80. Unsere Hoffnung auf ewiges Leben besteht nicht in externen Fakten wie „zugerechneter Gerechtigkeit“ oder einem Eintrag im Buch des Lebens, sondern in dem Sohn Gottes: „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht.“ (1Joh 5,12)

Diese These hat nicht den Sinn, die Bedeutung von Fakten abzuwerten, denn unsere Erlösung hat eine Menge mit objektiven Fakten zu tun, die außerhalb von uns ihren Bestand haben. Es ist Tatsache, dass uns bei der Übergabe unseres Lebens an Christus Seine Gerechtigkeit zugerechnet und unser Name ins Lebensbuch eingeschrieben worden ist. Es ist Tatsache, dass der Vater uns um der Verdienste Jesu willen im Augenblick unserer Bekehrung den Status und die Vorrechte eines Geschöpfes gewährt, das niemals gesündigt hat und in vollkommener sittlicher Reinheit vor Ihm steht. Ebenso ist Tatsache, dass Gott uns bereits „versiegelt und das Unterpfand des Geistes in unsere Herzen gegeben hat“ (2Kor 1,22).

All diese Liebesbeweise Gottes sollen uns deutlich machen und fest einprägen, wie kostbar wir Ihm sind, wie treu Er für unsere Vollendung vorgesorgt hat und dass Seine Gnadenmittel für unsere Erlösung so überschwänglich sind, dass der Vater schon vom allerersten Schritt unseres Lebensweges mit Christus uns ganz so behandelt, als sei alles bereits vollständig vollbracht. Es ist ein Ausdruck davon, wie sicher unsere Erlösung ist, wenn wir unser Vertrauen einfach stets und ständig auf Ihn setzen, egal was passiert. Er kann es sich leisten, vor den heiligen Engeln und dem gesamten Universum das Risiko einzugehen, uns schon jetzt voll als Seine Kinder anzuerkennen, weil Er weiß, dass nichts und niemand uns aus Seiner Hand reißen kann – außer wir selbst.

Ich versuche, es noch einmal anders auszudrücken: Gott versucht mit all diesen symbolträchtigen Handlungen und Zusicherungen nicht, uns die Illusion zu vermitteln, unser Heil sei bereits abgeschlossen und daher „gewiss“. Gott will uns aber mit der größtmöglichen Zuversicht (biblisch „Hoffnung“!) inspirieren, dass unsere Rettung absolut unerschütterlich ist und unweigerlich zum Ziel führen wird und muss, wenn wir nur eines tun: im Glauben auf Christus schauen und an Ihm bleiben, komme, was da wolle. Keine „externen Fakten“ können ersetzen, was letztlich entscheidend für eines jeden Erlösung sein wird: tägliche Hingabe an und innige Vertrautheit mit Jesus. Und die Frucht davon wird ein geisterfülltes Leben sein, ein Leben in beständigem Gehorsam gegenüber allen Geboten Gottes.

Das Bleiben in Christus ist entscheidend – und „bleiben“ ist nichts Punktuelles, sondern impliziert eine Zeitspanne. Wer biblische Hoffnung verstehen will, dem empfehle ich das Studium des Hebräerbriefes. Paulus beweist dort eine wunderbare Ausgewogenheit zwischen einerseits Ermutigung und geistlichem Zuspruch aufgrund der Treue und Barmherzigkeit Gottes sowie andererseits Ermahnung und Wachsamkeit aufgrund der bleibenden menschlichen Neigung zum Bösen und zum schleichenden Abfall. Hier einige Texte, die deutlich machen, dass unser Heil von Gottes Seite zwar in der Tat „gewiss“ ist, von unserer Seite aber das Vertrauen „bis zum Ende“ benötigt:

Heb 2,1 Deswegen müssen wir umso mehr auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht etwa am Ziel vorbeigleiten.

Heb 3,6 Sein Haus sind wir, wenn wir die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten

14 Denn wir sind Teilhaber des Christus geworden, wenn wir die anfängliche Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten.

