesus Christus erwartet,

8 der euch auch festigen wird bis ans Ende, sodass ihr untadelig seid an dem Tag unseres Herrn Jesus Christus.

Es ist überhaupt keine Frage, dass Jesus dieses hohe und wunderbare Ziel mit jedem erreichen wird, der Ihm vertraut. Eines muss uns allerdings bewusst sein, wenn wir uns für diesen Weg entscheiden: Es wird nicht ohne teils auch harte innere Kämpfe gehen.

COL 331 Christus hat uns nicht zugesagt, dass es leicht sei, einen vollkommenen Charakter zu erreichen. Ein nobler, vollständiger Charakter wird nicht geerbt. Wir bekommen ihn nicht zufällig. Ein edler Charakter ist der Lohn persönlicher Bemühungen durch die Verdienste und die Gnade Christi. Gott gibt die Talente, die Geisteskräfte; wir formen den Charakter – durch harte, unnachgiebige Kämpfe mit dem Ich. Ein Streit nach dem anderen muss gegen ererbte Neigungen geführt werden.

Seien wir nicht überrascht, wenn Stürme der Versuchung und Entmutigung über uns hereinbrechen! Doch in allem wird Christus in größter Fürsorge als der gute Hirte über Seinen angefochtenen Schäfchen wachen und ihnen zur rechten Zeit genau das geben, was sie brauchen.

Ps 23,4 Auch wenn ich wandere im Tal des Todesschattens, fürchte ich kein Unheil, denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich.

Jes 43,1 Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.

2 Wenn du durchs Wasser gehst, ich bin bei dir, und durch Ströme, sie werden dich nicht überfluten. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt werden, und die Flamme wird dich nicht verbrennen.

63. Unzählige Adventisten sind aufgrund ihrer geistlichen Schwachheit so verzagt, dass sie begierig nach einer „Heilsgewissheit“ greifen, die sich im Gericht allein auf eine zugerechnete Heiligkeit stützt, obwohl schon der gesunde Menschenverstand sagt, dass dies nicht alles sein kann, wenn ich eines Tages in der Gegenwart eines heiligen Gottes stehen will.

Diese These beschreibt meine Beobachtung. Ich kann die Situation der Verzagtheit aus eigener Erfahrung sehr gut nachvollziehen und verstehe menschlich betrachtet, wie anziehend eine Rechtfertigungslehre wirkt, die allein auf die zugerechnete Gerechtigkeit Jesu setzt. Das „Problem Gericht“ scheint damit konsequent gelöst, und auch ins eigene Leben kommt die Leichtigkeit einer Glaubenspraxis, wo wir uns zwar (mehr oder weniger) um ein christliches Leben bemühen, Versagen und hartnäckige Schwächen aber in der tröstlichen Gewissheit „gut ertragen“ können, dass sie kein Hindernis für unser Heil darstellen.

Rein subjektiv empfinde ich durchaus Sympathie für so einen Lebensstil und habe ihn phasenweise auch selbst praktiziert. Biblisch betrachtet, muss ich ihn jedoch als illegitime Verbindung von geistlichen Wahrheiten und fleischlichen Praktiken ablehnen. Diese Theologie versucht eine Unmöglichkeit: Christ zu sein, ohne sich zu bekehren. Menschen auf diesem Weg beanspruchen zwar, mit Christus gestorben zu sein, und reden häufig vom Kreuz, Rechtfertigung, Gottes Gnade und Seiner Liebe; sie versäumen aber, mit Christus auch aufzuerstehen und ein ganz neues Leben im Geist zu beginnen – rein, selbstlos und voller guter Werke. Sie haben eine diffuse Überzeugung, dass alle ihre Sünden, schlechten Gewohnheiten und Charakterschwächen einmal schlagartig beseitigt werden, wenn sie auferstehen oder bei der Wiederkunft verwandelt werden. Gott wird das dann schon „irgendwie machen“, und dieses Sich-voll-auf-Gott-Verlassen missverstehen sie als rettenden Glauben.

1SM 313f. Viele bekennen sich zu Christus, werden aber nie zu reifen Christen. Sie gestehen ein, dass der Mensch gefallen ist und seine Fähigkeiten geschwächt sind, dass er aus sich nichts Sittliches hervorbringen kann. Doch dann sagen sie, Christus habe alle Lasten, alle Leiden und alle Selbstverleugnung auf sich genommen, und sie haben nichts dagegen, ihn alles tragen zu lassen. Sie sagen, sie hätten nichts weiter zu tun, als zu glauben. Aber Christus hat gesagt: „Wenn jemand mir nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach!“ (Mt 16,24)

Gott wird das in der Tat „irgendwie machen“, aber Er tut es in diesem Leben und unter Bedingungen, die in Seinem Wort sowie im Geist der Weissagung ausführlich beschrieben sind: Reue, Sündenbekenntnis, Hingabe, Liebe, Gehorsam, Selbstverleugnung, Dienst, Zeugnis, Mission.

FW 52 Gott erwartet heute nichts anderes als von dem heiligen Paar in Eden: vollkommenen Gehorsam gegenüber seinen Forderungen. Sein Gesetz bleibt durch alle Zeitalter hindurch dasselbe. Der große Standard für Gerechtigkeit, wie das Alte Testament ihn beschreibt, wird im Neuen nicht abgeschwächt. Das Evangelium ist nicht dazu da, den Maßstab von Gottes heiligem Gesetz zu erniedrigen, sondern den Menschen so zu erhöhen, dass er dessen Vorschriften halten kann.

