71. Die Verheißung eines neuen, von Liebe erfüllten Herzens ist der Kern des Neuen Bundes. Wer leugnet, dass Jesu neutestamentlicher Mittlerdienst den Gläubigen „für immer vollkommen macht“ (Heb 10,14), lebt noch im Alten Bund.

Jeremia beschreibt den Neuen Bund so:

Jer 31,31 Siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da schließe ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund:

32 nicht wie der [alte] Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand fasste, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen, – diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war, spricht der HERR.

33 Sondern das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel nach jenen Tagen schließen werde, spricht der HERR: Ich werde mein Gesetz [= selbstvergessene Liebe = sittliche Vollkommenheit] in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben. Und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.

34 Dann wird nicht mehr einer seinen Nächsten oder einer seinen Bruder lehren und sagen: Erkennt den HERRN! Denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, spricht der HERR. Denn ich werde ihre Schuld vergeben und an ihre Sünde nicht mehr denken.

Als kurze Anknüpfung an These 68: Der parallele Aufbau von Vers 33 und 34 zeigt, dass „Ich werde mein Gesetz auf ihr Herz schreiben“ das Gleiche ist wie „Ich werde ihre Schuld vergeben“. Gottes Vergebung umfasst die vollständige Wiederherstellung von allem, was die Sünde zerstört hat. Diese Vergebung im Sinne des totalen „Wegnehmens“ aller Sünden (These 69) spiegelt sich in den drei Abteilen des Heiligtums wider:

  • Vorhof: Wegnehmen der vergangenen Sünden – Jesus spricht mich frei von jeder Schuld
  • Heiliges: Wegnehmen der gegenwärtigen Sünden – Jesus macht mich stark in der Versuchung
  • Allerheiligstes: Wegnehmen der zukünftigen Sünden – Jesus macht mich fest für alle Ewigkeit

Anders ausgedrückt, geht es in diesen drei Phasen um Vergebung, Veränderung und Vervollkommnung. Der ganze Sinn des neutestamentlichen Mittlerdienstes Jesu im Himmel ist die wirkungsvolle und endgültige Wegnahme aller Sünden, was unweigerlich die Vervollkommnung der Gläubigen mit sich bringt. Im Hebräerbrief lesen wir über die Wirksamkeit von Christi Opfer:

Heb 10,14 Denn mit einem Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer vollkommen gemacht.

Manche deuten diesen Text so, dass unsere Vollkommenheit bereits gegenwärtige Tatsache sei – stellvertretend in Christus, rein zugerechnet. In gewisser Weise stimmt es, dass Gottes zeitloser Blick uns bereits als vollkommen betrachtet, weil Er Zukünftiges vorwegnimmt. Doch zeigt uns der Text selbst, dass die Aussage anders zu verstehen ist, denn die „vollkommen Gemachten“ befinden sich immer noch im Prozess der Heiligung („die, die geheiligt werden“).

Der größere Zusammenhang des Abschnitts bestätigt, dass „vollkommen gemacht“ sich auf die Wirksamkeit von Jesu einmaligem Opfer im Gegensatz zu den ständig wiederholten Opfern des Alten Bundes bezieht, die machtlos darin waren, den Gläubigen im Innern zu verändern. Der Vers sagt, dass auf Golgatha alle Voraussetzungen dazu geschaffen worden sind, „jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen“ (Kol 1,28). Und auch hier, weil es so oft missverstanden wird, bedeutet „darstellen“ nicht, dass Gott uns als vollkommen ansieht, obwohl wir es nicht sind, sondern beschreibt eine Tatsache, die im Gericht für alle offensichtlich gemacht wird. Judas nennt das „hinstellen“:

Jud 24 [Gott] vermag euch ohne Straucheln zu bewahren und vor seine Herrlichkeit tadellos mit Jubel hinzustellen.