Heb 4,1 Fürchten wir uns nun, dass nicht etwa – da die Verheißung, in seine Ruhe einzugehen, noch aussteht – jemand von euch als zurückgeblieben erscheint …

11 Lasst uns nun eifrig sein, in jene Ruhe einzugehen, damit nicht jemand nach demselben Beispiel des Ungehorsams falle!

Heb 6,1 Deshalb wollen wir das Wort vom Anfang des Christus lassen und uns der vollen Reife zuwenden [wörtl. Vollkommenheit] …

11 Wir wünschen aber sehr, dass ein jeder von euch denselben Fleiß beweise zur vollen Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende [o. Ziel],

12 damit ihr nicht träge werdet, sondern Nachahmer derer, die durch Glauben und Ausharren die Verheißungen erben.

Als Beispiel für dieses „Glauben, Ausharren und Erben“ führt Paulus daraufhin Abraham an und sagt einige Verse weiter:

15 Und nachdem er [Abraham] so ausgeharrt hatte, erlangte er die Verheißung.

Dann wendet er dieses Prinzip auf alle Gläubigen an und sagt, wir haben

18 … Zuflucht genommen zum Ergreifen der vor uns liegenden Hoffnung

Paulus macht deutlich, dass zur Errettung (zum „Erlangen der Verheißung“ und „Ergreifen der Hoffnung“) „Glaube und Ausharren“ gehören – ein beständiger Glaube also, der Zeit und Prüfungen überdauern kann. Die Ausdrucksweise in Vers 18 zeigt, dass die Hoffnung „vor uns liegt“ und noch nicht endgültig „ergriffen“ worden ist, also sich noch nicht erfüllt hat. Dies ist die gleiche Aussage wie vorher in Vers 11, wo es heißt, wir sollten „Fleiß beweisen zur vollen Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende“ – mit anderen Worten: erst „am Ende“ verwirklicht sich unsere Hoffnung und wird zur „Gewissheit“. Und bis zu diesem Zeitpunkt, den Gott allein kennt, brauchen wir Glauben, Fleiß und Ausharren. Und selbstverständlich, damit wir uns nicht missverstehen, sind alle diese Tugenden ebenso Gaben, die wir durch Christus und das Wirken des Heiligen Geistes von Gott empfangen und nicht aus uns selbst hervorbringen.

Fazit: Dass unser „Heil“ zur „Gewissheit“ wird, ist momentan noch ein zukünftiges Ereignis. Die Bibel spricht von der Erlösung als „Hoffnung“, weil sie eine Verheißung ist, deren volle Verwirklichung „noch aussteht“ (Heb 4,1). Weil sie uns aber von Gott in Christus im wahrsten Sinne des Wortes „felsenfest“ zugesagt ist, dürfen wir uns dennoch schon jetzt an ihr erfreuen und dankbar und motiviert an der Hoffnung festhalten – „im Glauben ausharren“ –, bis zu dem wunderbaren, unvergleichlichen Tag, an dem wir ihre Erfüllung erleben. Darin sollen wir dem Vorbild derer nacheifern, die auf diese Weise „die Verheißungen geerbt“ (Heb 6,12) haben.

63. Unzählige Adventisten sind aufgrund ihrer geistlichen Schwachheit so verzagt, dass sie begierig nach einer „Heilsgewissheit“ greifen, die sich im Gericht allein auf eine zugerechnete Heiligkeit stützt, obwohl schon der gesunde Menschenverstand sagt, dass dies nicht alles sein kann, wenn ich eines Tages in der Gegenwart eines heiligen Gottes stehen will.

Diese These beschreibt meine Beobachtung. Ich kann die Situation der Verzagtheit aus eigener Erfahrung sehr gut nachvollziehen und verstehe menschlich betrachtet, wie anziehend eine Rechtfertigungslehre wirkt, die allein auf die zugerechnete Gerechtigkeit Jesu setzt. Das „Problem Gericht“ scheint damit konsequent gelöst, und auch ins eigene Leben kommt die Leichtigkeit einer Glaubenspraxis, wo wir uns zwar (mehr oder weniger) um ein christliches Leben bemühen, Versagen und hartnäckige Schwächen aber in der tröstlichen Gewissheit „gut ertragen“ können, dass sie kein Hindernis für unser Heil darstellen.