Der rettende Glaube an Christus ist nicht so, wie er von vielen dargestellt wird. „Glaube, glaube“, rufen sie, „glaube nur an Christus, und du wirst errettet. Mehr musst du nicht tun.“ Zwar verlässt sich wahrer Glaube tatsächlich ganz auf Christus, was die Erlösung angeht, doch führt er auch zu vollkommener Übereinstimmung mit Gottes Gesetz. (vgl. GW 50)

Wiederholen wir die Aussage in diesem Zitat noch einmal, damit sie glasklar heraussteht:

  • Falscher Glaube verlässt sich ganz auf Christus, um vollkommene Vergebung zu erlangen, jedoch nicht vollkommenen Gehorsam, und missversteht dies als Rettung.
  • Wahrer Glaube verlässt sich ganz auf Christus, um vollkommene Vergebung und vollkommenen Gehorsam zu erlangen.

Können wir sehen, dass wir in der Adventgemeinde „ein Problem“ haben …? Betrachten wir die gleiche Sache von einer etwas anderen Seite und stellen dem inspirierten Wort die Frage: Wer wird einmal in Gottes Gegenwart stehen?

Ps 15,1 HERR, wer darf in deinem Zelt weilen? Wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg?

2 Der rechtschaffen wandelt und Gerechtigkeit übt

Ps 24,3 Wer darf hinaufsteigen auf den Berg des HERRN und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?

4 Der unschuldige Hände und ein reines Herz hat

EW 15f. Bald wurde unser Blick nach Osten gewendet, denn eine kleine, schwarze Wolke war erschienen, etwa halb so groß wie eine Männerhand. Wir alle wussten, dass es das Zeichen des Menschensohnes war. In feierlichem Schweigen schaute jeder von uns zu, wie die Wolke näherkam und heller und immer noch herrlicher wurde, bis es eine große, weiße Wolke war. Ihr Grund sah aus wie Feuer, und ein Regenbogen war über ihr. Zehntausende Engel umgaben sie und sangen ein wunderschönes Lied. Auf ihr saß der Menschensohn. Sein weißes, lockiges Haar lag auf seinen Schultern, und auf seinem Kopf waren viele Kronen. Seine Füße sahen wie Feuer aus. In der rechten Hand hatte er eine scharfe Sichel, in der linken eine silberne Trompete. Seine Augen glichen einer Feuerflamme, sein prüfender Blick las alles in Seinen Kindern. Da wurden alle Gesichter blass, und die Gesichter der von Gott Verworfenen wurden finster. „Wer wird bestehen?“, riefen wir alle aus. „Ist mein Kleid fleckenlos?“ Die Engel hörten auf zu singen, und eine furchtbare Stille trat ein. Dann sagte Jesus: „Wer saubere Hände und ein reines Herz hat, wird bestehen. Meine Gnade ist für euch ausreichend.“ Da hellten sich unsere Gesichter auf, und Freude erfüllte jedes Herz. Die Engel nahmen ihren Gesang wieder auf, diesmal einen Ton höher, und die Wolke bewegte sich weiter auf die Erde zu. (vgl. EG 13)

PUR, 9.2.1905 Ich sage euch im Namen Jesu von Nazareth, dass wir als Volk unbedingt eine Reformation brauchen. Wenn jemand nicht in jeder Hinsicht christusähnlich mit seinem Nächsten umgeht und die Gesetze des Himmels in allen Einzelheiten befolgt, wird er die Stadt Gottes niemals betreten. Es gibt für niemanden eine Entschuldigung zu scheitern. Wir haben alle Christi Charakter vor uns, um ihn zu studieren und nachzuahmen …

Was meint Gottes Wort, wenn es erklärt, dass Christus die Gemeinde sich selbst ohne Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen darstellt? Es meint, dass Gottes Volk das Ziel christlicher Vollkommenheit erreichen kann und muss. Doch dazu muss es erst von Christus Sanftmut und Demut lernen.

Durch das Opfer Christi ist vollständig dafür gesorgt, dass Gläubige alles [Hervorhebung original] zum Leben und zur Gottseligkeit erhalten. Die Vollkommenheit seines Charakters macht es uns möglich, Vollkommenheit zu erlangen.

Eine persönliche Bemerkung am Rande: Ich überlege oft, was ich anstreichen soll und was nicht, um die Aussagen in einem Zitat bzw. meine Intention beim Zitieren etwas übersichtlicher darzustellen. Die Entscheidung ist nicht einfach. In vielen Zitaten (wie in dem letzten) steckt dermaßen viel drin, dass man es eigentlich immer wieder lesen und in allen Einzelheiten bedenken und verinnerlichen müsste. Oft würde ich am liebsten fast alles hervorheben, aber das wäre natürlich kontraproduktiv. Wenn ich also etwas nicht anstreiche, heißt das keineswegs, dass ich es für unwichtig erachte. Es hängt vom jeweiligen Gedankengang der These ab: Manchmal hebe ich mehr das „Muss“ (die Anforderung) hervor, manchmal mehr das „Wird“ (die Verheißung); manchmal mehr die göttliche Retterliebe und Gnade, manchmal mehr die menschliche Verantwortung als Gnadenempfänger. Ob so oder so: Insgesamt ist mein Bemühen, obwohl mein Schwerpunkt in diesen Thesen auf sittlicher Vollkommenheit liegt, ein ausgewogenes Bild zu vermitteln.