66. Statt eine „klinisch reine“, von allen menschlichen Werken separierte Rechtfertigung als das Heil zu predigen, sollten Adventisten sich bewusst werden, dass „das Reich Gottes nicht im Wort besteht, sondern in Kraft“ (1Kor 4,20).

Das Reich Gottes kann nicht allein durch himmlische Buchungsvorgänge (zugerechnete Gerechtigkeit) gebaut werden, denn nur wiedergeborene Menschen können dort hineingelangen, wie Jesus Nikodemus sagte. Diese wundersame Neuschöpfung und Wiederherstellung des Menschen ist ein Beweis der ungeheuren Macht Gottes zu unserer Rettung. Deswegen nennt Paulus das Evangelium auch nicht nur eine gute Botschaft (Worte), sondern eine „zum Heil“ notwendige „Kraft Gottes“:

Röm 1,16 Ich schäme mich des Evangeliums nicht, ist es doch Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden …

(Randbemerkung: Würden wir das Evangelium mehr als Kraft erleben, nicht nur als eine Menge „guter Worte“, dann würden wir unsere Scheu vor Zeugnisgeben und Mission verlieren und es begeistert an allen Hecken und Zäunen ausrufen. Und das ist auch Gottes Plan mit der Botschaft an Laodizea, die, wenn sie wirklich akzeptiert und gelebt wird, in den Lauten Ruf münden wird!)

Der Geist der Prophetie bringt die zwei Säulen der „Gerechtigkeit aus Glauben“ einfach verständlich auf den Punkt:

RH, 4.6.1895 Die Gerechtigkeit, die uns rechtfertigt, ist zugerechnet; die Gerechtigkeit, die uns heiligt, ist verliehen. Die erste ist unser Anrecht auf den Himmel, die zweite unsere Eignung für den Himmel. (vgl. RJ 20)

Jetzt kann man lange darüber diskutieren, welche Art Gerechtigkeit wohl wichtiger oder gar entscheidend für unseren Eintritt in den Himmel ist, doch die schlichte Wahrheit ist: Beide sind gleich unverzichtbar.

Dafür ein Beispiel. Nehmen wir an, du erhältst eine schriftliche Einladung zu einer ganz besonderen Festlichkeit. Das Eintrittsticket liegt bei und ist für dich umsonst; die einzige Bedingung ist, dass die Gäste elegante Kleidung tragen. Nun gibt es drei Möglichkeiten, wie du zur Feier erscheinen kannst, aber nur eine Möglichkeit, am Fest wirklich teilzunehmen:

  1. Du nimmst das Ticket mit, kommst aber in Jeans und T-Shirt.
    Resultat: Dein Ticket beweist zwar, dass du zur Festgesellschaft gehörst, aber du erhältst keinen Einlass, weil du unpassend angezogen bist.
  2. Du ziehst deine beste Garderobe an, vergisst aber dein Ticket.
    Resultat: Du bist zwar passend angezogen, aber nicht zur Teilnahme berechtigt.
  3. Du nimmst das Ticket mit und kommst in deiner besten Garderobe.
    Resultat: Du bist sowohl zur Teilnahme berechtigt als auch passend angezogen – du wirst eingelassen!

Jetzt ist Gott nicht nur ein guter Gastgeber, sondern auch ein sehr gnädiger. Weil er weiß, dass kein Mensch auf dieser Erde die passende Garderobe für Sein himmlisches Hochzeitsfest hat, lässt Er nicht nur jedem von uns eine schriftliche Einladung mit Ticket zukommen, sondern stellt gleichzeitig die nötige Kleidung zur Verfügung – beides völlig kostenfrei.

Diese Situation beschreibt Jesus in Seinem Gleichnis von der Hochzeitsfeier. Im Orient war es üblich, dass der Gastgeber nicht nur einlud, sondern auch für passende Feierkleider sorgte. Da die Gäste nichts weiter zu tun hatten, als das bereitgestellte, feierliche Kleid anzuziehen, war es ein Affront gegen den Hausherrn, wenn ein Gast dies missachtete und in Alltagskleidung erschien. Daher findet der Ertappte im Gleichnis auch keine Entschuldigung und bleibt stumm.

Mt 22,11 Als aber der König hereinkam, die Gäste zu besehen, sah er dort einen Menschen, der nicht mit einem Hochzeitskleid bekleidet war.

12 Und er spricht zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen, da du kein Hochzeitskleid hast? Er aber verstummte.