Rein subjektiv empfinde ich durchaus Sympathie für so einen Lebensstil und habe ihn phasenweise auch selbst praktiziert. Biblisch betrachtet, muss ich ihn jedoch als illegitime Verbindung von geistlichen Wahrheiten und fleischlichen Praktiken ablehnen. Diese Theologie versucht eine Unmöglichkeit: Christ zu sein, ohne sich zu bekehren. Menschen auf diesem Weg beanspruchen zwar, mit Christus gestorben zu sein, und reden häufig vom Kreuz, Rechtfertigung, Gottes Gnade und Seiner Liebe; sie versäumen aber, mit Christus auch aufzuerstehen und ein ganz neues Leben im Geist zu beginnen – rein, selbstlos und voller guter Werke. Sie haben eine diffuse Überzeugung, dass alle ihre Sünden, schlechten Gewohnheiten und Charakterschwächen einmal schlagartig beseitigt werden, wenn sie auferstehen oder bei der Wiederkunft verwandelt werden. Gott wird das dann schon „irgendwie machen“, und dieses Sich-voll-auf-Gott-Verlassen missverstehen sie als rettenden Glauben.

1SM 313f. Viele bekennen sich zu Christus, werden aber nie zu reifen Christen. Sie gestehen ein, dass der Mensch gefallen ist und seine Fähigkeiten geschwächt sind, dass er aus sich nichts Sittliches hervorbringen kann. Doch dann sagen sie, Christus habe alle Lasten, alle Leiden und alle Selbstverleugnung auf sich genommen, und sie haben nichts dagegen, ihn alles tragen zu lassen. Sie sagen, sie hätten nichts weiter zu tun, als zu glauben. Aber Christus hat gesagt: „Wenn jemand mir nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach!“ (Mt 16,24)

Gott wird das in der Tat „irgendwie machen“, aber Er tut es in diesem Leben und unter Bedingungen, die in Seinem Wort sowie im Geist der Weissagung ausführlich beschrieben sind: Reue, Sündenbekenntnis, Hingabe, Liebe, Gehorsam, Selbstverleugnung, Dienst, Zeugnis, Mission.

FW 52 Gott erwartet heute nichts anderes als von dem heiligen Paar in Eden: vollkommenen Gehorsam gegenüber seinen Forderungen. Sein Gesetz bleibt durch alle Zeitalter hindurch dasselbe. Der große Standard für Gerechtigkeit, wie das Alte Testament ihn beschreibt, wird im Neuen nicht abgeschwächt. Das Evangelium ist nicht dazu da, den Maßstab von Gottes heiligem Gesetz zu erniedrigen, sondern den Menschen so zu erhöhen, dass er dessen Vorschriften halten kann.

Der rettende Glaube an Christus ist nicht so, wie er von vielen dargestellt wird. „Glaube, glaube“, rufen sie, „glaube nur an Christus, und du wirst errettet. Mehr musst du nicht tun.“ Zwar verlässt sich wahrer Glaube tatsächlich ganz auf Christus, was die Erlösung angeht, doch führt er auch zu vollkommener Übereinstimmung mit Gottes Gesetz. (vgl. GW 50)

Wiederholen wir die Aussage in diesem Zitat noch einmal, damit sie glasklar heraussteht:

  • Falscher Glaube verlässt sich ganz auf Christus, um vollkommene Vergebung zu erlangen, jedoch nicht vollkommenen Gehorsam, und missversteht dies als Rettung.
  • Wahrer Glaube verlässt sich ganz auf Christus, um vollkommene Vergebung und vollkommenen Gehorsam zu erlangen.

Können wir sehen, dass wir in der Adventgemeinde „ein Problem“ haben …? Betrachten wir die gleiche Sache von einer etwas anderen Seite und stellen dem inspirierten Wort die Frage: Wer wird einmal in Gottes Gegenwart stehen?

Ps 15,1 HERR, wer darf in deinem Zelt weilen? Wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg?