Der Geist der Weissagung bestätigt, dass unsere sittliche Vervollkommnung das Fundament des Neuen Bundes ist:

RH, 5.4.1898 Christus zeigte in seinen Lehren, wie weit die Prinzipien des Gesetzes reichen, das vom Sinai gesprochen wurde. Er war ein wandelndes Beispiel für diese Grundsätze, die auf ewig der große Maßstab für Gerechtigkeit bleiben – der Maßstab, nach dem jeder gerichtet werden wird, wenn das Gericht sich setzt und die Bücher geöffnet werden. Er kam, um alle Gerechtigkeit zu erfüllen und uns als Haupt der Menschheit zu zeigen, dass wir das Gleiche tun und Gottes Forderungen in jeder Hinsicht nachkommen können. Durch das Maß seiner Gnade, das jedem Menschen gewährt wird, braucht nicht einer den Himmel zu verfehlen. Ein vollkommener Charakter ist für jeden erreichbar, der danach strebt. Gerade dies ist das Fundament des Evangeliums im Neuen Bund. Jehovas Gesetz ist der Baum, das Evangelium seine duftenden Blüten und Früchte.

70. Wenn Gottes Wort „ein Hammer ist, der Felsen zerschmettert“ (Jer 23,29) – der Fels ist Christus, der um unserer Schuld willen zerschmettert wurde –, dann kann es auch unser hartes Herz zerbrechen und uns zu neuen Menschen machen.

Gottes Wort an die ersten Menschen war:

1Mo 2,17 Vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon darfst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst, musst du sterben!

Dieses Wort war so mächtig, wahr und unaufhaltsam, dass es Gott selbst – in Gestalt Seines Sohnes – das Leben kostete. Das Kreuz bezeugt daher die ewige, ausnahmslose, unveränderliche Kraft von Gottes Wort. Doch so sicher wie Gottes Androhung im Paradies ist auch Seine Verheißung der Erlösung nach dem Fall! So betrachtet kann uns sogar das furchtbare Leid auf diesem Planeten daran erinnern, dass Gottes Wort immer und uneingeschränkt in Erfüllung geht und dass daher auch Seine Gnadenzusagen ganz und gar Wirklichkeit werden. Wir dürfen uns voll und ganz darauf verlassen.

Der „Felsen zerschmetternde Hammer“ hört sich recht drastisch an. Doch tatsächlich ist es ja die Erkenntnis der Liebe Gottes, die unser Herz weich werden lässt – wenn wir sehen, dass Er unsere verdiente Strafe auf sich selbst nimmt, um uns zu schonen.

Hes 11,19 Und ich werde ihnen ein Herz geben und werde einen neuen Geist in ihr Inneres geben, und ich werde das steinerne Herz aus ihrem Fleisch entfernen und ihnen ein fleischernes Herz geben.

Der Heiland wurde um unsertwillen „zerschmettert“, und wenn uns dies bewusst wird, werden wir selbst – wenn wir es zulassen – „zerschmettert“: Wir zerbrechen innerlich vor Gott, lassen unsere Selbstgerechtigkeit los und empfangen dankbar das Geschenk Seiner Liebe, die durch den Heiligen Geist in unser Herz ausgegossen wird.

Lk 20,18 Jeder, der auf jenen Stein [Christus] fällt, wird zerschmettert werden; auf wen er aber fallen wird, den wird er zermalmen.

Ist uns bewusst, wie viel Kraft entfesselt wird, wenn Gott spricht, und zwar zu unseren Gunsten spricht? Alle sieben Tage haben wir eine besondere Gelegenheit, uns dies eindrücklich vor Augen zu halten. Gott hat uns diese Welt und den Bericht ihrer Erschaffung als Beweis der unbegrenzten Macht Seines Wortes gegeben. Dasselbe Wort spricht jetzt voller Liebe und Mitgefühl für unsere Schwachheiten, um alle unsere Sünden abzuwaschen und neue Menschen in Christus hervorzubringen, wunderschön gestaltet nach Seinem edlen Vorbild. Jeder Sabbat soll uns daran erinnern, dass der, der alles ins Sein gerufen hat, Derselbe ist, der uns durch den Glauben zu neuen, heiligen, untadeligen Geschöpfen macht. Unser Schöpfer ist unser Erlöser, und wenn wir das verinnerlichen, wird es zu einer mächtigen Quelle des Trostes und der Zuversicht. Das ist der tiefste Sinn unserer Sabbatfeier, und das ist Anbetung im besten Sinne. Das ist wahrer Siebenten-Tags-Adventismus und wird darüber entscheiden, wer zuletzt das Siegel Gottes und wer das Malzeichen des Tieres tragen wird.