34. Obwohl die Adventgemeinde den dreigeteilten Dienst Jesu als Opfer und Hohepriester offiziell lehrt, hat sie die praktische Bedeutung dieses Dienstes bis heute nicht in der nötigen Tiefe erkannt und angenommen.

Die Wahrheit dieser Behauptung lässt sich einfach zeigen: Christus im Allerheiligsten wirkt für unsere Vorbereitung auf die Wiederkunft (siehe These 30). Hätten wir diesen Dienst wirklich „erkannt und angenommen“, dann hätte er sich an uns erfüllt. Wir wären vorbereitet worden, und Christus wäre schon lange wiedergekommen, um uns zu sich zu nehmen. Zahlreiche Aussagen im Geist der Weissagung aus ganz unterschiedlichen Jahren bestätigen diese traurige Wahrheit. Wir mögen sie leugnen oder wegtheologisieren, doch der simple Fakt, dass wir 175 Jahre nach 1844 noch immer auf der Erde sind, zeugt gegen uns.

1. Als unser Herr und Erlöser der Adventgemeinde sagte: „Sei nun eifrig und tue Buße!“ (Off 3,19), hat er gewollt, dass diese Buße das ganze Leben der Gläubigen erfasst.

Vordergründig beginnt die erste These mit der Buße, weil Luthers 95 Thesen damit begannen. Auch die Formulierung ist Luthers These entlehnt. Hintergründig ist Buße ein unverzichtbarer, aber unterschätzter Bestandteil des Evangeliums, denn ein Mangel an echter Reue lässt die Kraft des Evangeliums gar nicht erst zur Entfaltung kommen. Sowohl Johannes der Täufer als auch Jesus begannen daher ihre Verkündigung mit dem Aufruf an Gottes Volk zur Buße, ebenso die ersten Christen nach Pfingsten.

Mt 3,1 In jenen Tagen aber kommt Johannes der Täufer und predigt in der Wüste von Judäa

2 und spricht: Tut Buße! Denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.

Mt 4,17 Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen!

Apg 2,37 Als sie aber das hörten, drang es ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den anderen Aposteln: Was sollen wir tun, ihr Brüder?

38 Petrus aber sprach zu ihnen: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden! Und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.

Auch die Botschaft an die letzte der sieben Gemeinden lautet: „Sei nun eifrig und tue Buße!“ Im Neuen Testament bezieht sich „Eifer“ (griech. zelos) meist auf eine Beziehung und wird entsprechend auch mit „Eifersucht“ oder „Neid“ wiedergegeben. Eifersucht will die Exklusivität – sie ist nicht bereit, eine Person mit jemand anders zu teilen. Gott ist mit seinem Volk eine exklusive Beziehung eingegangen: eine Ehe (2Kor 11,2). Er hat alles für seine Braut gegeben, und dieselbe ungeteilte Hingabe wünscht er sich von ihr: „Eifer“ für den Einen, Abkehr von allen „anderen Göttern“ (2Mo 20,3). Nur in dieser Entschiedenheit hat der Ehebund mit Gott Zukunft. Die Ungeteiltheit in der Beziehung mit Christus ist der Adventgemeinde verloren gegangen, und sie wieder herzustellen, ist Aufgabe des göttlichen Briefes an Laodizea (Off 3,15-22).

Die Adventgläubigen nach 1844 hatten die Laodizea-Botschaft zuerst auf die sonntaghaltenden Kirchen angewandt. Doch bereits 1852 schrieb Ellen White über die damaligen Adventisten, diese Botschaft sei „eine perfekte Beschreibung ihres gegenwärtigen Zustands“ (RH, 10.6.1852). 1857 erhielt sie eine ausführliche Vision über Laodizea, in der es u. a. heißt:

FS 257 Ich sah, dass das Zeugnis des treuen Zeugen [die Laodizea-Botschaft] nicht halb beachtet worden ist. Das ernste Zeugnis, von dem das Schicksal der Gemeinde abhängt, ist nur oberflächlich geschätzt, wenn nicht gänzlich missachtet worden. Dieses Zeugnis muss tiefe Reue bewirken; alle, die es wirklich annehmen, werden ihm gehorchen und gereinigt werden.

Ein Mangel an „Gehorsam und Reinheit“ im Leben deutet demnach auf ein tieferes Problem hin, nämlich dass „tiefe Reue“ fehlt.