2 Der rechtschaffen wandelt und Gerechtigkeit übt

Ps 24,3 Wer darf hinaufsteigen auf den Berg des HERRN und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?

4 Der unschuldige Hände und ein reines Herz hat

EW 15f. Bald wurde unser Blick nach Osten gewendet, denn eine kleine, schwarze Wolke war erschienen, etwa halb so groß wie eine Männerhand. Wir alle wussten, dass es das Zeichen des Menschensohnes war. In feierlichem Schweigen schaute jeder von uns zu, wie die Wolke näherkam und heller und immer noch herrlicher wurde, bis es eine große, weiße Wolke war. Ihr Grund sah aus wie Feuer, und ein Regenbogen war über ihr. Zehntausende Engel umgaben sie und sangen ein wunderschönes Lied. Auf ihr saß der Menschensohn. Sein weißes, lockiges Haar lag auf seinen Schultern, und auf seinem Kopf waren viele Kronen. Seine Füße sahen wie Feuer aus. In der rechten Hand hatte er eine scharfe Sichel, in der linken eine silberne Trompete. Seine Augen glichen einer Feuerflamme, sein prüfender Blick las alles in Seinen Kindern. Da wurden alle Gesichter blass, und die Gesichter der von Gott Verworfenen wurden finster. „Wer wird bestehen?“, riefen wir alle aus. „Ist mein Kleid fleckenlos?“ Die Engel hörten auf zu singen, und eine furchtbare Stille trat ein. Dann sagte Jesus: „Wer saubere Hände und ein reines Herz hat, wird bestehen. Meine Gnade ist für euch ausreichend.“ Da hellten sich unsere Gesichter auf, und Freude erfüllte jedes Herz. Die Engel nahmen ihren Gesang wieder auf, diesmal einen Ton höher, und die Wolke bewegte sich weiter auf die Erde zu. (vgl. EG 13)

PUR, 9.2.1905 Ich sage euch im Namen Jesu von Nazareth, dass wir als Volk unbedingt eine Reformation brauchen. Wenn jemand nicht in jeder Hinsicht christusähnlich mit seinem Nächsten umgeht und die Gesetze des Himmels in allen Einzelheiten befolgt, wird er die Stadt Gottes niemals betreten. Es gibt für niemanden eine Entschuldigung zu scheitern. Wir haben alle Christi Charakter vor uns, um ihn zu studieren und nachzuahmen …

Was meint Gottes Wort, wenn es erklärt, dass Christus die Gemeinde sich selbst ohne Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen darstellt? Es meint, dass Gottes Volk das Ziel christlicher Vollkommenheit erreichen kann und muss. Doch dazu muss es erst von Christus Sanftmut und Demut lernen.

Durch das Opfer Christi ist vollständig dafür gesorgt, dass Gläubige alles [Hervorhebung original] zum Leben und zur Gottseligkeit erhalten. Die Vollkommenheit seines Charakters macht es uns möglich, Vollkommenheit zu erlangen.

Eine persönliche Bemerkung am Rande: Ich überlege oft, was ich anstreichen soll und was nicht, um die Aussagen in einem Zitat bzw. meine Intention beim Zitieren etwas übersichtlicher darzustellen. Die Entscheidung ist nicht einfach. In vielen Zitaten (wie in dem letzten) steckt dermaßen viel drin, dass man es eigentlich immer wieder lesen und in allen Einzelheiten bedenken und verinnerlichen müsste. Oft würde ich am liebsten fast alles hervorheben, aber das wäre natürlich kontraproduktiv. Wenn ich also etwas nicht anstreiche, heißt das keineswegs, dass ich es für unwichtig erachte. Es hängt vom jeweiligen Gedankengang der These ab: Manchmal hebe ich mehr das „Muss“ (die Anforderung) hervor, manchmal mehr das „Wird“ (die Verheißung); manchmal mehr die göttliche Retterliebe und Gnade, manchmal mehr die menschliche Verantwortung als Gnadenempfänger. Ob so oder so: Insgesamt ist mein Bemühen, obwohl mein Schwerpunkt in diesen Thesen auf sittlicher Vollkommenheit liegt, ein ausgewogenes Bild zu vermitteln.