13 Da sprach der König zu den Dienern: Bindet ihm Füße und Hände, und werft ihn hinaus in die äußere Finsternis: da wird das Weinen und das Zähneknirschen sein.

„Denn viele sind Berufene, wenige aber Auserwählte“, heißt es im nächsten Vers. Mit anderen Worten: Viele haben die Einladung erhalten, viele hätten das Recht, an der Feier teilzunehmen, doch auserwählte Gäste sind am Ende nur diejenigen, die auch das Hochzeitskleid tragen. Dieses Kleid ist mehr als Vergebung oder Rechtfertigung – es steht für einen neuen, christusähnlichen Charakter:

Kol 3,9 Belügt einander nicht, da ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen

10 und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bild dessen, der ihn erschaffen hat! …

12 Zieht nun an als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Langmut! …

14 Zu diesem allen aber zieht die Liebe an, die das Band der Vollkommenheit ist!

Röm 13,14 … zieht den Herrn Jesus Christus an …

Damit wir die wahrlich heilsentscheidende Bedeutung des hochzeitlichen Kleides nicht missverstehen, hat Gott sie uns durch Ellen White zusätzlich erklärt. Zuerst einmal, wozu es nicht da ist:

OHC 214 Heiligung ist ein Zustand der Heiligkeit, außen und innen heilig zu sein und ganz und gar dem Herrn zu gehören, nicht förmlich, sondern wahrhaftig. Jede Unreinheit der Gedanken, jede begehrende Lust trennt die Seele von Gott, denn Christus kann sein Kleid der Gerechtigkeit niemals einem Sünder anziehen, um dessen Mangelhaftigkeit zu verbergen.

Nun das Hochzeitskleid, wie es in Christi Gleichnisse beschrieben wird (teils schon in These 62 zitiert):

COL 312 Christus hat als Mensch einen vollkommenen Charakter ausgeformt, und sein Angebot ist, uns diesen Charakter zu verleihen … Der Sohn Gottes ist „geoffenbart worden, damit er die Sünden wegnehme; und Sünde ist nicht in ihm.“ (1Jo 3,5) … Durch seinen vollkommenen Gehorsam hat er es jedem Menschen möglich gemacht, Gottes Geboten zu gehorchen. Wenn wir uns Christus ausliefern, wird das Herz mit seinem Herzen vereint, der Wille geht in seinem Willen auf, die Gesinnung wird eins mit seiner Gesinnung, die Gedanken werden gefangen genommen unter ihn – wir leben sein Leben. Das bedeutet es, mit dem Kleid seiner Gerechtigkeit bekleidet zu sein. Wenn der Herr uns dann anschaut, sieht er keinen Schurz aus Feigenblättern, nicht die Nacktheit und Entstelltheit der Sünde, sondern sein eigenes Gewand der Gerechtigkeit, nämlich vollkommenen Gehorsam gegenüber dem Gesetz Jehovas.

Kurz darauf erklärt sie, warum „Charakter“ und „Werke“ eng verwandt sind und beide ihren Ursprung im Glauben an Christus haben:

COL 312 Gerechtigkeit bedeutet, das Rechte zu tun, und es sind die Taten, nach denen jeder gerichtet werden wird. Unser Charakter offenbart sich darin, was wir tun. Die Werke zeigen, ob der Glaube echt ist.

Wenn wir also „nach Werken“ gerichtet werden, werden wir eigentlich „nach Charakter“ gerichtet und noch eigentlicher „nach dem Glauben“, der die Werke hervorgebracht und auf diese Weise unseren Charakter geformt hat. Tatsächlich steht also unser Glaube auf dem Prüfstand. Und ein gerechter Charakter ist, wie schon in These 60 angesprochen, tatsächlich die Frucht des Glaubens, ist „Gerechtigkeit aus Glauben“, ist „Vollkommenheit aus Glauben“ – vollständige Vergebung und vollständige Neuschöpfung, die auf dem kindlichen Vertrauen auf Christus als persönlichen Erlöser und der Wahrhaftigkeit Seiner Verheißungen beruhen.

3SM 172 Worin besteht der „Glaube Jesu“ in der dritten Engelsbotschaft? … Zu glauben, dass Christus in der Lage ist, uns überschwänglich und völlig und gänzlich zu retten – das ist der Glaube Jesu.

Diesen Glauben wünsche ich uns von ganzem Herzen. Wir brauchen ihn so sehr! Und der Herr wartet darauf, ihn uns zu schenken, wenn wir „Buße tun“ – umdenken.